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Vom Horror zum Wunder: Rad-Ass Fabio Jakobsen ist zurück

Schon jene Bilder, die im Umlauf sind von diesem tragischen 5. August 2020, sind schrecklich genug. Doch kein einziges zeigt das Drama, das sich links hinter der Absperrung ereignete. Man sieht nur Fabio Jakobsens Rad die Bande durchbrechen.

Der Niederländer aus dem erfolgsverwöhnten Team Deceuninck-Quick-Step war bei der Auftakt-Etappe der Polen-Rundfahrt im Zielsprint von seinem Landsmann Dylan Groenewegen abgedrängt worden. Der damals 23-Jährige hob bei 80 km/h ab, knallte gegen einen Offiziellen und landete mit schweren Gesichtsverletzungen erst auf dem Asphalt von Kattowitz und dann im Spital. Jakobsen wurde ins künstliche Koma versetzt, es war unklar, ob er die nächste Nacht überstehen würde.

Fünf Stunden lang wurde er zwei Tage später am Gesicht operiert und danach langsam wieder aufgeweckt, als klar war, dass das Gehirn unbeschadet geblieben ist, ebenso die Augen. Doch kaum ein Knochen blieb ganz, Jakobsen verlor alle Zähne bis auf einen, auch die Luftröhre wurde verletzt.

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Keine Erinnerungen

Es grenzt an ein Wunder, dass er 249 Tage später bei der Türkei-Rundfahrt die erste Etappe in Angriff nehmen konnte. Vom Sturz weiß er nichts, er kennt nur Videoaufnahmen. Es war eines der ersten Rennen nach der Corona-Pause, wie immer zu Saisonbeginn ging es hektisch zu. Dazu hatten die Organisatoren entgegen aller Warnungen den Zielsprint bergab gestaltet. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, die Ankunft umzudrehen.

Am Sonntag war der zweifache Sieger des Scheldeprijs in Flandern nur froh, seinem Beruf nachzugehen. Doch um welchen Preis: Das Gesicht ist noch nicht wieder, wie es war, kein Wunder nach Nähten mit insgesamt 130 Stichen; kein Wunder, wenn man weiß, dass der Kiefer aus einem Stück Beckenknochen neu gestaltet wurde. Die Zähne sind ein Provisorium, noch, auch das soll sich demnächst ändern.

„Ich fühle mich ein bisschen, als wäre ich gerade erst in den professionellen Radsport eingestiegen“, sagte Jakobsen vor seinem ersten Einsatz. „Es ist ein bisschen aufregend, es ist beängstigend, es macht mich ein wenig nervös.“

Vor allem geht es darum, das Vertrauen wieder zu finden. Zu sich – und zu den Konkurrenten. Immerhin ersparte ihm das Wetter am Sonntag eine Etappe durch das anatolische Bergland. Es hatte geschneit, also wurden 72,4 großteils flache Kilometer rund um Konya absolviert. Den Sieg holte sich Arvid De Kleijn (Rally) im Sprint, Jakobsen kam ohne Probleme als 147. ins Ziel und gratulierte seinem Landsmann. Der trat in große Fußstapfen: Letzter niederländischer Etappensieger in der Türkei war ... Fabio Jakobsen.

Dem Unfallverursacher ist er übrigens nicht begegnet: Dylan Groenewegen vom Team Jumbo-Visma um den slowenischen Baskenland-Rundfahrt-Sieger Primoz Roglic ist wegen des Unfalls noch bis Mai gesperrt.