NBA: Wunderkind trifft Auserwählten
Chosen I, der Auserwählte, steht auf dem Rücken von
LeBron James tätowiert. Und zwischen den Schulterblättern des 2,03 Meter großen und 113 Kilo schweren Basketball-Spielers ist reichlich Platz für in Haut gestochene Protzereien. „Wir sind nicht zusammengekommen, um in die Play-offs zu kommen. Wir sind hier, um die Meisterschaft zu gewinnen“, sagt der 26-jährige Star der Miami Heat vor dem ersten Spiel der US-Profiliga NBA am Christtag.
Freilich, das Starensemble aus Florida ist auch heuer der große Favorit auf den Titel, doch noch kurz vor dem ersten Anwurf, müssen die Spieler aus Miami schon wieder die erste Demütigung der Saison ertragen.
Demütigung
Der Ligaauftakt führt LeBron James ausgerechnet zu jenem Team, das ihm die bitterste Niederlage seiner Karriere zugefügt hat: zu den Dallas Mavericks. Die Mannschaft um
Dirk Nowitzki gewann im Juni das Endspiel gegen Miami und Sports Illustrated schrieb: "Die Finalserie 2011, die als Krönung für James begann, endete als seine Kreuzigung." Die prestigeträchtigen wie protzigen Meisterschaftsringe bekamen die Mavericks ausgerechnet vor dem Spiel gegen Miami überreicht.
LeBron James wird daneben stehen – und die Mehrheit der Basketball-Gemeinde wird nur ihn ansehen und zufrieden lächeln. Er ist der talentierteste Spieler seiner Generation, laut Statistiker jedenfalls der effektivste, wahrscheinlich sogar der kompletteste, den dieser Sport bisher gesehen hat. Und dennoch wollen die Fans ihn nicht gewinnen sehen – sondern scheitern.
Sein Wechsel von den Cleveland Cavaliers nach Miami brachte James im Ranking der arrogantesten Sportmarken in die Top 3. Nur Golfer Tiger Woods und die Baseballer der New York Yankees, die bestbezahlte Sportmannschaft des Planeten, sind laut US-Untersuchung noch unbeliebter.
No-Win-Ski
Besonders in Ohio, der Heimat von LeBron James, ist der Zorn groß. Als die
Dallas Mavericks letzte Saison die Finals gewannen, ernannte sie der Gouverneur aus dem 1500 km entfernten Ohio für einen Tag zu Ehrenbürgern. Nur um James, dem Jungen aus dem Getto von Akron, eines auszuwischen. Dabei galt LeBron James viele Jahre als Hoffnungsschimmer in der düsteren Region. Kaum eine US-Stadt hat die Finanzkrise härter getroffen als Cleveland, erstmals seit hundert Jahren zählt Cleveland wieder weniger als 400.000 Einwohner.
Dass James ausgerechnet von Dirk Nowitzki, dem besten Spieler der Finalserie, in die Schranken gewiesen wurde, hat die Demütigung perfekt gemacht. Der blasse, ruhige 33-Jährige aus gut behütetem Würzburger Haus gilt als Gegenentwurf zum Getto-Kind James.
German Wunderkind nennen sie Nowitzki in den USA, vor gar nicht allzu langer Zeit verspotteten sie ihn ob seiner Titellosigkeit als No-Win-Ski. Keines von beiden hat sich Nowitzki bisher tätowieren lassen.