Sport/Wintersport

Olympia geht in die Provinz

Kang Kwang-Bae wird in seiner Heimat als Eisheiliger verehrt, weil er es geschafft hat, als Eis-Eiliger in drei verschiedenen Disziplinen bei Winterspielen zu starten. Als Rodler (1998), als Skeletonpilot (2002) und zuletzt in Vancouver, wo er als Fahnenträger fungierte, als Steuermann des südkoreanischen Viererbobs. Der 37-Jährige war der erste Südkoreaner überhaupt, der sich auf eine Rodel setzte.

"Bei uns wusste damals doch niemand, was man mit einer Rodel überhaupt anstellt", erklärt er im KURIER-Gespräch. Mittlerweile hat Kang Kwang-Bae seine Karriere auf Eis gelegt und ist als offizieller Sport-Koordinator einer der führenden Köpfe des Olympia-Organisationsteams für Pyeongchang.

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Aber wer oder was oder wo ist überhaupt Pyeongchang? Es ist kein Ort, sondern ein Landkreis in Südkorea, knapp drei Mal so groß wie Wien, 50.000 Einwohner. Es gibt zwar einen Ort namens Pyeongchang-eup, aber der hat mit den Olympischen Spielen 2018 ungefähr so wenig zu tun wie Salzburg.

Eigentlich müsste es ja heißen: "Olympische Winterspiele 2018 in Daegwallyeong-myeon" - das ist ein Ort rund 180 Kilometer östlich der Hauptstadt Seoul im Taebaek-Gebirge im Nordosten des Landes, 700 Meter über dem Meeresspiegel. Und ganz genau müsste es heißen: "Olympische Winterspiele 2018 in Alpensia". Das ist ein Retorten-Ort, der zu Daegwallyeong-myeon gehört und in nur 45 Minuten zu Fuß zu erreichen ist.

Klingt kompliziert, ist aber relativ überschaubar.

Das Zentrum

In Alpensia gibt es nur Gäste und Angestellte, Erlebnisbad, Konzerthalle, Restaurants und eine der unvermeidlichen Karaokebars. Eine Milliarde Euro hat die Errichtung des Wintersportzentrums gekostet, das von einem Architektur-Konzern in Minnesota geplant wurde. Was dabei herauskam? So ähnlich hat sich wohl auch Walt Disney einen Ferienort in den Alpen vorgestellt. Alpensia wird das Zentrum der Spiele sein. Hier soll ein olympisches Dorf für 3500 Athleten entstehen. Hier soll Kang Kwang-Bae seinen Eiskanal hinbauen. "Die schönste Bobbahn der Welt", wie er sagt.

Nur ein paar Schritte entfernt vom touristischen Zentrum liegt der "Alpensia Jumping Park" mit fünf Schanzen, die 50 Millionen Euro gekostet haben. "2009 hatten wir 20.000 Zuschauer", sagt Walter Hofer, der FIS-Chef der Skispringer. Damals wurde ein Kontinentalcup (eine Kategorie unter dem Weltcup) ausgetragen. Auch diesen Jänner gab es eine derartige Veranstaltung, wieder wuselten Hunderte Helfershelfer rund um die Schanze herum. Einem seiner österreichischen Schützlinge war es zu verdanken, dass die beiden Bewerbe im Jänner überhaupt durchgeführt werden konnten. Denn keiner der südkoreanischen Schanzen-Präparierer war in der Lage, den Pisten-Ratrac den steilen Auslauf hinunter zu fahren.

Der Helfer

Weshalb der Vorarlberger Springer Balthasar Schneider kurzerhand das Steuer des Ratrac übernahm und die Schanze präparierte. "Sonst hätten wir dort nicht springen können", erklärt Ernst Wimmer. "Sie delegieren halt sehr viel", meint der ÖSV-Trainer Ernst Wimmer, der von 1984 bis 1987 auch die südkoreanischen Skispringer betreute.

Von den Schanzen überblickt man das Biathlonzentrum, das bei den Spielen auch für Langlauf und die Nordische Kombination genutzt werden soll. Im Februar 2009 fand hier die Biathlon-WM statt, die unter Wetterkapriolen und viel zu hohen Temperaturen litt.

In unmittelbarer Nähe zu Alpensia liegt das Skigebiet, im dem die alpinen Technikbewerbe stattfinden. 30 Fahrminuten entfernt finden die Speed-Disziplinen sowie die Freestyle-Bewerbe mit Ski und Snowboard statt. Etwas kürzer ist Fahrt nach Gangneung. Die Stadt mit 230.000 Einwohnern liegt direkt am Meer, soll ein kleines olympisches Dorf bekommen und zur Eismetropole werden. Hier haben schon Weltmeisterschaften im Curling und Shorttrack sowie Kontinentalmeisterschaften im Eiskunstlauf stattgefunden.

Die Eisigen

Und wer immer noch behauptet, dass Südkorea keine Wintersportnation ist, der muss nur auf die letzten Spiele in Vancouver zurückblicken. Da lagen die Südkoreaner am Ende an fünfter Stelle (6 Gold, 6 Silber, 2 Bronzemedaillen). Noch vor Wintersportnationen wie Schweiz, Russland - oder auch Österreich. Ein Verdienst der Short-Tracker, Eisschnell- und Eiskunstläufer, die in Korea hohes Ansehen genießen.

Ein Tiroler freute sich über den Zuschlag für Pyeongchang ganz besonders. Mario Guggenberger kennt die südkoreanische Wintersportszene wie kaum ein anderer Nicht-Koreaner. Von 2003 bis 2010 trainierte er Kang Kwang-Bae und die übrigen Skeleton- und Bobpiloten des Landes. Er leistete Entwicklungshilfe und kann einige Anekdoten erzählen. So nahmen einige emsige Piloten ihre Skeletonschlitten anfangs sogar mit ins Bett. "Eigentlich wollte ich nur schauen, ob sie schlafen", erzählt Guggenberger. "Sie haben geschlafen. Mit Helm und Anzug. So sind sie die Nacht auf dem Schlitten gelegen."

Doch es wäre ein Fehler, die Südkoreaner nicht ernst zu nehmen. "Die Olympischen Spiele werden sicher kein Flop. Die lassen nichts anbrennen, werden sich das Know-how aneignen. Außerdem haben sie dank Samsung und Hyundai so enorme wirtschaftliche Möglichkeiten, dass dort eine perfekte Infrastruktur sein wird", glaubt Guggenberger.

Und auch leere Tribünen wird es nicht geben, wie der Tiroler aus eigener Erfahrung weiß, als er vor Jahren in Korea eine Olympia-Werbe-Veranstaltung besuchte. "Die Leute werden mobilisiert. Wenn die Regierung aufruft, dann stehen 100.000 Menschen da und schwenken die südkoreanische Fahne."

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