Gut vs. Vonn: Star-Duell mit zwei Handicaps
Von Stefan Sigwarth
Die eine wohnt auf mehr als 200 Quadratmetern im Hotel Kempinski in St. Moritz-Bad; die andere wohnt auf mehr als 200 Quadratmetern im Hotel Kempinski in St. Moritz-Bad, für beide zahlt Red Bull die Rechnung. Die Schweizerin Lara Gut und die Amerikanerin Lindsey Vonn haben bei der 44. alpinen Ski-WM nicht weniger im Sinn, als ihre Titelsammlung deutlich zu vergrößern.
Gesamtweltcupsiegerin Gut ist noch ohne Goldmedaille, startet aber mit mehr Chancen im Oberengadin: In Abfahrt, Super-G, Kombination und Riesenslalom ist die 25-Jährige aus dem Tessin eine Gold-Kandidatin, auch wenn sie von ihrem Hoppala im Super-G in Cortina vor einer Woche schmerzhafte Spuren davongetragen hat. "Ich kann nicht lange stehen, sitzen ist auch nicht gut, und die Kälte auch nicht – aber auf Skiern bin ich ja nur rund eine Minute."
Etliche blaue Flecken hat Gut als Souvenir an ihren harten Kontakt mit einer Torstange. "Schulter und Hand sind wieder o.k., aber mein rechtes Bein ist noch ganz schon blau." Die ganze letzte Woche hat sie in Physiotherapie verbracht, erst gestern war sie erstmals wieder im Kraftraum. Dennoch: "Der Unfall hat alles relativiert. Ich könnte jetzt im Spital liegen – aber ich darf Skifahren."
Heavy Metal
"Lara ist eine großartige Sportlerin, sie hatte viele Erfolge in dieser Saison, und, klar, sie will zu Hause gewinnen – aber gewinnen will ich auch", sagt Lindsey Vonn. Die 32-Jährige muss sich in St. Moritz mit Abfahrt, Super-G und Kombination begnügen. Seit ihrem Trainingssturz im November ist sie mit viel Metall im gebrochenen rechten Oberarm unterwegs, sie hat dafür aber auch weniger den Druck, die eigene Bilanz auffüllen zu müssen. Olympiasiegerin ist sie, Weltmeisterin war sie schon zwei Mal, Gesamtweltcupsiegerin bereits vier Mal.
Und nun ist sie auch noch ein TV-Star, denn Eurosport hat ab sofort eine 16-teilige Dokumentarserie mit der 77-fachen Siegerin von Weltcuprennen unter dem Titel "Chasing History" im Programm. Die bislang erfolgreichste Ski-Dame wird auf ihrem Weg zum Allzeitrekord begleitet: Neun Siege fehlen bis zur Marke des Schweden Ingemar Stenmark (86).
"Mein großer Traum war es immer, Olympiasiegerin zu werden", sagte Vonn am Sonntag, "dass ich so viel erreichen würde, hätte ich nie und nimmer erwartet. Stenmarks Rekord zu brechen, ist mein oberstes Ziel, denn an so einen Rekord werden sich die Leute immer erinnern. Dann kommt Olympia 2018 – und dann die WM. Aber gewinnen will ich trotzdem."
Reine Nervensache
Die Beweglichkeit ihres rechten Arms, den sie nach ihrem Sturz anfangs nicht bewegen konnte, weil die Nervenbahnen beschädigt waren, "wird besser, ich kann den Skistock halten – aber ich kann noch immer nicht zu viele Autogramme schreiben, denn meine Hand wird schnell müde." Die beiden Stürze in Cortina d’Ampezzo vor einer Woche "waren ein kleiner Rückschritt, mein Selbstvertrauen ist auch nicht so hoch wie sonst. Aber ich weiß, was ich brauche, um eine Medaille zu gewinnen. Und ich bin glücklich, dass ich gesund bin."
Und dann ist da ja noch die Sache mit dem direkten Vergleich mit den Herren, den Lindsey Vonn nach wie vor in Planung hat. "Lake Louise wäre ein großartiger Schauplatz dafür, die anderen Herren-Strecken kenne ich ja nicht", sagt die 32-Jährige, die im Herbst 2018 einen neuerlichen Anlauf nehmen möchte. Ein erster Versuch war vom Internationalen Skiverband abgelehnt worden.
Ihr Landsmann Bode Miller hält diesen Plänen ziemlich wenig: "Ich glaube, dass sie nicht einmal ins Ziel kommen würde. Und wenn, dann mit Kilometern an Rückstand", sagte der 39-Jährige der Gazzetta dello Sport. Wobei: "Das gilt für die technischen Strecken wie Kitzbühel, Wengen, Bormio oder im Grödnertal. Auf einer einfachen Piste wäre sie mit ihren Gleitfähigkeiten wohl ziemlich nahe dran."