Solofahrten der Ausnahmekönner
Von Florian Plavec
Am Ende gab es sogar Buhrufe für den strahlenden Sieger: Sebastian Vettel dominierte den Grand Prix von Singapur derart eindrucksvoll, dass die enttäuschten Ferrari-Fans ihren Emotionen freien Lauf ließen. "Er wird fürs Siegen bestraft", urteilte die deutsche Zeitung Bild am Montag, stellte aber auch die Frage: "Warum ist Vettel außerhalb von Deutschland so unbeliebt?"
Grund dafür ist in dieser Formel-1-Saison wohl die verblüffende Überlegenheit des dreifachen Weltmeisters, die selbst Red-Bull-Teamchef Christian Horner überraschte: "Niemand hat erwartet, dass er in 15 Runden 30 Sekunden herausfahren kann. Es ist eine Kombination aus seinem Vertrauen in das Auto und dem Fortschritt, den wir damit gemacht haben." Der 26-jährige Vettel geht mit einem Guthaben von 60 Punkten auf Fernando Alonso in die sechs ausstehenden Rennen. Auf dem Weg zu seinem vierten WM-Titel in Serie kann sich Vettel nur noch selbst schlagen.
Doch auch andere Motorsport-Serien werden in dieser Saison von Ausnahmekönnern dominiert:
Motorrad-WM Überflieger Marc Márquez fährt bereits in seinem ersten Jahr in der MotoGP-Klasse dem Titel entgegen. Vergangene Woche belegte der 20-jährige Spanier in Misano zwar nur Platz zwei hinter seinem aufopferungsvoll kämpfenden Landsmann Jorge Lorenzo, seinen Vorsprung in der WM baute er trotzdem aus. Fünf Rennen sind noch zu fahren (das nächste am Wochenende in Aragon), Márquez reichen bereits zweite Plätze zum ersten Titelgewinn.
Motocross-WM Die Königsklasse des Motocross-Sports, die MX1-Serie (Viertakter bis 450 Kubikzentimeter oder Zweitakter bis 250 Kubikzentimeter) wird seit Jahren von einem einzigen Mann dominiert: Antonio Cairoli heißt der italienische Ausnahmekönner, der sich bereits vor vier Wochen beim vorletzten Saisonrennen in Großbritannien seinen fünften WM-Triumph in Folge sicherte. "Jeder Titel ist natürlich anders und an den ersten erinnere ich mich am meisten, aber alle sind speziell", freut sich der 28-jährige KTM-Fahrer. Cairoli konnte neun von 17 Saisonrennen gewinnen. Der Österreicher Matthias Walkner, der vor einem Jahr die Gesamtwertung in der MX3-Klasse gewonnen hatte, beendete die Saison auf dem dritten Platz.
Tourenwagen-WM Am Sonntag sicherte sich der Franzose Yvan Muller in Suzuka zum vierten Mal den Titel in der Tourenwagen-WM, er ist damit Rekordweltmeister. Dem 44-jährigen Chevrolet-Fahrer reichte in Japan beim Sieg von Norbert Michelisz (Ungarn/Honda) bereits ein dritter Platz. Der Titel in der Konstrukteurswertung ging aber an Honda.
Rallye-WM Auch die Rallye-WM ist so gut wie entschieden: Ein mickriger Punkt fehlt Sébastien Ogier noch, um sich zum ersten Mal in seiner Karriere die WM-Krone aufzusetzen. Das könnte dem 29-Jährigen ausgerechnet in seinem Heimatland bei der Frankreich-Rallye gelingen, die vom 4. bis 6. Oktober rund um Straßburg ausgetragen wird. Nach zehn Rennen und sechs Saisonsiegen liegt der Volkswagen-Pilot bereits 83 Punkte vor seinem Verfolger, dem Belgier Thierry Neuville. In den drei noch ausstehenden Rennen werden noch 84 Zähler vergeben, dass sich Ogier den Titel noch nehmen lässt, ist aber höchst unwahrscheinlich.
Der Champagner war bereits vor einer Woche während der Australien-Rallye kalt gestellt. Obwohl Ogier das Rennen gewann, musste die WM-Party verschoben werden, da Neuville Zweiter wurde.
Mit dem WM-Triumph würde Ogier für eine Kehrtwende im Rallye-Sport sorgen und nach neun Jahren seinen Landsmann Sébastien Loeb als Weltmeister ablösen. Die mittlerweile 39-jährige Rallye-Legende, die in dieser Saison einige Rennen ausgelassen hatte, möchte in Frankreich das letzte Rennen einer einzigartigen Karriere fahren.
Langstrecken-WM Das Trio Loïc Duval (F), Tom Kristensen (Nor) und Allan McNish (Sco) gewann heuer auf Audi das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und führt in der WEC klar die Wertung an. Die Saison endet am 29./30. November in Bahrain.
Florian Plavec und Kordian Prokop