Sport/Motorsport

Endlich raus aus den Fünf-Sterne-Hotels

Es gibt Dinge, die überraschen sogar Niki Lauda. Nur wenige Minuten vor dem Gespräch mit dem KURIER hat der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende von der Rückkehr der Formel 1 nach Österreich erfahren.

KURIER: Herr Lauda, was sagen Sie zu den Neuigkeiten?
Das ist sensationell. Die Formel 1 hat weltweit eine unglaubliche Werbewirkung. Jetzt macht sie Werbung für Österreich. Dass Mateschitz ein sehr gutes Verhältnis zu Ecclestone hat, haben wir gewusst. Ich habe immer gehofft, dass die sich einigen werden. Die Einigung war nur eine Frage der Zeit. Dass es so schnell geht, hat mich aber überrascht.

Was muss an der Strecke und im Umfeld noch passieren?
Gar nichts. Auf der Strecke kann man sofort Formel 1 fahren. Alle, die sagen, dass die Infrastruktur fehlt, haben überhaupt keine Ahnung.

Aber es fehlen doch die Hotels im nahen Umkreis der Strecke.
Die Formel 1 ist schon seit den Zeiten von Jochen Rindt auf dem Ring. Und sie war immer ein Impuls für die Gegend. Das Gerede um die Infrastruktur gibt es schon viele Jahrzehnte, aber es hat immer funktioniert. Wir haben es genossen, in einfachen Gasthäusern zu wohnen.

Doch die Zeiten haben sich geändert.
In dieser Beziehung nicht. Die Piloten wohnen doch sonst immer in den besten Fünf-Sterne-Hotels. Die werden froh sein, wenn sie da einmal rauskommen und in einem freundlichen, steirischen Gasthaus übernachten dürfen. Da sieht man gleich viel mehr von der Welt.

Und doch gibt es noch viel zu tun. Es müssen zum Beispiel Tribünen aufgestellt werden.
Darüber mache ich mir keine Gedanken und auch keine Sorgen. Ich verlasse mich voll auf die Leute von Red Bull. Das sind Vollprofis, die haben das alles im Griff.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Strecke?
Allerbeste Erinnerungen. 1984 habe ich gegen Alain Prost um die Weltmeisterschaft gekämpft. In dem Jahr habe ich als Österreicher den Grand Prix von Österreich gewonnen. Es gibt für einen Formel-1-Fahrer fast nichts Größeres. Wie schwer es ist, ein Heimrennen zu gewinnen, hat man bei Vettel gesehen: Der hat auch lange gebraucht, bis er vor zwei Wochen in Deutschland gewonnen hat.

Jahrelang wurde behauptet, wie unrealistisch alles sei. Niemals werde die Formel 1 nach Österreich zurückkehren. Die Formel 1 strebe in die großen Märkte, in die Mega-Metropolen, in denen politisch (leider) alles möglich ist. In Schanghai wird gefahren, in Neu Delhi, in Kuala Lumpur, in Abu Dhabi. Bernie Ecclestone und sein Milliarden-Zirkus hätten kein Interesse, im kleinen Österreich Kreise zu ziehen, wo an der Rennstrecke Kühe grasen und Motorsport von Bürgerinitiativen gefährdet sein kann.

Irrtum.

Vertrag bis 2020

Dietrich Mateschitz hat mit seinem Red-Bull-Imperium den alten Österreichring aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Der Grand Prix von Ungarn am Sonntag wird zumindest bis 2020 zum letzten Mal das „Heimrennen“ der österreichischen Fans sein. Am 6. Juli 2014 wird die Formel 1 erstmals seit 2003 wieder in Österreich zu Gast sein, „alle für den Red-Bull-Ring erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorausgesetzt“, wie Red Bull in einer Aussendung schreibt. Verantwortlich dafür ist Mateschitz, der sich damit einen Lebenstraum erfüllt: „Für mich als Steirer, der die Motorsportjahre am Ring als Jugendlicher miterlebt hat, ist es schon etwas ganz Besonderes, dass wir nicht nur den Ring wiederbeleben, sondern nun auch die Königsdisziplin zurückholen konnten.“

Seit dem letzten Grand Prix 2003 hat Red Bull Millionen in die Infrastruktur rund um die Rennstrecke investiert. Ursprünglich hatte Mateschitz geplant, die Anlage zum gigantischen Rennstrecken-Projekt inklusive Luxushotels sowie Flugakademie umzubauen. Das Vorhaben scheiterte am politischen Widerstand und an einer nicht bestandenen Umweltverträglichkeitsprüfung. Doch der heute 69-Jährige gab nicht auf und ließ die bereits abgetragene Anlage in einer schlankeren Variante wieder aufbauen. Trotz aller Widerstände wurde der neue Red-Bull-Ring im Mai 2011 eröffnet und für die Formel 1 homologisiert. Seitdem war regelmäßig die DTM zu Gast.

Die Sieger der letzten Spielberg-Ära 1997-2003

Alle Inhalte anzeigen

Dass die Formel 1 wieder zurückkehren könnte, schien aber lange unrealistisch. Als im Raum stand, dass Österreich bereits heuer für den abgesagten Grand Prix von Amerika in New Jersey einspringen könnte, hatte Ecclestone noch gesagt: „Die Strecke ist super, die Leute sind alle sehr freundlich, ein Vergnügen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, aber es gibt leider in der gesamten Region zu wenig Hotelzimmer. Das ist das einzige Problem.“

Die endgültige Entscheidung über den Rennkalender 2014 trifft der Weltverband FIA vermutlich erst im September. Für die Veranstaltung des Rennens ist eine Gebühr an Ecclestone fällig. Diese liegt je nach Rennstrecke bei bis zu 45 Millionen Euro Wer das bezahlt, ist noch nicht klar. Im Vorjahr hatte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko noch gesagt: „Bezahlen müsste das, wie überall sonst, die Regierung.“ Gut möglich, dass ein finanziell attraktiver Deal ausgehandelt wurde, basierend auf dem Nahverhältnis Ecclestone/Mateschitz.

Begeisterung

„Das Thema Formel-1-Rennen hatte Mateschitz seit längerem im Visier“, sagte Ex-Pilot Gerhard Berger, der ein Vertrauter des Red-Bull-Chefs ist. Doch auch ihm war der Fortschritt der Gespräche mit Ecclestone nicht bewusst. „Ein großes Kompliment an Didi Mateschitz. Wir haben eine perfekte Infrastruktur und mit Red Bull auch eine österreichische Mannschaft“, sagte Berger. „Es wird die Leute überraschen, was es in Spielberg alles gibt.“ Kollege Alexander Wurz dachte mehr an die Fahrer. Schon zu seiner aktiven Zeit sei der hügelige Kurs jener mit den meisten Überholmanövern gewesen: „Die Strecke und die Boxen sind absolut Formel-1-tauglich. Der Kurs ist für den Fahrer ein Stress, aber im Fahrerlager haben es immer alle geliebt, nach Österreich zu kommen.“

Niki Laudas Österreich-Sieg 1984

Alle Inhalte anzeigen

Weltweit gehen Länder und Kommunen in die Knie vor Bernie Ecclestone. Sie werfen dem Briten Abermillionen in den Rachen, um einen Formel-1-Grand-Prix ausrichten zu dürfen. Von Katar bis Indien, von China bis Russland – sie alle wollen die Raserei. Einer strukturschwachen Region wie dem Murtal würden Geld und Publicity ebenfalls guttun.

Zeltweg hat seine Eurofighter im Fliegerhorst. Knittelfeld hatte einen blauen Putsch. Und das dazwischen liegende Spielberg überrascht damit, dass ein gewisser Steven seinen Namen bekommen hat, weil seine Familie vor 400 Jahren irgendwo in der Nähe von Spielberg gelebt hat. Nur weiß das kaum einer, wahrscheinlich nicht einmal der gute Steven.

Jetzt führt in der Gegend ein anderer Regie: Der Ring hat sein Österreich schon abgegeben und den Namen des Geldgebers angenommen. Dem Vernehmen nach hat Dietrich Mateschitz auch in die touristische Infrastruktur der Region investiert. Als Hotelier regt er im Murtal keinen auf. Wenn er aber mit Ecclestone einen Vertrag über einen Grand Prix abschließt, dann schon. Denn damit stellt er die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen. Eine Großveranstaltung bringt Publicity und Geld – aber nicht allen in der Region. Die, die leer ausgehen, hören dann nur den Lärm und sehen nur lästige Fans, die stolz auf ihre Fahnen sind.Die Betroffenen glauben dann, dass sie es sind, die den großen Preis für den Grand Prix zahlen.

Niki Lauda (dreifacher Weltmeister, 1984 Sieger des GP von Österreich): "Das ist das Beste, was uns passieren kann. Diese weltweite Publicity ist für Österreich unbezahlbar. Ich habe immer wieder gehofft, dass die Formel 1 zurückkehrt. Dass es Wirklichkeit wird, liegt nur an Herrn Mateschitz. Es ist eine Riesenfreude, mir bedeutet das viel - immerhin habe ich das Heimrennen ja auch einmal gewonnen. Es ist ein neuer Impuls, besonders für die Gegend. Bevor Didi Mateschitz investiert hat, war dort tote Hose. Die Formel 1 ist die Krönung für sein Projekt. Ganz Österreich sollte den Hut ziehen. Es ist ein Impuls für die Wirtschaft, er schafft Arbeitsplätze. Ich hoffe, alle wissen, was sie davon haben - auch die Bundesregierung und die Landesregierung."

Gerhard Berger (Ex-Pilot, zehnfacher GP-Sieger): "Ich habe immer gehofft, dass es den Grand Prix wieder gibt. Es ist eine super Sache, die ohne Red Bull nicht möglich wäre. Wir haben eine perfekte Infrastruktur mit dem Ring und mit Red Bull auch eine österreichische Mannschaft. Die Fans in Österreich warten seit vielen Jahren auf so etwas. Ein großes Kompliment an Didi Mateschitz, der österreichische Motorsport hat ihm viel zu verdanken. Für Österreich ist es ein weltweiter Werbewert, der kaum auf anderem Weg zu erzielen ist. Dazu kommt die Region, die nach Geschäften und neuen Möglichkeiten ringt. Sie profitieren alle davon."

Alexander Wurz (Ex-Pilot, bestritt dreimal den GP von Österreich): "Spielberg war in der Vergangenheit ein profitables Geschäft. Auch jetzt kann man es so gestalten, dass es wirtschaftlich Sinn macht. So ein Rennen hat einen extremen Werbewert. Red Bull besitzt den Ring, die Strecke und die Boxen sind absolut Formel-1-tauglich. Als Fahrer war der Heim-Grand-Prix immer ein bisschen Stress. Aber es war immer schon die Strecke mit den meisten Überholmanövern. Im Fahrerlager haben es immer alle geliebt, nach Österreich zu kommen. Für die Region rechnet es sich auf jeden Fall, sie hat den größten Nutzen."

Die Rennstrecke in Spielberg wurde im Jahr 1969 gebaut; damals unter dem Namen Österreichring – er galt zwischenzeitlich als schnellste Strecke der Formel 1. Nach zwei Startkollisionen mit Millionenschaden verabschiedete sich die Formel 1 1987 für zehn Jahre. 1995/1996 wurde die Strecke – nach langen politischen Diskussionen – wieder umgebaut, ab der folgenden Saison fanden sieben Formel-1-Rennen dort statt.

Bis 2003: Dann verabschiedete sich der Formel-1-Zirkus, diesmal allerdings hauptsächlich aus finanziellen Gründen; offiziell wegen des kommenden Tabakwerbeverbotes in der EU. Dietrich Mateschitz, Red-Bull-Gründer und Milliardär, erwarb die Strecke daraufhin. Er wollte das Gelände und wollte es zu einer Motorsport- und Flugakademie ausbauen.

Aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung und eines negativen Bescheides des österreichischen Umweltsenats ließ Red Bull allerdings wieder von den Plänen ab; ein Teilabbruch war die Folge. 2008 verlautbarte Red Bull, den abgerissenen Ring wieder aufbauen zu wollen - die Rennstrecke erhielt den Namen Red Bull Ring.

Impressionen aus Spielbergs Geschichte

Genehmigungen.Es wird nicht nur gejubelt in Spielberg: Zum Beispiel bei Anrainer-Ombudsmann Karl Arbesser, der gestern Zweifel äußerte. Er wisse nicht, wie der Grand Prix mit dem aktuellen Bescheid für den Red-Bull-Ring „funktionieren“ könne. Beschränkungen bei Lärm und Zuschauerzahlen seien zu berücksichtigen.

Dazu komme, dass „das Land Steiermark gerade ein höchstgerichtliches Verfahren im Zusammenhang mit dem Ring verloren“ hat. Dem Ombudsmann zufolge haben die Anrainer Parteienstellung erhalten, die Betriebsgenehmigung müsse aufgehoben werden: „Red Bull hat einen Erdwall errichtet, wo eigentlich ein Gebäude mit Tribünen gebaut werden sollte. Das Land hat das erst im Nachhinein genehmigt, ohne uns Anrainer beizuziehen. Das war ein Fehler. Ich weiß nicht, ob sie 2014 überhaupt eine Betriebsgenehmigung haben werden.“

Ungeachtet des Urteils des VwGH (vom 20. Juni 2013) und dessen Konsequenzen gibt es für den Red-Bull-Ring einen bestehenden Bescheid: Demnach sind pro Tag maximal 40.000 Zuschauer erlaubt, und das nur an zehn Tagen pro Jahr.

Harald Schnedl, Leiter des Anlagenreferats der Bezirkshauptmannschaft Murtal, erklärte dass erst das genaue Betriebskonzept für die Formel 1 von Red Bull vorgelegt werden müsse. Danach erwarte er sich Änderungsanträge, vor allem was die Besucherzahl betrifft.

Denkbar seien die Errichtung des bereits genehmigten Gebäudes anstelle des Erdwalls, mobile Tribünen oder Stehplätze. Ein komplettes Umweltverträglichkeitsverfahren unter Einbeziehung der Anrainer sei laut Schnedl in der kurzen Zeit nicht machbar, weshalb wohl eher ein Konzept mit Änderungen zu erwarten sei. Gespräche mit den Verantwortlichen des Rings sind in den kommenden Tagen geplant.

Man mag die Marketingstrategien, die Sinnhaftigkeit mancher Investitionen des Dietrich Mateschitz beurteilen, wie man will. Der gestrige Überraschungseffekt war jedenfalls enorm und im Bezirk Murtal liegt ihm die Mehrheit der Bevölkerung wohl zu Füßen. Manfred Lenger (SPÖ), seines Zeichens Bürgermeister von Spielberg, bringt dies mit einer ziemlichen Portion Glückseligkeit zum Ausdruck: „Ein großes Dankeschön an den Herrn Mateschitz. Dass es so schnell geht, hätte niemand gedacht.“

Ja, die Menschen der Region, viele Firmen, Hotels, die Gastronomie würden profitieren. Die Region werde gerüstet sein, „eine Wertschöpfung in Millionenhöhe ist zu erwarten“, sagt der Ortschef. Bei der „Air Power“ bevölkerten 300.000 Besucher an zwei Tagen das nahe Flugfeld.

Idylle

Derzeit ist der Ring auf 120.000 Formel-1-Fans an den drei Veranstaltungstagen im Rahmen des Grand Prix ausgerichtet. Außerdem werde eine halbe Milliarde TV-Zuschauer das Rennen verfolgen. „Wir sind nicht Abu Dhabi, aber die Bilder mit den weidenden Kühen sind sicher einmalig im Formel-1-Programm. “

Alle Inhalte anzeigen
Ähnlich heimatlich geprägte Hochgefühle erlebten gestern Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und Tourismusreferent sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP), die in steter Eintracht zu verstehen gaben: „Die Steiermark ist mit der Rückkehr der Formel 1 wieder eine globale Veranstaltungsdestination und die erfolgreichste Eventregion Österreichs.“ Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) schränkte ein: „Es muss nun auf Basis der Übereinstimmung von Dietrich Mateschitz und Bernie Ecclestone geprüft werden, ob die Formel 1 sich ebenfalls im Rahmen der Umweltauflagen bewegt“ (siehe unten).

Seit 2008 sind allerdings ungefähr 200 Millionen Euro an Investitionen geflossen. 70 davon wurden in den Ring gesteckt und 130 in die touristische Infrastruktur.

Arbeitgeber

Das Land habe dabei die ersten 50 Millionen Euro von Geldgeber Mateschitz mit 15 Prozent gefördert, die restlichen 20 Millionen Euro mit 7,5 Prozent unterstützt. Aus einer im Vorjahr erstellten Studie ging hervor, dass bisher rund 7,5 Millionen Euro aus öffentlicher Hand in den Red-Bull-Ring geflossen seien.

Nach einer Umfrage des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) würden 45 der Murtaler Unternehmer bisher direkt vom Ringgeschehen profitieren. Derzeit sind 180 Menschen bei der Spielberg GmbH beschäftigt.