Sport

Sind wir nicht alle ein bisschen Teamchef?

Der Grundgedanke ist simpel. Ein paar Gleichgesinnte schließen sich zu einer Liga zusammen. Zu Saisonbeginn wird eine bestimmte Anzahl an Sportlern für das eigene Team ausgewählt. Über die gesamte Saison hinweg werden die Statistiken der realen Spieler verfolgt und dafür, in den unterschiedlichsten Formaten, Punkte vergeben. Wer am Ende der Saison die meisten Punkte hat, gewinnt.

Die Idee dazu wurde bei einem Abendessen im Jahr 1979 im New Yorker Restaurant La Rotisserie Française geboren. Bis Journalist Dan Okrent an jenem Abend Freunden von seiner Idee berichtete, hatten alle Fantasy-Sports-Ligen mit Statistiken vergangener Saisonen gearbeitet. Okrents "Erfindung" der Rotisserie League fand rasch Anhänger, viele Anhänger. Alleine in den USA spielen heute mehr als 35 Millionen Menschen nach diesem oder einem ähnlichen Prinzip um Ruhm und Ehre.

Was sich anfänglich auf die amerikanischste aller Sportarten, das Baseball, beschränkte, hat im Jahr 2012 nicht nur nahezu alle Sportarten Nordamerikas erfasst, sondern auch Europa fest in seinen Bann gezogen. Fantasy Sports erobern den Globus.

Zur Meisterschaft

Da sich in Europa der Markt jedoch fast ausschließlich um das runde Leder dreht, haben sich einige Unterschiede zu den amerikanischen Fantasy-Sports-Versionen etabliert. So gibt es in den USA etwa jeden realen Spieler in jeder Liga nur ein Mal, in Europa kann sich dagegen jeder "Fantasy Manager" mit einem für jedermann gleichen Budget jeden verfügbaren Sportler kaufen.

Da alle großen Sportligen ihre Nachwuchskräfte aus einem jährlichen Draft rekrutieren, hat sich diese Praxis bei den nordamerikanischen Sportarten auch für ihre Fantasy-Ableger durchgesetzt. Entweder computergeneriert, Live-online oder gemütlich an einem privaten Draftabend zuhause bei Freunden - erhalten hier im Gegensatz zur "Alten Welt" alle Mitspieler "gleichzeitig" ihr Team.

Gleich ist dagegen der Spielablauf. Die Mannschaften werden vor der entsprechenden Saison zusammengestellt und spielen dann entweder in direkten Duellen oder über die Gesamtpunkte ihren Liga-Champion aus. Nicht selten geht es dabei um Geld. Bei Yahoo etwa kann man in Ligen mit 20 oder 100 Dollar einsteigen, andernorts klettern die eingesetzten Beträge in den fünfstelligen Bereich. Auf eine genauere Regelaufschlüsselung und Auflistung aller verfügbaren Spielvarianten sei an dieser Stelle verzichtet, da die Fülle an Draft- und Zähl-Varianten den Rahmen sprengen würde.

Cash-Cow

Doch auch die Marktdaten sprengen regelmäßig den (Erwartungs-)Rahmen. Knapp jeder zehnte Amerikaner besitzt bereits zumindest ein Fantasy-Sports-Team - Tendenz steigend. Eine IBISWorld-Studie von 2012 geht etwa davon aus, dass das bisherige Wachstum (von 2007 bis 2012 waren es 12%) zwar etwas zurückgeht, mit knapp 8 % aber immer noch enorm bleibt. Die riesigen Zuwachsraten machen das Geschäft längst nicht mehr nur für Spieler interessant – aktuell liegt der jährliche Umsatz der Industrie zwischen ein und zwei Milliarden Euro.

Studien der Fantasy Sports Trade Association ergeben, dass der durchschnittliche Spieler knapp 100,000 Dollar pro Jahr verdient, in seinen frühen 30ern ist, eine Universitätsausbildung genossen hat, männlich und verheiratet ist. Dazu gibt er im Schnitt 95 Dollar pro Jahr für sein Hobby aus. 75 Prozent davon besuchen mindestens vier Websites regelmäßig, um ihr Fantasy-Team bestmöglich zu führen. Dass hier mit Werbung eine Menge Geld zu machen ist, haben nicht nur in den USA längst viele Unternehmen erkannt.

Um weit weniger geht es dagegen hier in der KURIER-Redaktion. Mittlerweile schon im fünften Jahr wetteifern Freunde der Premier League um den Redaktions-internen Titel. Der Gewinner bekommt ab dieser Saison sogar einen Pokal.

"Jeder hat einen eigenen Fußballverein verdient!", prangt in riesigen Lettern auf der Startseite. Der Online-Fußball-Manager "Hattrick" feiert in diesem Jahr sein bereits 15-jähriges Bestehen. Knapp 1.000.000 Manager aus 128 Nationen haben sich dessen Leitsatz schon zu Herzen genommen und managen ihr eigenes Team. Jeder User kann sich einen Vereinsnamen aussuchen und startet dann meist in einer der beiden untersten Ligen seines Landes.

Gezielte Förderung junger Talente gehört ebenso zum "Daily Business" wie der Einkauf von Spielern, das Training, die Anstellung von Personal oder der Stadionausbau - wie bei einem echten Verein eben. Anders als bei den klassischen Fantasy Sports finden sich bei Hattrick jedoch keine realen Sportler. Alle Spieler, mitsamt ihren Stärken und Schwächen, werden von einem Computer generiert und beruhen auf dem Zufallsprinzip.

Nichtsdestotrotz, das Spiel fasziniert. Wie Hattrick unlängst anlässlich des 15-Jahr-Jubiläums bekanntgab, verbringt ein durchschnittlicher User 50 Minuten pro Tag auf der Seite. 6407 aktive Manager gehen in Österreich bereits in Saison Nummer 37 (eine Hattrick-Saison dauert nur 112 reale Tage). In Wien gibt es sogar einen eigenen Hattrick-Stammtisch, der in unregelmäßigen Abständen zum sportiven Austausch zusammenkommt. Der KURIER traf sich mit Hattrick-Afficionado Thomas A. (27) zum Interview:

KURIER: Seit wann spielst Du Hattrick und wie bist du dazu gekommen?Thomas: Ich spiele seit März 2005, als schon mehr als 7,5 Jahre. Dazu gekommen bin ich über Freunde. Die haben auch gespielt und mir als Fußball-Fan das Spiel schmackhaft gemacht.

Was macht das Spiel so attraktiv, dass du bereits so lange Zeit dabei geblieben bist?Je mehr man sich damit beschäftigt, desto tiefer und komplexer wird das Spiel. Dazu kommt die Überraschangskomponente bei der Berechnung. Es gibt aber auch abseits des "normalen Spielbetriebs" viel zu entdecken. Das Jugendinternat und seine Feinheiten oder etwa die Nachwuchs-Nationalteams. Dazu gibt es eine riesige Community, die ein ganz breites Themenspektrum abdeckt.

Wie lange braucht man um "Erfolg" zu haben?Ganz schnell geht's natürlich nicht. Ohne den nötigen Aufwand ist irgendwann Endstation. Wenn man nur fünf Minuten am Tag investiert, wird man es vermutlich nie in die Bundesliga schaffen. Es ist aber natürlich, wie immer, eine Frage des eigenen Anspruchs.

Wieviel Zeit verbringst du damit?Eine gute Stunde pro Tag würde ich sagen. Allerdings entfallen lediglich fünf Minuten davon auf administrative Dingen wie Aufstellung, Scouting und Co., der Rest der Zeit verliert sich in allen möglichen Ecken und Enden des Hattrick-Universums, vor allem aber in den Foren.

Wieviel Suchtpotential steckt in Hattrick?Dass es wirklich zu einer Sucht werden kann, hätte ich nicht gesagt. Aber natürlich, ein gewisses Potential ist sicher vorhanden. Vor allem weil das Spiel unterschiedlichste Teile der Bevölkerung anspricht. Da kann es schon in eine Art Sucht abgleiten.

Bist du bereit Geld dafür auszugeben oder hast du bereits Geld ausgegeben?Ja, ich habe bereits Geld für die Supporterschaft (Anm.: als "Supporter" stehen einem Spieler zahlreiche Zusatzfeatures zur Verfügung, ein direkter "Vorteil" ergibt sich daraus aber nicht) bezahlt und werde mir diese wohl auch weiterhin gönnen. Sonst wäre ich aber nicht bereit in Online-Spiele Geld zu investieren.

Was sagen deine Mitmenschen zu deiner Hattrick-Leidenschaft?Die ein Hälfte meiner Freunde spielt sowieso auch Hattrick, da liegt es natürlich nahe, sich auch über Hattrick auszutauschen. Die andere Hälfte ist davon eher genervt oder es ist ihnen gleichgültig. Wenn sich jemand nicht für Hattrick interessiert, binde ich ihm mein Hobby aber natürlich nicht auf die Nase.

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Entwicklung der Fantasy Sports on Dipity.

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Seit 2009 strahlt FX Networks die Serie "The League" aus. Hier dreht sich alles um das Leben von fünf Freunden und ihrer gemeinsamen Fantasy-Football-Liga. Im Oktober lief in den USA bereits die vierte Staffel an.

Ja, ich stehe dazu. Ich spiele für mein Leben gern. Nicht nur klassische Brettspiele oder auf der Konsole. Bereits vor Jahren, als man noch Postkarten ins Ausland schicken musste, um sein eigenes Team zu erhalten, bin ich dem Fantasy-Sports-Virus verfallen.

Wie viele andere Sportfans bin auch ich Statistik-verliebt. Das heißt einerseits, dass ich mir Sport-Statistiken mit einer Geschwindigkeit und Leichtigkeit merken kann, die mir - könnte man sie etwa auf das Strebern von Vokabeln ummünzen - beim Erlernen einer neuen Sprache durchaus gelegen kommen würde. Andererseits, dass ich das Studieren von alten Tabellen oder Torschützen geradezu als meditativ beschreiben würde.

In Kombination mit einem Wettbewerb mit Freunden und Bekannten - wer freut sich nicht über die "kleinen Siege" im Leben - kann ich mich seither, zumindest was US-Sports betrifft, manchmal sogar über Erfolgserlebnisse für das "falsche" Team freuen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der richtige Spieler - also einer aus meinem Fantasy Team - die Punkte erzielt.

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