Angriff der ungleichen Schild-Schwestern
Von Stefan Sigwarth
Mit dem Slalom beenden die Alpin-Damen am Freitag ihr olympisches Rennprogramm. Und Marlies Schild will sich ihren letzten großen Traum erfüllen: "Eine Medaille am Freitag wär’ ein Wahnsinn, aber Gold wär’ der Oberwahnsinn", sagt die 32-jährige Wahl-Pitztalerin. Nach Bronze 2006 und Silber 2010 wäre es die Krönung ihrer Karriere, natürlich sind die Ziele der Salzburgerin hochgesteckt nach zwei Saisonsiegen.
Wobei der olympische Winter es gar nicht einmal so gut gemeint hat mit der Weltrekordhalterin in Sachen Slalom-Weltcupsiege (35). Nach zehn Operationen in beiden Beinen bereitet das linke Sorgen, "die Muskulatur verspannt schnell, und die Bandscheiben sind auch ein bissl vorbelastet", sagte Marlies Schild schon am 16. Dezember zum KURIER. Tags darauf gewann sie den Slalom von Courchevel und stellte endlich den alten Rekord der Schweizerin Vreni Schneider ein (34 Erfolge), dem sie so lange vergeblich hinterhergehechelt war.
Nun also Olympia, Fräulein Torlauf wähnt sich bestens vorbereitet nach Trainingstagen auf der Reiteralm, in Dienten und Jerzens. "Mich kann nichts überraschen, am Dienstag hab’ ich hier im Regen trainiert, damit wäre das auch abgedeckt."
Immer locker bleiben
Sie wirkt entspannt wie seit ihrem Erfolg in Frankreich, und man ist geneigt, ihr den Satz "jede Medaille wäre ein Gewinn" abzunehmen. Die Marlies Schild von 2014 hat mit der Marlies Schild von früher nicht viel gemein, als sie oft gleichsam verbissen den Erfolg suchte. Wobei: "Ich hätt’ natürlich schon gern Gold, und ich weiß ja, dass ich’s schaffen kann. Ich muss nur locker bleiben."
Das sollte machbar sein, denn schon die Stimmung im Athletendorf ist entspannt und nicht so wie in Turin oder Vancouver. Wobei Schild ja damals jeweils ein Appartement außerhalb bewohnt hat – für sie und ihren Lebensgefährten Benjamin Raich birgt Sotschi somit eine Premiere. Egal: "Ich war ja früher auch im Internat."
Vor einer zu lockeren, also weichen Piste fürchtet sich die Salzburgerin nicht: "Die Verantwortlichen haben eine gute, harte Basis geschaffen, und wenn man noch Salz aufbringt, dann zieht der Schnee ganz gut." Trotz allem, in der Favoritenrolle sieht sich Marlies Schild nicht. "Die wird schon die Mikaela Shiffrin haben", aller Routine und Erfahrung zum Trotz, "aber das passt schon so."
Die Lockerheit ist freilich eine Erkenntnis der neueren Sorte, denn der so lang herbeigesehnte 34. Weltcupsieg, "der hat mich schon belastet, weil ich körperlich und gesundheitlich so lange nicht in der Lage war, ihn zu holen. Aber", sagte Marlies Schild, "aber vielleicht macht mich das noch stärker."
Immer stärker werden
Stärker geworden ist auch ihre um acht Jahr jüngere Schwester Bernadette. 2008 war sie Junioren-Weltmeisterin im Slalom, 2009 holte sie Silber – doch dann folgte Stagnation. "Ich hab’ wohl diese Lehrjahre gebraucht", sagt die 24-Jährige, früher hab’ ich einfach immer weitergemacht, aber nichts weitergebracht." Im vergangenen Sommer tagte der Familienrat, es wurde das Material umgestellt, auch das Training – und prompt hat Schild, die Jüngere, in die Erfolgsspur gefunden.
Auch der seltsame Drohbrief, in dem kurz vor Olympia ihr und Skeletonfahrerin Janine Flock mit Entführung gedroht worden war, konnte sie nicht aus der Ruhe bringen. "Ich bin gut abgeschirmt worden", sagt Bernadette Schild, "und ich bin nicht mehr allein aus dem Haus gegangen. Aber ich hab’ mich schon gefragt, warum ich? Da gibt es doch viel prominentere, Marcel Hirscher oder Anna Fenninger ..."
Entspannt geht auch Michaela Kirchgasser an die Aufgabe, "ich hab’ nix zu verlieren." Sorgen bereitet nur das Nichtverhältnis zwischen Olympia und Kathrin Zettel: Nach Riesenslalom-Platz 19 ist sie nun verkühlt.
Sie ist 18 Jahre jung, und doch sehen die US-Medien schon die legitime Nachfolgerin von Lindsey Vonn heranreifen. Mikaela Shiffrin, die schon 2011 in ihrem erst dritten Weltcup-Einsatz erstmals aufs Podest gefahren ist, die amtierende Slalom-Weltmeisterin, sie soll am Freitag gleich einmal Gold holen bei ihrem Olympia-Debüt.
Welchen Status die junge Dame bereits genießt, zeigte sich etwa am Mittwochnachmittag: Da wurde sie in Rosa Chutor für die "Today Show" auf NBC interviewt; sie war auf der Titelseite der Olympia-Sonderausgabe von Sports Illustrated; Mikaela Shiffrin ist in vieler Munde, was in den USA für eine Alpine (die nicht Lindsey Vonn heißt und auch nicht mit Golf-Star Tiger Woods liiert ist) einer Sensation gleicht.
Mikaela Shiffrin ist der Gegenentwurf zur Grande Dame des US-Skisports: Mutter Eileen ist stets an ihrer Seite, ebenso ihr Vorarlberger Manager Kilian Albrecht. Und das Thema Freund lässt sie am liebsten außen vor. Eher zufällig hat es im vergangenen Sommer "klick" gemacht bei Shiffrin und B-Kader-Fahrer Brennan Rubie, die sich schon aus Schülerzeiten kannten. An die große Glocke hängt sie das Ganze nicht, denn: "Er ist ein großartiger Skifahrer, und ich will, dass er als solcher wahrgenommen wird – und nicht als mein Freund."
Zum letzten Mal fahren die Damen am Freitag in Rosa Chutor (13.45/17.15 Uhr MEZ, live ORFeins). Die Kurssetzer sind James Pollock (Kan) und Werner Zurbuchen (CH).
Michaela Kirchgasser (Startnummer 13)
Die 28-jährige Salzburgerin ist Vizeweltmeisterin. Zwei Siege im Weltcup hat sie bislang erreicht.
Bernadette Schild (1)
Die 24-jährige Salzburgerin hat nach Junioren-WM-Gold 2008 in die Spur gefunden. Drei Weltcup-Podestplätze.
Marlies Schild (7)
Die 32-Jährige ist mit 35 Siegen im Weltcup die Rekordhalterin und hat 2011 bei der WM in Garmisch-Partenkirchen Gold geholt.
Kathrin Zettel (12)
Die Niederösterreicherin ist angeschlagen. Die 27-Jährige war 2011 WM-Zweite und hat bislang zwei Weltcupsiege errungen.
Vancouver 2010
1. Maria Riesch (D), 2. Marlies Schild, 3. Sarka Zahrobska (Tch), 7. Elisabeth Görgl (Ö), 13. Kathrin Zettel. Out: Michaela Kirchgasser.