Sport

Teil III: Ali - Tanzkurs für den Wunderboxer

Hinter dem Gesamtkunstwerk Muhammad Ali, das ja im ersten Kapitel Cassius Clay hieß, stand ein professionelles Team. Tag und Nacht wurde am "Projekt Wunderboxer" gefeilt, sodass ab 1975 die ganze Welt – von Alabama bis Oberstinkenbrunn – den Namen Muhammad Ali kannte, ihn liebte oder zutiefst ablehnte.

Denn Ali war ein Revolutionär, einer, der die Wahrheit sagte, die beim Adressaten oft einschlug wie seine linke Gerade. Er kuschte weder vor Geldsäcken und Politikern noch vor seinen sportlichen Gegnern. Er war unbequem und goschert.

Die großen Alten des Boxsports wie Jack Dempsey, Max Schmeling und Rocky Marciano lehnten seinen oft rüden Umgangston ab, aber solange ihn das Ring -Magazin, die "Bibel des Boxsports", als größten Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten bezeichnete, konnte er sich vieles erlauben.

Der Dieb

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Um dieser große Boxer werden zu können, benötigte er außer übergroßem Talent auch große Trainer, die ihm Allah schickte, wie Ali später erklärte. Sein Schicksal brachte aber noch einen skurrilen Joker ins Spiel: Dass es auf diesem Planeten einen Superboxer wie ihn gab, verdanken wir nämlich einem Fahrraddieb. Dem 12-jährigen Cassius Marcellus Clay wurde in Louisville sein Fahrrad gestohlen. Wütend stürzte der kleine Choleriker in die Polizeistation: "Schaut, dass ihr den Dieb meines neuen Fahrrads findet, damit ich ihn ordentlich verprügeln kann!" Der Offizier Joe Martin beruhigte den Knirps und lud ihn ein, in den Polizei-Boxklub zu kommen, dort könne er richtig kämpfen lernen.

Ein paar Tage später zog Cassius das erste Mal Boxhandschuhe an, und der farbige Boxtrainer Fred Stoner nahm sich des Buben an. Er lehrte ihn stundenlang das elegante Tänzeln im Ring, schärfte seine Reflexe und baute bei Cassius ein für einen Burschen großes Schlagrepertoire auf.

Der Überflieger

In den nächsten sechs Jahren wurde das Louisville Columbia Gym seine neue Heimat. Zum Ärger der Mutter bekam ihn sein boxerischer Ziehvater Stoner öfter zu Gesicht als die Familie. Oft übte Cassius bis Mitternacht – statt Mathematik und Grammatik Aufwärtshaken und elegante Beinarbeit. Er war ein schlechter Schüler, schloss die Highschool als 376. von 391 Absolventen ab. Ali: "Ich hab’ meine Schultests schon längst vergessen, aber den Namen meines 13-jährigen Gegners, gegen den ich meine erste Niederlage bezog, werde ich mir ewig merken, wie Joe Frazier oder George Foreman. Der Name dieses Frechdachses, der es wagte, mich erstmals zu besiegen, war Jimmy Davis."

Der 18-jährige Clay, der unter Flugangst litt, flog mit einem umgehängten Fallschirm zur Olympischen Goldmedaille nach Rom. Als er als "weltweit gepriesenes Boxwunder" nach Kentucky zurückkam, nahmen ihn elf Millionäre (die Louisville Sponsoring Group) als Profiboxer unter Vertrag.

Beim Wechsel zum Profi machte Cassius tiefe Cuts in seinem Umfeld. Zum Training zog er nach Miami und trennte sich vom geliebten Trainer Fred Stoner, der ihn zum tanzenden, elegantesten Boxer gemacht hatte. Als neuen Coach wählte er einen Superprofi, der zur strategischen Schlüsselfigur für Ali wurde: Angelo Dundee. Der heute 89-jährige machte Ali zum größten Sportler des Jahrhunderts. Er schuf die Basis für seine drei Schwergewichtsweltmeistertitel, begleitete ihn durch 25 WM-Kämpfe, insgesamt durch 60 Fights.