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Rossi vs. Lorenzo: Zweikampf zu dritt

Valentino Rossi, 36 Jahre alt, neunfacher Weltmeister, 112-facher Grand-Prix-Sieger, mit allen Wassern gewaschen. Doch so ein WM-Finale hat selbst der Italiener noch nie erlebt. In Valencia geht es am Sonntag um den Titel in der MotoGP, die Protagonisten: Rossi, sein Stallrivale Jorge Lorenzo aus Spanien, dessen Landsmann Marc Márquez, millionenschwere Motorradhersteller und der Internationale Sportgerichtshof CAS.

Was ist so brisant? Vor zwei Wochen in Sepang fuhr Jorge Lorenzo hinter Dani Pedrosa dem zweiten Platz entgegen, dahinter kämpfte Rossi gegen Márquez. Das packende Duell dauerte mehrere Runden lang. Yamaha-Fahrer Rossi hatte das Gefühl, behindert zu werden, er stellte im Zweikampf das Knie auf, Honda-Mann Márquez kam zu Sturz und schied aus. Rossi blieb im Rennen und durfte die Punkte für Rang drei behalten. Allerdings fasste er für "verantwortungslose Fahrweise" eine Strafe aus: Am Sonntag muss er in Valencia vom letzten Platz starten. Sieben Punkte liegt Rossi vor Lorenzo. Sollte sein Yamaha-Kollege gewinnen, müsste Rossi Zweiter werden.

Was hat der Internationale Sportgerichtshof damit zu tun? Rossi zog vor den CAS, um zumindest eine Milderung seiner Strafe zu erwirken. Er verteidigte sich damit, in dem Duell hart, aber fair gefahren zu sein. Erfolglos: Am Donnerstag lehnte der CAS Rossis Einspruch ab. Zuvor hatten mehr als 360.000 Fans eine Online-Petition für Valentino Rossi unterschrieben.

Weshalb ist Rossi so beliebt? Durch seinen spektakulären Fahrstil, aber auch durch seine extrovertierte Art hat Rossi den Motorradsport auf eine neue Ebene gehievt. Kein anderer Motorsportler, auch kein Formel-1-Fahrer, ist weltweit so beliebt wie der Italiener. Rossis Landsmann, Ducati-Fahrer Andrea Iannone, sagt: "Wir müssen dankbar sein, dass wir die Ehre haben, mit ihm zu fahren. Er hat die Wahrnehmung unseres Sports verändert."

Geht es am Sonntag ausschließlich um das Duell Rossi vs. Lorenzo? Nein. Das Spektakel ist auch der Vergleich der stolzen Motorrad-Nationen Italien und Spanien. Im Feld sind neun Spanier, also acht, die Lorenzo helfen könnten, indem sie Rossi blockieren. Vor Rossi starten drei Italiener, die wohl Platz machen werden.

Und natürlich geht es neben dem Teamduell um die Weltmeisterschaft auch um den Kampf Rossi gegen Márquez. Der heute 22-jährige Spanier hatte einst Poster seines Idols Rossi im Kinderzimmer aufgehängt, nun sind sie erbitterte Rivalen. Schon vor dem Crash in Sepang hatte Rossi über den 14 Jahre jüngeren Márquez gesagt, dieser denke "wie ein Kind: ‚Wenn ich nicht gewinnen kann, dann gewinnst auch du nicht.‘" Honda revanchierte sich nach dem Rennen mit einer empörten Presseaussendung und schrieb unter anderem: "Márquez stürzt nach einem unsportlichen Tritt von Rossi."

Welche Reaktionen gab es sonst? "Ein Idol stürzt ab", schrieb die spanische Marca und zeigte ein altes Foto von Rossi und Márquez. Für La Stampa aus Italien bewegt sich die Rivalität in sporthistorischen Dimensionen: "Valentinos Fußtritt ist wie Zidanes Kopfstoß, wie Tysons Biss. Genervt, absurd, kindisch." Um die Fahrer aus der Schusslinie zu nehmen, wurde die Pressekonferenz am Donnerstag ersatzlos gestrichen. Dafür kam es um 15.30 Uhr zu einer außerordentlichen Sitzung, in der an die Fahrer appelliert wurde, das Saisonfinale nicht zur Schlammschlacht verkommen zu lassen.

Worum geht es für die Teams? Um Prestige – und damit auch um Millionen. Honda ist der mit Abstand größte Motorradhersteller der Welt, verkauft 2015 fast 17 Millionen Maschinen. Yamaha liegt bei etwa sieben Millionen. Zwar hat Yamaha die WM schon gewonnen, doch Honda will das Gesicht wahren.

Wo kann man das Rennen sehen? Die 120.000 Tickets für den Circuit Ricardo Tormo in Valencia sind seit Wochen ausverkauft. ORF Sport + und Eurosport übertragen live. Start des Grand Prix ist um 14 Uhr.