Sport/Wintersport

Eiskunstlauf: Generalprobe für Sotschi

Ein normaler Tag beginnt für Viktor Pfeifer um sechs Uhr morgens. Die Zeit bis zum Training nutzt Österreichs Nummer eins im Eiskunstlauf zum Lernen. Der 26-jährige gebürtige Grazer, der in Vorarlberg aufgewachsen ist und seit 2006 in den USA lebt, trainiert und studiert, bereitet sich derzeit auf die Aufnahmeprüfung für eine renommierte Business-Universität in Philadelphia vor.

Bevor er am Nachmittag sein Eiskunstlauf-Wissen an seine Schüler weitergibt, widmet sich Pfeifer dem eigenen, großen sportlichen Ziel: Sotschi, den dritten Winterspielen, die er für Österreich bestreitet. Der letzte internationale Vergleich wird dieser Tage bei der EM in Budapest angestellt, wo der rot-weiß-rote Olympia-Starter am Donnerstag erstmals aufs Eis geht.

KURIER: Training, Trainerjob, Studium – Sie sind viel beschäftigt. Bleibt da überhaupt Zeit, schon an Sotschi zu denken?

Viktor Pfeifer: Für so etwas hat man immer Zeit. Ich freue mich schon wahnsinnig. Man spürt einfach den Enthusiasmus der Menschen, die ein Rieseninteresse an den Olympischen Spielen haben. Alle wollen darüber reden, sie freuen sich darauf und fiebern mit. Das macht Spaß.

Äußert sich das in den USA auch außerhalb der Sportwelt?

Absolut. Ich spüre das auch auf der Uni, bei Aufnahmeprüfungen bringt Olympia einen riesigen Vorteil. Sogar an den Elite-Unis wie Harvard oder Stanford hat es einen riesigen Stellenwert, Olympiastarter zu sein, fast mehr als dort etwas Phänomenales zu erfinden. Ich sehe das anders: Für mich ist es weit interessanter, beispielsweise einen Roboterarm zu erfinden als für vier Minuten übers Eis zu tanzen. Aber anscheinend haben die Leute ihren Spaß daran.

Also sind Sie in Amerika so etwas wie ein Celebrity?

So in etwa. Ich habe aber keine Ahnung, warum.

Ärgert es Sie, dass es im Gegensatz dazu in Österreich kaum Aufmerksamkeit für den Eislauf-Sport gibt?

Das kann man nicht vergleichen. Wenn ich Olympiasieger und Weltmeister wäre und drei andere auch gut wären, dann wäre die Aufmerksamkeit in Österreich auch höher.

Wenig Aufmerksamkeit heißt auch weniger Sponsoren – wie finanzieren Sie Ihren Sport?

Österreich hat eine richtig gute Infrastruktur, was die Sport-Unterstützung angeht. Im Gegensatz zu Amerika, da gibt es das überhaupt nicht. Da bekommt man erst finanzielle Unterstützung, wenn man richtig, richtig gut ist. Aber trotzdem, alles, was über ein Normalleben hinausgeht und darüber, Brot im Haus zu haben, wäre ohne meinen Trainerjob schwierig.

Sportler, Trainer, Student – wie geht sich das aus?

Ich habe viele Verantwortungen, aber das Interessante ist, dass mich das als Sportler nur weitergebracht hat. Ich bin als Eisläufer und als Trainer stärker und selbstbewusster geworden. Wie viel Arbeit es ist, merke ich aber eigentlich nur, wenn ich darüber rede. Sonst fällt es mir eigentlich nicht auf.

In Sotschi sind Sie zum dritten Mal bei Olympischen Spielen dabei. Mit welchem Ergebnis wären Sie zufrieden?

Ich habe mich als Sportler extrem weiterentwickelt, aber da bin ich nicht der Einzige. Der Eislaufsport ist auf dem höchsten Niveau, das es je gegeben hat. Die Top 30 können alle Vierfach-Sprünge. Wenn ich wieder unter die Top 20 komme, ist es deshalb eine super Leistung für mich, vergleichbar mit einer Top-10-Leistung vor vier Jahren. Wenn Evan Lysacek (Anm.: US-Olympiasieger 2010) heuer das gleiche Programm laufen würde, würde er vielleicht unter die Top 15 kommen. Zwei Vierfach-Sprünge sind heute die Norm.

Derzeit sind Sie bei der EM in Budapest. Sehen Sie das als letzte Standortbestimmung vor den Olympischen Spielen?

Nicht wirklich. Normalerweise ist eine Europameisterschaft immer das Wichtigste, aber heuer, so knapp vor Olympia, ist das nicht so. Alles in der Region zwischen 10 und 12 wäre super. Ich erwarte mir da aber nicht wirklich die beste Leistung der Saison. Sotschi ist das Wichtigste. Keine Diskussion.

Nicht nach Wunsch verlief am Mittwoch für Kerstin Frank der letzte Test vor den Olympischen Spielen (7. bis 23. Februar). Die Wienerin verpasste in Budapest zum Auftakt die Kür der besten 24 aus dem Kurzprogramm. Nach einer Magen-Darm-Grippe war die 25-Jährige geschwächt, sie konnte zwei Sprünge nicht stehen.

Bei den Herren geht am Donnerstag neben Olympia-Starter Viktor Pfeifer auch Manuel Knoll für Österreich an den Start. Im Paarlauf am Freitag sind Miriam Ziegler und Severin Kiefer dabei, die weiter auf das Olympia-Ticket hoffen. Sollte eine andere Nation einen Quotenplatz zurückgegeben, würden die beiden nachrücken.

Aufregung

Vor der EM in Budapest sorgte aber ein Abwesender für die größte Aufregung: Eiskunstlauf-Star Jewgeni Pluschenko. Dass der dreifache Weltmeister und Olympiasieger von 2006 auf das Turnier in Ungarn verzichten würde, war schon länger klar gewesen. Dass er auch bei den Heim-Spielen im Februar zum Zuschauer degradiert werden könnte, ist neu. Denn der 31-Jährige, immerhin von Russlands Präsident Wladimir Putin zu einem der Gesichter des Prestige-Events aufgebaut, hatte zumindest mit einem Start im neuen Teamwettbewerb gerechnet.

Doch laut Reglement wäre dies nur möglich, wenn er auch im Einzel startberechtigt wäre. Bei den nationalen Meisterschaften hatte Pluschenko sich aber dem 18-jährigen Maxim Kowtun geschlagen geben müssen und so – sollte alles mit rechten Dingen zugehen – wohl das Rennen um den einzigen russischen Quotenplatz verloren. Die offizielle Entscheidung fällt allerdings erst nach der EM in Budapest.