"Herr Zetsche war sehr unzufrieden"
Von Florian Plavec
Selten noch hat ein Sieg so bitter geschmeckt wie jener von Nico Rosberg am Sonntag in Monte Carlo. Die Stimmung in der Führungsetage bei Mercedes schwankte zwischen enttäuscht und erbost.
Was war geschehen? Lewis Hamilton war ungefährdet in Führung gelegen. Hinter ihm sein Teamkollege Rosberg. Dann verursachte Toro-Rosso-Youngster Max Verstappen einen schweren Crash, der eine Safety-Car-Phase zur Folge hatte, und Mercedes holte Hamilton zum Reifenwechsel an die Box. Ein Fehler, ein schwerer Fehler: Der Engländer fiel hinter Rosberg und Ferrari-Mann Vettel zurück.
"Wir haben uns verrechnet"
"Wir haben uns simpel gesagt einfach verrechnet", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wir dachten, genügend Vorsprung zu haben. Aber diese Rechnung war falsch." Besonders unangenehm war, dass Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche eigens zum Monaco-Rennen angereist war. "Herr Zetsche war sehr unzufrieden mit dieser speziellen Situation", sagte Wolff zerknirscht. Klar sei, dass man den Fauxpas nun hinter verschlossenen Türen analysieren müsse. " Wir werden extrem selbstkritisch vorgehen und müssen uns fragen, warum wir uns in den Daten geirrt haben."
Zwar habe der gesunde Menschenverstand gesagt, dass ein Stopp nicht sinnvoll wäre, betonte Wolff, aber "der Menschenverstand gewinnt auf Dauer keine Rennen. Man muss datenorientiert sein."
"Das wird Konsequenzen haben"
So beherrscht Toto Wolff analysierte, so sehr tobte Landsmann Niki Lauda. "Ich ärgere mich über unsere Strategie-Menschen", sagte der Aufsichtsratschef des Rennstalls. "Alle haben diskutiert, aber keiner hat eine Entscheidung getroffen. Dann haben sie eine getroffen, und die war falsch. Das wird Konsequenzen geben." Toto Wolff widersprach: "Konsequenzen gibt es nicht."
Pressestimmen
Spott und Häme für das Siegerteam gab es am Tag danach von der internationalen Presse. In Spanien schrieb El País: "Mercedes sabotiert seinen großen Star. Eine Dummheit des deutschen Teams bringt Hamilton um den Erfolg und verhilft Rosberg zum Sieg." ABC konstatierte: "Mercedes ruiniert Hamilton. Eine so unerwartete Wende hat es in der Formel 1 nur selten gegeben", und La Vanguardia titelte: "Mercedes beschwindelt Hamilton."
Scharfe Töne kamen auch aus Frankreich (L’Équipe: "Verraten von seinem eigenen Team") und aus Italien (Corriere della Sera: "Ein verheerendes Manöver von denen, die glauben, alles zu kontrollieren").
Fairer Verlierer
Hamilton war maßlos enttäuscht, zeigte diese Enttäuschung auch, reagierte aber gefasst: "Dieses Rennen liegt mir seit vielen Jahren am Herzen, deshalb wollte ich unbedingt gewinnen. Ich gebe dem Team aber keine Schuld. Wir gewinnen und wir verlieren gemeinsam."
Sebastian Vettel, der für Ferrari Rang zwei erbte, sagte in Richtung Mercedes: "Eine dubiose Entscheidung. Danke für Platz zwei."
Partytiger
Und Rosberg? Der Deutsche kam mit seinem dritten Monaco-Sieg in Serie in der WM-Wertung Hamilton auf zehn Punkte nahe, sprach von der "glücklichsten Erfahrung in meiner Rennfahrerkarriere" und entschwand im Nachtleben seiner Heimat.