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Super-G: Reichelt holt nächstes Gold für Österreich

So schlecht das Wetter am Mittwoch war, so sensationell präsentierte sich Beaver Creek am Tag des zweiten Anlaufs zur ersten WM-Entscheidung bei den Herren: Kaiserwetter, milde Temperaturen – genau der richtige Tag für einen Sonnenschein wie Hannes Reichelt. Und der 34-jährige Radstadter tat, was er schon bei der WM-Generalprobe im Dezember getan hatte: Er siegte und holte sich auf der Birds-of-Prey-Piste sein erstes WM-Gold, das zweite für das ÖSV-Team in Colorado nach jenem von Anna Fenninger, die ebenfalls den Super-G für sich entschieden hatte.

Silber hatte er schon 2011 im Super-G von Garmisch-Partenkirchen geholt; nun krönte der Salzburger seine Karriere. Dabei hatte es vor einem Jahr gar nicht danach ausgesehen, als ob Reichelt überhaupt noch einmal an den Start gehen könnte. Nach seinem Sieg in der Abfahrt von Kitzbühel wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, und es stand zu befürchten, dass sich der rasante Herr mit der feinen Technik nach einem neuen Job umsehen müsste.

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Blaues Wunder

Und als wäre das nicht genug, war Reichelt auch noch im Abfahrtstraining am Dienstag gegen ein Tor gefahren – ein riesiger Bluterguss am Schienbein war die Folge. Nun aber erklomm er den Zenit seiner Karriere und war fassungslos: "Es ist unbeschreiblich. Es ist aber auch eine Erleichterung da, denn ich hatte mir selbst den größten Druck gemacht."

Und auch Genugtuung. Denn: "Die Leute sagen: Der Reichelt hat bei Großereignissen noch nie etwas gewonnen. Jetzt steh’ ich da mit Gold, und ich bin froh, dass ich noch gesund bin. Andere hatten nicht dieses Glück – Stephan Görgl zum Beispiel hat es nicht mehr geschafft, nach einer Verletzung zurückzukommen."

Und seine eigene Verletzung? "Meinem Schienbein geht es gut, der blaue Fleck ist Gott sei dank nicht in Richtung Schuhrand hinuntergewandert." Und so strahlte er, als plötzlich ein Aufschrei durch das mit 3500 Zuschauern vollbesetzte Stadion ging – der Kanadier Dustin Cook, 25, raste mit Nummer 28 noch bis auf elf Hundertstelsekunden an Reichelt heran. "Heute werde ich einige Bier trinken, da bin ich mir sicher", sagte Cook. Und: "Für mich war es gar nicht so unerwartet wie für die anderen."

Damit schaffte der Nachfahre der legendären Crazy Canucks zweierlei: Sein erstes großes Ergebnis (bislang war das ein 12. Platz im Super-G) – und er schob Matthias Mayer vom Podest. Der Olympiasieger in der Abfahrt von Sotschi teilte sich den vierten Rang mit Saisondominator Kjetil Jansrud aus Norwegen, der schon am dritten Tor mit der linken Schulter hängenblieb – und mit ausgekegeltem Gelenk noch ins Ziel fuhr. So ging Bronze an den Franzosen Adrien Théaux, der drei Hundertstelsekunden schneller war als das unglückliche Duo.

"Die Hundertstelfett’n hab ich heuer nicht", bilanzierte Mayer. "Das zipft mich natürlich an. Aber so ist der Sport. Ich hätte über den letzten Zielsprung den langen Zug direkter nehmen können, damit ich mehr Speed mitnehme, aber im Großen und Ganzen hat’s gut gepasst. Schade. Aber Dustin hat eine super Fahrt gehabt. Da kann ich nur gratulieren. Wir haben mit den Kanadiern vor Lake Louise gemeinsam trainiert, da war Dustin schon unglaublich schnell. Teilweise war er eine Sekunde vor uns."

Nichts mit der Entscheidung zu tun hatten Georg Streitberger, der guter Achter wurde, sowie Otmar Striedinger. Freilich erging es diesen beiden noch wesentlich besser als den Fans der Amerikaner: Bode Miller riss nach tollen Zwischenzeiten eine kapitale Brez’n am Golden-Eagle-Sprung und erlitt ein tiefes Cut an der rechten Wade, und auch Titelverteidiger Ted Ligety landete im Feld der Geschlagenen (9.).

(aus Vail/Beaver Creek)

Hannes Reichelt (AUT/1.): "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, eine Erleichterung. Ich habe mir selbst am meisten Druck gemacht. Das zu bestätigen, ist am schwierigsten. Es ist oft gesagt worden, der Reichelt bringt es bei Großereignissen nicht runter, obwohl ich schon eine Silbermedaille hatte. Ich kenne einige, die so eine Operation hatten, ich bin froh, dass ich wieder zurückgekommen bin. Bei Dustin war ich nicht mehr so relaxt, ich wusste, dass ich vor dem Zielsprung noch einen Schnitzer hatte. Ich bin mit Gefühl und rund gefahren. Ich wollte einfach einen guten Lauf runterlegen. Beim vorletzten Tor habe ich mir gesagt, so Hannes, mehr kann ich nicht, was rauskommt, ist egal, ich kann mir nichts vorwerfen. Ich wollte mir meine Statistik hier nicht zerstören lassen. Ich habe u.a. Miller gesehen, der ist eine perfekte Fahrt oben gefahren, so muss man fahren, nur die Kompression besser."

Dustin Cook (CAN/2.): "Ich bin wirklich glücklich, für mich kommt das nicht so unerwartet, für alle anderen schon. Ein paar Bier werde ich heute schon trinken."

Adrien Theaux (FRA/3.): "Es war das Rennen meiner Karriere. Jeder will Medaillen holen bei Olympia und Weltmeisterschaften. Ich bin sehr glücklich, ich habe hier mein erstes Podest geschafft im Super-G und jetzt meine erste Medaille wieder hier, das ist toll. Es war ein schwieriger, anspruchsvoller Kurs, ich habe oben einen kleinen Fehler gemacht."

Matthias Mayer (AUT/4.): "Die Hundertstelfett'n habe ich heuer nicht unbedingt, ich hoffe, dass es irgendwann zurückkommt. Es zipft mich an, dass es sich gerade und gerade nicht ausgegangen ist. Aber es nützt nichts, so ist es im Sport. Kjetil und ich sind schon am Leaderbord gestanden. Dustin hatte eine Superfahrt, da kann ich nur gratulieren. Wir haben mit den Kanadiern trainiert, da ist der Dustin unglaublich schnelle Zeiten gefahren, teilweise war er eine halbe Sekunde vor uns. Im Rennen hat er es noch nie so runtergebracht. Ich gratuliere ihm und natürlich Hannes. Coole Sache."

Georg Streitberger (AUT/8.): "Ich hatte kein gutes Gefühl, da habe ich mich mit dem Einser im Ziel nicht freuen können. Die Fahrt war nicht gut genug. Ich habe ein paar Fehler gemacht, teilweise bin ich ins Rausgerutschte gekommen, da ist mir das Tempo abgegangen. Man sieht, wenn man das halbwegs fährt, ist einiges möglich."

Andreas Puelacher (ÖSV-Cheftrainer): "Gestern am Abend haben wir noch mit den Athleten beraten, wie wir es anlegen, die Wünsche aufgenommen. Flo hat dann einen super Lauf gesetzt, es ist alles super aufgegangen. Heute Früh habe ich mir gedacht, es könnte was möglich sein. Drei von uns sind sehr gut gefahren, nur Striedinger ist ein bisschen hinter den Erwartungen geblieben. Unter dem Strich waren wir sehr gut, mit einem Weltmeistertitel kann man sehr zufrieden sein. Meine Nerven sind sehr strapaziert worden, vor allem dann wie ich die Zeit vom Dustin Cook gehört habe und gewusst hatte, dass der Hannes unten einen kleinen Fehler gemacht hat. Zum Glück ist es für den Hannes so gut ausgegangen. Ab und zu findet auch ein blindes Huhn ein Korn. Es geht jetzt alles leichter von der Hand, die Läufer und Trainer sind glücklich, es ist mehr Spaß dabei. Wir sind in der Abfahrt sicher nicht die Topfavoriten, aber ich erwarte mir jetzt, dass wir auch in der Abfahrt vorne mitfahren."

Werner Faymann (Bundeskanzler): "Ich gratuliere Hannes Reichelt sehr herzlich zu Gold im Super-G. Dass er mit seinem Sieg das zweite Gold im zweiten Wettkampf dieser Weltmeisterschaft in Vail/Beaver Creek für Österreich gewonnen hat, freut mich natürlich doppelt."

Reinhold Mitterlehner (Vizekanzler): "Hannes Reichelt hat mit einer hervorragenden Leistung den Sieg im Super-G geholt und sich in einem spannendem Rennen zum Weltmeister gekrönt. Nach dem Erfolg bei den Damen sind heute auch unsere Ski-Herren perfekt in die Weltmeisterschaft gestartet. Hannes Reichelt hat heute seine Routine ausgespielt und sich auch nach Verletzungen mit Kampfgeist an die Weltspitze zurückgekämpft. Mit zwei Goldmedaillen in zwei Rennen ist Österreichs Ski-Team sensationell in die WM gestartet. Diese Euphorie hilft der ganzen Mannschaft für die kommenden Bewerbe."

Gerald Klug (Sportminister): "Es freut mich sehr, dass Hannes Reichelt nach dem verletzungsbedingten Fehlen bei Olympia nun bei der WM ganz vorne dabei ist. Das heutige Ergebnis des gesamten Teams zeigt, dass alle österreichischen Läufer Medaillenchancen bei den nächsten Rennen haben. Daher wünsche ich unserem Team alles Gute für die weiteren Bewerbe."

Florian Winkler (ÖSV-Abfahrtstrainer/Kurssetzer): "Ich habe gewusst, dass wir gut in Form sind. Hannes ist ganz fein gefahren, wie mit dem Skalpell, fein, sehr gute Linie, ruhig. Gratulation, hat er super gemacht."

Geboren am 5. Juli 1980 in Altenmarkt im Pongau/Salzburg
Wohnort: Radstadt/Salzburg
Größe/Gewicht: 1,83 m/78 kg
Verein: SC Radstadt
Familienstand: ledig, Freundin Larissa
Ski: Salomon
Hobbys: Fliegen, Surfen, Tauchen, Klettern, Trialfahren
Homepage: www.hannes-reichelt.com

Größte Erfolge:
WM:
Gold Super-G 2015 Beaver Creek
Silber Super-G 2011
4. Super-G 2013
Teilnahmen 2003, 2007, 2009, 2011, 2013
Olympia:
10. Super-G 2006
Teilnahme 2006
Weltcup:
8 Siege (5 Super-G, 2 Abfahrt, 1 Riesentorlauf)
Super-G-Sieger 2007/08
Europacup: Gesamtsieger 2004/05
Junioren-WM: Bronze Super-G und Kombination 2000