DTM: Lucas Auer gewann den Regentanz
Von Florian Plavec
"Bisschen ungemütlich hier", sagt die Kellnerin im Gasthof direkt an der Rennstrecke und stellt ein Fläschchen Kräuterschnaps auf den Tisch. "Geht aufs Haus. Vielleicht wärmt der ein bisschen." Draußen hat es elf Grad, der Wind fetzt Nebelschwaden vorbei, der dünne Regen kommt quer.
Zu hundert Prozent passt heute der Name für den Nürburgring: "Grüne Hölle" taufte einst Jackie Stewart die Strecke, als die Formel 1 noch auf der legendären Nordschleife ihre Rennen fuhr. "Der Nürburgring war der großartigste Kurs der Welt", sagte der dreifache Weltmeister dem Tagesspiegel. "Aber er war bedrohlich. Auf einer Runde haben wir in sieben Minuten mehr Angst und Anspannung erlebt als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben. Jedes Mal, wenn ich zum Nürburgring fuhr, schaute ich in den Rückspiegel auf mein Haus, weil ich nicht wusste, ob ich zurückkommen würde."
1976 kam Niki Lauda für lange Zeit nicht nach Hause. Nach seinem Feuerunfall wurde nie wieder ein Formel-1-Rennen auf der 28 (!) Kilometer langen Strecke in der Eifel ausgetragen.
Fast mickrig wirkt dagegen der 3,6 Kilometer kurze, moderne und sichere Kurs, der nur noch die Start-Zielgerade mit der alten Strecke gemeinsam hat. Hier dreht die DTM an diesem Wochenende ihre Runden. Und mittendrin dreht ein Österreicher am Lenkrad – Lucas Auer.
Auers große Liebe
Der 22-jährige Tiroler liebt die Strecke wie kein anderer. Am Vormittag erzielte er in seinem fünften Qualifying auf dem Nürburgring seine vierte Bestzeit, dann fuhr er zu seinem insgesamt vierten Rennsieg in der DTM, in der Gesamtwertung verbesserte er sich auf den zweiten Platz. Doch der Weg zum Sieg war ein langer.
Am Start verlor Auer eine Position, BMW-Fahrer Augusto Farfus (BRA) fuhr dem Feld davon. Als die Strecke auftrocknete und die meisten Fahrer auf Slicks wechselten, blieb Auer auf Regenreifen – eine goldrichtige Entscheidung, denn sofort begann es wieder zu schütten.
Auer fuhr einem sicher scheinenden zweiten Platz entgegen, als der führende Mercedes-Teamkollege Paul di Resta kurz langsamer wurde und Auer vorbei ließ. Hintergrund der Aktion: Auer ist der mit Abstand bestplatzierte Mercedes-Pilot und der einzige mit Titelchancen.
Mit den drei Punkten für die Poleposition und den 25 für den Rennsieg fehlt Auer nur ein Punkt auf den führenden Audi-Fahrer Mattias Ekström (SWE) der nicht punktete. Fünf Rennen stehen noch auf dem Kalender.
"Das war brutal, verrückt und teilweise habe ich mich im Rennen überhaupt nicht mehr ausgekannt", sagte Auer. "Aber wir haben alles richtig gemacht." Über die Meisterschaft möchte er sich keine Gedanken machen: "Ich garantiere euch, dass da vor dem letzten Rennen nichts entschieden wird."
Auers erstes Geschenk
Nach einigen Enttäuschungen konnte man bei Mercedes wieder zufrieden sein. Vier Autos lagen vorne, alle sechs schafften es in die Top Ten. Sogar der brave Paul di Resta war gut gelaunt. Auf die Frage, ob seine Aktion ein Geburtstagsgeschenk für Auer war, sagte der Schotte: "Ja, ein verfrühtes." Auer wird am Montag 23.
Eine Chance, sich selbst das nächste Geschenk zu machen, hat der Tiroler schon heute beim zweiten Rennen um 15.18 Uhr (live ORF Sport+ und ARD) – und danach in zwei Wochen (23./24. September) auf dem Red Bull Ring.