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Blutdoping-Skandal: Ex-ÖSV-Arzt im Visier der Ermittler

Nach der Blutdoping-Affäre um einen deutschen Mediziner aus Erfurt ist ein weiterer deutscher Arzt wegen angeblicher Doping-Machenschaften ins Visier der Behörden geraten. Deutsche Behörden haben laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Auftrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Hausdurchsuchung bei Ulrich H. in Bayern durchgeführt. Zeugen belasten den früheren ÖSV-Teamarzt.

Der in Bayern lebende Arzt, der ab 2006 im ÖSV Langläufer und Biathleten betreut hatte, wies gegenüber der Zeitung die Vorwürfe vehement zurück. "Ich habe niemandem Dopingmittel gegeben, noch weniger habe ich welche verkauft", erklärte Ulrich H.

Der Arzt ist laut den österreichischen Behörden in Aussagen von geständigen Dopingsündern belastet worden. "Unsere Ermittlungen ergaben, dass zwei bei uns geführte Personen, ein Spitzensportler und ein Trainer, den Arzt belasten, dass er ihnen fallweise Epo (das verbotene Blutdoping-Mittel Erythropoietin, Anm.) überlassen habe, zum Zweck der Leistungssteigerung im Sport", sagte der Innsbrucker Staatsanwalt Thomas Willam der SZ. Der Vorfall habe sich Ende 2013 zugetragen, sei womöglich aber nicht der einzige.

Ehrenamtlich im ÖSV tätig

Bei der Durchsuchung am Dienstag, fünfeinhalb Jahre nach dem zugrunde liegenden Verdachtsfall, seien "keine dopingverdächtigen Substanzen sichergestellt" worden, sagte der Behördensprecher. Elektronische Datenträger seien zur Auswertung mitgenommen worden. Der Arzt bestätigte, dass sein Laptop und mehrere Mobiltelefone konfisziert worden seien. Laut Aussendung der Innsbrucker Staatsanwaltschaft vom Samstag wurde er einvernommen und befindet sich auf freiem Fuß. H. sagte der SZ, er sei im ÖSV ehrenamtlich tätig gewesen und von der Verbandsführung Ende 2006 nach dem Turin-Skandal geholt worden, um im Langlauf- und Biathlonbereich sicherzustellen, dass nicht gedopt werde.

Die Hausdurchsuchung in Bayern ist ein Teil des Ermittlungskomplexes "Operation Aderlass", den die Tiroler Dopingfahnder gemeinsam mit ihren Kollegen von der Münchner Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft vorantreiben. Losgetreten hatte die Lawine der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr - der auch im neuen Fall eine Rolle spielt. Dürr war bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi mit EPO überführt worden. Nach einer zweijährigen Sperre und einem versuchten Comeback hatte der weiterhin dopende Dürr Ende 2018 den Behörden die Beweg- und Hintergründe seines Vergehens offengelegt.

Es folgten Untersuchungen und Überwachungen durch die Behörden und eine Großrazzia während der Nordischen Ski-WM im Februar in Seefeld. Dabei wurden fünf Skilangläufer, unter ihnen die Österreicher Max Hauke und Dominik Baldauf, festgenommen und gestanden verbotenes Blutdoping. Als Kopf der Affäre, in die mindestens 21 Sportler verwickelt sein sollen, gilt der Erfurter Arzt Mark S. Er sitzt seitdem in Deutschland in Untersuchungshaft.

Dürrs Aussagen bestätigt

Dürr hatte laut SZ im Frühjahr 2019 erklärt, dass ihn Trainer Gerald H. Ende 2013 und damit kurz vor den Winterspielen in Sotschi mit Dopingmitteln versorgt habe. Ulrich H. soll diese übergeben haben. Der Anwalt von Ex-Trainer H., der seine Tätigkeit im ÖSV 2017 beendete, hatte diese Vorwürfe als haltlos bestritten und rechtliche Schritte gegen den Ex-Langläufer angekündigt. Ex-ÖSV-Trainer H. wurde am 24. Mai festgenommen und nach mehrwöchiger Untersuchungshaft, in der er laut der Innsbrucker Staatsanwaltschaft bei Vernehmungen "umfangreiche Angaben" machte, wieder auf freien Fuß gesetzt. Laut SZ bestätigte er Dürrs Angaben.

Staatsanwalt Willam sagte gegenüber der SZ, der Trainer habe "detailgenau" ausgesagt. Die Aussagen seien stimmig, und bei der Beweiswürdigung sei überdies zu beachten, dass die Aussagenden ja nicht nur den Arzt belasteten, sondern auch sich selbst. Der Ex-Trainer habe von nicht geringen EPO-Mengen berichtet, die er vom Arzt H. erhalten habe.

Der zu ermittelnde Vorgang von Ende 2013 soll laut den Behörden womöglich kein Einzelfall sein. "Wir gehen davon aus, dass es mehrere Tathandlungen gibt, die der Beschuldigte zu verantworten hat", sagte Willam der SZ. "Für uns ist es eine verdichtete Beweislage, sonst hätten wir kein so massives Mittel wie die Durchsuchung gewählt."