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NADA-Boss Cepic: "Niemand kann sich sicher sein"

KURIER: Die EM geht in die heiße Phase. Von Doping im Fußball hört man relativ wenig.

Michael Cepic: Von der Kontrollintensität hat man bei den Spitzenleuten ein gutes Niveau erreicht. Wir arbeiten mit der UEFA im Vorfeld der EURO eng zusammen. Es wird kein Topspieler zur EM fahren, ohne eine Kontrolle abgegeben zu haben.

Ist Fußball dopinggefährdet?

Doping macht keinen guten Fußballer. Wenn Fußball gefährdet ist, dann vor allem auf der Regenerationsseite. Schauen wir doch einen Topspieler an: Wie oft schläft der in seinem eigenen Bett? Vielleicht zwei Mal in der Woche. Das ist anstrengend, genauso das viele Fliegen.

Wird im Fußball gedopt?

Durch die verstärkte mediale Präsenz des Doping-Themas haben auch die Verantwortlichen bei FIFA und UEFA reagiert. Fußball ist ein großes Geschäft, da muss man Anstrengungen vorweisen, dass man in der Anti-Doping-Arbeit etwas tut. Das hat es vor vier, sechs Jahren nicht gegeben.

Das nächste Großereignis steht an. Experten sagen, in Rio werde Doping präsent sein wie nie zuvor.

Durch die Aktualität des Themas treten eine Unzahl von Experten auf, die eine Menge an Meinungen abgeben, die nicht belegbar sind. Ich weiß, dass es nicht mehr so geht, dass der Sportler einfach Substanzen schluckt oder spritzt. Einfache Erklärung: der Biologische Pass.

Wie funktioniert der genau?

Dieser Pass zeigt in einem Steroid- oder Blutprofil Veränderungen auf. Er zeigt zwar nicht, welche Substanzen verwendet werden, aber er zeigt verdächtige Sprünge. Das macht es für Sportler komplex. Wenn sich im Pass verdächtige Merkmale zeigen, würde man die Test-Intervalle verkürzen.

Sind die Doper den Kontrolloren oft einen Schritt voraus?

Das ist das Prinzip. Wir sind immer hintennach. Wir können immer nur reagieren. Aber wir bewahren verdächtige Proben auf, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit verbesserten Analysemethoden erneut zu untersuchen.

Bei Nachtests wurden Olympiasportler der Sommerspiele von Peking 2008 und London 2012 erwischt. Können sich Doper heutzutage überhaupt noch sicher sein?

Wenn es kein neues Wundermittel gibt, kann sich niemand sicher sein. Natürlich haben die Sportler auch Berater, die durchaus auf dem Niveau der Wissenschaftler im Dopingkontrolllabor in Seibersdorf sind, die wissen, wozu die Labors in der Lage sind.

Wo werden eigentlich diese neuen Mittel erfunden?

Das Internet und der asiatische Raum sind problematisch. Wenn man sich auskennt, welche Substanzen man haben will, kann man alles bestellen.

In Asien gibt es eigene Labors, die Dopingmittel herstellen?

Ja.

Ein Dopingskandal könnte Russland den Olympia-Start kosten. Wie kann es geschehen, dass ein ganzes Land dahintersteckt?

Es gibt Länder, in denen der Sport einen Stellenwert hat, der über seine normale Funktion hinausgeht. In diesen Nationen profiliert sich das System über den Sport. Da setzt man zum Teil alle Möglichkeiten ein, die zur Verfügung stehen.

Was soll man mit Russland tun?

Schließt man das ganze Team aus, begibt man sich in einen Bereich, den es nirgendwo anders gibt. Wenn 95 Drogendealer aus dem Land A kommen, kann man nicht alle aus diesem Land ins Gefängnis stecken. Die Frage ist: Sollen wir das im Sport machen? Wenn sich das systematische Doping durch Einflussnahme des Staates bestätigt, bin auch ich dafür, Russland zu sperren.

Das heißt dann: Olympia ohne russische Sportler.

Das IOC hat die Möglichkeit, Sportler, die nachweislich nicht davon betroffen waren, unter olympischer Flagge starten zu lassen. Das würde ich nutzen. Denn jemanden zu sperren, nur weil er in einem bestimmten Land geboren ist, ist problematisch.

Freut sich der NADA-Chef, wenn man jemanden erwischt?

Ich komme selbst aus dem Sport und habe Verständnis für die Sportler. Als ich den Job begonnen habe, war klar: Anti-Doping-Arbeit und Emotionen sind zu trennen. Es gibt Regeln, wir überprüfen, ob sie eingehalten werden. Man muss saubere Sportler schützen, indem man die anderen aus dem Sport entfernt.

Es ist aber wohl emotional leichter, einen unbekannten Kraftdreikämpfer zu überführen als einen Star der Fußball-EM.

Es darf in meiner Arbeit keine Rolle spielen, ob das ein Top-Fußballer ist oder ein drittklassiger Sportler. Die Regeln gelten für alle.

Wie viele Top-Sportler dopen?

Wir wissen es nicht. Dass es Doping gibt, ist unbestritten, wir erwischen nicht alle. Wir können nur die Latte so hoch wie möglich legen.

Wie geht das?

Wir leben im Sport noch immer mit Statuten aus den 50er-Jahren, als Verbände Interessensvertretungen waren. Das ist heute nicht mehr so. Die FIFA, die ITF oder die IAAF sind milliardenschwere Unternehmen. Und die machen sich ihre Regeln selbst! Das kann nicht funktionieren. Alle Kontrollen gehören weg von den Verbänden. Es kann nicht sein, dass sich Verbände selbst kontrollieren.

Was ist zu tun?

Der Sport muss mehr finanziell beitragen zu den Dopingkontrollen. 2014 hat die FIFA 0,35 Prozent ihres Jahresbudgets für Medizin und Anti-Doping ausgegeben. Das reicht nicht. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat als Dachorganisation 28 Millionen Euro. Das ist weniger als das Budget der österreichischen Fußball-Topklubs. Wenn man es ernst meint, muss man mehr machen. Das Geld kann nicht immer nur vom Steuerzahler kommen.