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„Vor drei Jahren hatten wir nicht einmal Bälle“

Vor vier Monaten war die Sensation perfekt: Nach einer packenden Finalserie gegen die Oberwart Gunners sorgte der BC Vienna für den ersten Basketball-Meistertitel eines Wiener Vereins seit 21 Jahren – und das obwohl der Verein noch in den Kinderschuhen steckt.

Erst vor drei Jahren verschmolz der als BC Basket Clubs of Vienna gegründete Verein mit dem Zweitligisten Basket 2000 und erhielt seinen neuen Namen. Seitdem ist viel passiert. Nicht nur in den Reihen des BC Vienna, sondern auch in der Liga, die in der neuen Saison über ein neues Regelwerk verfügt.

Zum ersten Mal seit sieben Jahren wird um den Abstieg in die zweite Liga gespielt. Weil die ABL in der kommenden Saison auf zehn Teams reduziert wird, werden in der Regelation gleich drei Mannschaften um einen Platz in der höchsten Spielklasse kämpfen. Was kompliziert klingt, ist ganz einfach: Die zwei vorletzten Teams der ersten Liga treten gegen den Meister der zweiten Liga an. Deshalb dürfte die neue Saison so spannend werden, wie selten zuvor.

Ein Mann, der sich nicht nur als "total basketballverrückt" bezeichnet, sondern einen großen Anteil am Meistertitel des BC hat, ist General Manager Petar Stazic Strbac. Im KURIER-Interview spricht der Wiener mit serbokroatischen Wurzeln über Titelfavoriten, internationale Träume und den Versuch, Basketball in Wien wieder salonfähig zu machen.

KURIER: In der vergangenen Saison hat sich der BC Vienna zum ersten Mal in der Klubgeschichte die Meisterkrone aufgesetzt. Wie oft denken Sie noch an das entscheidende Finalspiel gegen die Oberwart Gunners?

Petar Stazic Strbac: In den letzten vier Monaten ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an dieses Spiel gedacht hätte. Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich mich daran erinnere, vor allem an die Umarmung mit meinem Bruder Stjepan nach dem Schlusspfiff. Da habe ich wie ein kleines Baby geweint. Ich schaue mir das Spiel immer wieder auf DVD an, richtig emotional wird es ab den letzten zehn Minuten. Auch wenn wir noch fünf Mal Meister werden sollten, dieser Tag wird einer der schönsten in meinem Leben bleiben.

Weil der erste Titel immer der schönste ist?

Auch deshalb. Aber man darf nicht vergessen, wie viel Kraft und Arbeit wir in diesen Titel gesteckt haben. Wir sind täglich an unser Limit gegangen. Als ich den Verein vor drei Jahren als Manager übernommen habe, mussten wir unter fast schon unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Wir hatten nicht einmal Bälle. Basketball hat in Wien nicht wirklich existiert, wenn dann nur als Randerscheinung.

Lag das Problem darin, dass der Verein finanziell schlecht aufgestellt war?

Nicht nur das. Es hat im Verein einfach keinen Willen gegeben, etwas zu erreichen. Aber auch die Energie rund um den Wiener Basketball war extrem negativ. Das hat man allein schon während der Verhandlungen mit Sponsoren gespürt. Weil der sportliche Erfolg nicht vorhanden war, wollte kein Unternehmen in den BC Vienna investieren. Wir haben schon sehr starke Überzeugungsarbeit gebraucht, um den Verein finanziell auf die Beine zu stellen.

In den letzten sechs Saisonen hat es sechs verschiedene Meister gegeben. Wird sich diese Serie fortsetzen?

Ich hoffe nicht (lacht). Aber diese Serie ist in der Tat etwas merkwürdig. Den Meistern der letzten Jahre hat es an Kontinuität gefehlt, sie sind in der Saison nach dem Titelgewinn auch recht früh ausgeschieden. Warum das so ist, lässt sich schwer erklären. Unser Saisonziel ist es, den Titel zu verteidigen. Das wird aber nicht so leicht werden, weil die Liga stärker geworden ist.

Aus welchem Grund?

Weil in der neuen Saison zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder um den Abstieg in die zweite Liga gespielt wird. Natürlich ist keine Mannschaft heiß darauf abzusteigen, deshalb haben sich auch kleinere und vermeintlich schwächere Teams mit guten Spielern und neuen Trainern verstärkt. Ich bin davon überzeugt, dass das Feld in der neuen Saison enger zusammenrücken wird. Es wird so spannend werden, wie schon lange nicht mehr.

Stechen in dieser stärker gewordenen Liga trotzdem Mannschaften heraus, gegen die der BC Vienna besonders aufpassen muss?

Klar. Ich glaube, dass heuer vier Mannschaften um den Titel spielen werden. Neben dem BC Vienna sind das die Dukes Klosterneuburg, die Kapfenberg Bulls und der WBC Wels. Zu den Geheimfavoriten zähle ich Gmunden und Güssing.

Welche Qualitäten weisen diese Mannschaften auf?

Das ist momentan noch schwer zu sagen, weil sich außer Klosterneuburg alle Mannschaften neu formiert haben. Klosterneuburg ist zwar gut eingespielt, die Mannschaft ist aber schon recht alt. Es wird interessant zu beobachten sein, wie die Mannschaft mit ihrem neuen Trainer funktioniert. Kapfenberg hofft schon seit Jahren auf den Titel, scheitert aber immer wieder in den Play-offs. Die Mannschaft wird heuer besonders in der Offensive stark werden. Wels ist ein Rätsel. Der Verein verpflichtet jedes Jahr teure Spieler, die sich jedoch als Flops erweisen. Ich bin gespannt, ob das heuer anders sein wird. Gmunden und Güssing können überraschen, weil sie nicht den Druck haben den Titel unbedingt gewinnen zu müssen. Den geringsten Druck hat aber der BC Vienna.

Tatsächlich?

Ja sicher, weil wir unser Ziel bereits in der letzten Saison erreicht haben. Der Pokal steht ja schon im Schrank (lacht). In der neuen Saison sind wir auf den Titel sogar doppelt so hungrig wie in der vergangenen, aber der Druck, die Meisterschaft unbedingt gewinnen zu müssen, ist weg. Wir sind reifer geworden und können die Sache ruhiger angehen, um unser langfristiges Ziel zu erreichen. Wir wollen ein Topverein in Österreich werden, der auch auf europäischer Bühne bestehen kann. Wenn wir so verrückt weiterarbeiten wie bisher, ist alles drinnen.

Der BC Vienna wird als österreichischer Meister in der EuroChallenge die internationale Bühne betreten. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Unser Kader ist auf jeden Fall so aufgestellt, dass wir uns nicht blamieren werden. Ein Traum wäre natürlich als Gruppenzweiter in die Top-16 aufzusteigen. Wir haben den Vorteil, dass wir unser erstes Spiel gegen den schwedischen Meister Södertälje BK auswärts spielen und dann drei Heimspiele in Folge haben. Mit den Fans im Rücken möchten wir uns einen Namen in der EuroChallenge machen.

Apropos Fans. Neugegründete Vereine tun sich mit ihren Anhängern in der Regel schwer. Ist das beim BC Vienna auch der Fall?

Wir haben Zuschauer. Aber wir müssen die Zuschauer zu Fans machen. Es gibt zwar vereinzelte Fangruppen, aber mit Oberwart oder Gmunden können wir in dieser Hinsicht nicht mithalten. Das liegt daran, dass diese Vereine eine größere Tradition haben, weil es sie schon seit 20 Jahren gibt. Natürlich tun sich Klubs aus kleineren Städten leichter, Fans zu mobilisieren, weil das Angebot nicht so groß ist. In Oberwart gibt es nur die Gunners, in Wien gibt es neben dem BC die Capitals, die Wiener Austria und den SK Rapid. Wien ist eine Millionenstadt, mit Kinos, Theatern und anderen kulturellen Angeboten. Da verstehe ich, dass sich die Menschen nicht unbedingt ein Spiel zwischen Vienna und Graz anschauen wollen. Trotzdem muss der Wiener Basketball nach dem Titelgewinn aufwachen. Wann, wenn nicht jetzt?

Vom Meisterteam ist beim BC nur der Österreich-Stamm mit Neo-Kapitän Benedikt Danek, Tomislav Gaspar und Florian Trmal übrig geblieben. Warum hat man das Team nach dem Meisterjahr so stark verändert?

Weil wir uns jedes Jahr höhere Ziele setzen. Deshalb brauchen wir auch mehr Qualität in der Mannschaft. Die Spieler, die in der vergangenen Saison den Meistertitel geholt haben, haben natürlich eine Top-Arbeit geleistet. Aber um international bestehen zu können, mussten wir uns verstärken.

Mit Andrea Maghelli ist ja auch der Meistertrainer gegangen. Ersetzt wurde er von Darko Russo.

Auch Andrea hat hervorragende Arbeit geleistet und als erster Meistertrainer des BC Vienna Vereinsgeschichte geschrieben. Aber um in der EuroChallenge bestehen zu können, benötigen wir einen Coach mit internationaler Erfahrung. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen Darko Russo zu verpflichten, der als Headcoach bereits bei guten europäischen Vereinen wie Partizan Belgrad und dem serbischem Verein Hemofarm Vrsac gearbeitet hat. Russo ist übrigens ein Defense-Fanatiker. Denn die Meisterschaft lässt sich nur mit einer guten Verteidigung gewinnen.

Die internationalen Spiele werden nicht in der Stadthalle, sondern im Multiversum Schwechat ausgetragen. Was halten Sie von dieser Halle?

Ich liebe die Stadthalle, aber ich finde auch das Multiversum toll. Was die Infrastruktur und die Zuschauerkulisse betrifft, ist das eine Top-Halle. Außerdem konnten wir dort das Finale gegen Oberwart gewinnen, deshalb ist dieser Ort mit schönen Erinnerungen verbunden. Es ist zwar utopisch, aber es wäre schön, wenn wir in dieser Halle alle unsere Spiele austragen könnten. Die Stadthalle müssen wir uns mit anderen Vereinen teilen, damit sind wir auch die einzige Basketballmannschaft in der ersten Liga, die keine eigene Heimstätte hat.

In der Zukunft möchte der BC Vienna auch in der Adriatic League mitspielen. Es handelt sich dabei um eine Liga, in welcher vor allem Vereine aus dem ehemaligen Jugoslawien mitspielen. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Der Präsident der Liga, Radovan Lorbek, ist auf uns durch unsere gute Leistung in der vergangenen Saison aufmerksam geworden. Natürlich wäre mit dem BC Vienna ein weiterer Hauptstadtklub sehr gut für das Image dieser Liga. Wir möchten aber zunächst noch abwarten, wie sich der Verein in der nächsten Saison entwickelt, bevor wir diesen nächsten Schritt gehen. Wenn wir in der Adriatic League alle Spiele verlieren, wäre das für den Verein nicht wirklich gut. Für den Wiener Basketball wäre die Adriatic League eine große Bereicherung, weil es hier viele serbische und kroatische Basketballfans gibt. Wenn Mannschaften wie Partizan Belgrad oder Cibona Zagreb nach Wien kommen würden, wären die Spiele in wenigen Sekunden ausverkauft.

Ihre Eltern stammen ursprünglich aus dem ehemaligen Jugoslawien. Hat Basketball dort einen höheren Stellenwert als in Österreich?

Auf jeden Fall. Als Kind war ich mit meinen Großeltern und Eltern ständig in irgendwelchen Basketballhallen. Im ehemaligen Jugoslawien ist die Sportkultur vielleicht noch stärker ausgeprägt als in Österreich. In Ländern wie Serbien und Kroatien erlebe ich die Begeisterung für den BC Vienna sogar noch stärker als hier in Wien. Das Interesse am Basketball ist aber auch deshalb so groß, weil die Vereine und Nationalmannschaften bereits große Erfolge feiern konnten. Sportbegeisterung ist immer auch eine Sache der Tradition.

Wie basketballverrückt ist Petar Stazic?

Den Titel nach Wien zu holen, war fast schon eine Obsession. Die Besessenheit zu gewinnen, war in mir aber schon immer sehr ausgeprägt. Das kann natürlich sehr anstrengend werden, vor allem für die Menschen mit denen ich mein Leben verbringe, wie für meine Frau oder meine Mutter. (lacht). Auf Familienfeiern spreche ich mit meinem Bruder Stjepan fast nur über Basketball. Unsere Frauen verdrehen immer die Augen, wenn wir davon anfangen. Bei den Spielen sind sie aber immer dabei. Die haben sich schon zu richtigen Ultras entwickelt (lacht).

Gibt es auch Probleme im österreichischen Basketball?

Vielen österreichischen Vereinen fehlt es an Fairplay. Als wir den Titel gewonnen haben, habe ich uns gegenüber sehr viel Neid und Hass gespürt. Anscheinend haben wir den anderen Vereinen die Macht genommen, die sie hatten. Die haben jahrelang gebraucht bis etwa vorangegangen ist, wir haben schon nach drei Jahren den Meistertitel geholt. Unser Erfolg passt nicht jedem in der Liga. Aber wenn du nicht auch verlieren kannst, hast du in diesem Sport ohnehin nichts verloren.

Kordian Prokop