Der Doktor hat noch immer Spaß
Von Florian Plavec
1993 Der 14-jährige Italiener Valentino Rossi fährt sein erstes Rennen. Er stürzt im Training in der ersten Kurve. Im spanischen Cervera wird Marc Márquez geboren.
– Mai 1997 In Mugello feiert Rossi (18) seinen ersten Heimsieg. Márquez (4) bekommt sein erstes Motorrad.
– Juni 2008 Valentino Rossi (29) ist zum Superstar aufgestiegen, zum neunten Mal gewinnt er sein Heimrennen. Im Zimmer von Marc Márquez (15) hängt ein Poster von Rossi, den die Fans aus Respekt "Il Dottore" nennen.
– 1. Juni 2014 Valentino Rossi (35) fährt in Mugello (14 Uhr/live Sport1) seinen 300. Grand Prix, 106 hat er gewonnen. Favorit auf den Sieg ist Marc Márquez (21). Der Spanier hat alle fünf Grands Prix 2014 gewonnen und gilt als größtes Talent der Motorrad-Geschichte und startet aus der Pole-Position.
Doch Valentino Rossi (10. Startplatz) bleibt der Liebling der Fans. Auf allen Strecken der Welt, ganz besonders aber in Mugello. Der Kult um seine Person ist ungebrochen, seine legendäre Startnummer 46 klebt auf Zweirädern auf der ganzen Welt, vom Moped bis zum Superbike. Auf den extrovertierten Entertainer Rossi können sich die Fans einigen – sogar in Spanien, der Heimat von Rossis größten Gegnern.
Rekordmann
Valentino Rossi ist mit 106 Rennsiegen und neun WM-Titeln der erfolgreichste Motorradfahrer nach Giacomo Agostini (122/15). Dieser allerdings konnte in den 1960er-Jahren parallel in mehreren Rennklassen starten. Rossi galt mit seinem Talent, seinem Gefühl für das Motorrad und seinem übernatürlichen Speed lange Zeit als unerreichbar. Als bester Motorradfahrer, den es je auf diesen Planeten gab.
Respekt
Doch dann kam Marc Márquez, das Wunder auf zwei Rädern, seit 2013 der jüngste Weltmeister der Geschichte. Wie alle anderen Gegner hat auch Rossi gegen Márquez keine Chance. "Ist die Welt bereit, zu akzeptieren, dass Marc Márquez der neue Valentino Rossi ist?", twitterte Rossi vor einigen Tagen. Der Berliner Morgenpost sagte er: "Momentan scheint er unschlagbar zu sein. Und ich muss sagen, er ist wahrscheinlich das größte Talent, das es jemals gegeben hat. Größer als ich es war. Aber wir zwei kämpfen miteinander. Ich werde ihn eines Tages noch einmal besiegen – das glaube ich jedenfalls."
Seinem beeindruckenden Jubiläum kann Rossi nur bedingt etwas abgewinnen: "Darüber bin ich nicht so glücklich. Denn das bedeutet, dass ich alt geworden bin. Ich bin froh und dankbar, dass ich mich noch in einem recht brauchbaren Zustand befinde. Und ich bin immer noch sehr schnell."
Tatsächlich erlebt Rossi in der Saison 2014 einen Frühling. In zwei verlorenen Jahren 2011 und 2012 bei Ducati fuhr er weit hinterher. Die Karriere schien schon traurig zu enden, doch der Italiener kämpfte sich zurück. Heuer ist er deutlich stärker als sein Yamaha-Teamkollege Jorge Lorenzo aus Spanien. Drei Mal in fünf Rennen war nur Marc Márquez schneller als Rossi.
Doch Rossi hat gelernt, sich auch über zweite Plätze zu freuen. Der Spaß am Sport ist nach wie vor da, das Feuer brennt, seine Interviews haben immer noch Unterhaltungswert. "Motorräder sind meine Leidenschaft", erzählt er. Längst ist er Muli-Millionär, doch das Geld sei kein Antrieb: "Ich bin seit 18 Jahren in diesem Sport. Früher bin ich für ein Essen und einen Schlafplatz gefahren. Aber ich wäre nicht mehr dabei, wenn ich die unglaubliche Atmosphäre im Fahrerlager und in der Box nicht mehr genießen könnte. Das Gefühl, wenn ich auf dem Motorrad sitze, ist immer noch gleich."
Auch im 300. Rennen.
Rossis neun Siege in Mugello: