Bollettieri: "Seles hat mich drei Ehen gekostet"
Von Harald Ottawa
1956 hat alles begonnen. Damals begann Nick Bollettieri als Autodidakt mit seiner Tennis-Akademie in Florida. Nach und nach kamen die besten Talente weltweit in die Schmiede – aus ihnen wurden Stars wie Andre Agassi, Jim Courier, Tommy Haas, Monica Seles, Anna Kurnikowa, Maria Scharapowa oder Boris Becker.
Im Rahmen der Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle, wo er heute beim Kids Day auftreten wird, spricht der 83-jährige Amerikaner über Paradiesvögel, Workaholics, Erfolgsgeheimnisse, die aktuelle Tennisszene und sein Privatleben.
KURIER: Sie betonen stets, dass Sie nicht der beste, wohl aber der verrückteste Trainer sind...
Nick Bollettieri: Weil ich Dinge gemacht habe mit den Spielern, von denen sogenannte Experten sagten, dass das niemals klappen kann. Zum Beispiel habe ich die schwingende Vorhand gelehrt. Damals hat mich jeder für verrückt gehalten.
Sie haben unzählige Stars trainiert und ausgebildet. Wer war der Verrückteste?
Eindeutig Andre Agassi. Er kam daher wie ein Mädchen. Lange Haare, angemalte Fingernägel. Ein richtiger Paradiesvogel.
War Agassi auch der talentierteste Junior?
Er zählte immer zu den Besten. Wir haben mit ihm auch einige Besonderheiten probiert. Der Aufschläger stand am Half-Court wie auch Agassi. Und Andre hat versucht, den Ball zurückzubringen. So ist er der beste Returnspieler der Geschichte geworden.
Bei wem haben Sie sich getäuscht? Wem hätten Sie keine Karriere zugetraut?
Monica Seles und Jim Courier. Beide waren aber immer schon Workaholics, beide arbeiteten wie verrückt auf und abseits des Platzes. Courier war zu seiner Zeit immer schon körperlich eine Ausnahmeerscheinung.
Was muss ein Top-Spieler mitbringen?
Erfolg kommt vom Scheitern. Champions erkennt man nicht daran, wie sie siegen, sondern wie sie mit Niederlagen umgehen. Und der Hunger nach Erfolg ist wichtig. Meine Spieler müssen Tennis leben. Maria Scharapowa hätte längst für alle Zeiten ausgesorgt, trainiert aber unermüdlich, auch zu Weihnachten. Sie wollte in der Jugend übrigens immer mit Burschen trainieren, nie mit Mädchen.
Das Durchschnittsalter der Top-100-Spieler wird immer höher, woran liegt dies?
Weil die Athletik eine immer größere Rolle spielt, heute hat auch jeder einen eigenen Physiotherapeuten. Heute kann kein 17-Jähriger wie Boris Becker 1985 in Wimbledon sieben harte Spiele, die für einen Grand-Slam-Sieg notwendig sind, gewinnen. Auch das Punktesystem trägt dazu bei: Bei der Einstiegsebene im Profibetrieb, den Future-Turnieren, gibt es kaum Punkte und kaum Geld.
Der österreichische Hoffnungsträger, Dominic Thiem, ist mit 21 Jahren bereits Top 40 – eine Ausnahme?
Sein Aufschlag ist exzellent, er hat eine beeindruckende Rückhand und eine gute Vorhand. Die Erfahrung kommt noch. In ein paar Jahren ist er ganz vorne dabei. Mit Günter Bresnik hat er den richtigen, auch harten Coach. Bei euren Damen muss man von vorne beginnen, auch im Fed-Cup-Team, damit wieder etwas entstehen kann.
Roger Federer muss nicht mehr von vorne beginnen, gewann gestern in Schanghai seinen 81. Titel mit 33. Wie lange kann er oben noch mitspielen?
Er ist der Eleganteste, und braucht nicht so viel Kraft für sein Spiel wie etwa Rafael Nadal. Er ist deshalb auch viel weniger verletzungsanfällig. Solange er gegen keine Underdogs verliert, wird er weitermachen und gewinnen. Er ist ein perfekter Spieler und perfekter Ehemann.
Sie wiederum sind seit 2004 zum achten Mal verheiratet ...
Ja. Aber ansonsten war ich mit meinen Spielern verheiratet, war 36 Wochen im Jahr mit ihnen unterwegs. Monica Seles wollte immer nur trainieren, immer Bälle schlagen. Sie hat mich drei Ehefrauen gekostet. Auch wenn meine Frau sehr geduldig ist, habe ich mein Arbeitspensum zurückgeschraubt. Es soll ja meine letzte Ehe sein. Aber meine acht Ehen haben mich zumindest bisher überaus fit gehalten.