Sport/Motorsport

Rätselraten bei Reifenfrage

Ferrari-Star Fernando Alonso ist als der große Sieger aus dem Formel-1-Wochenende in China hervorgegangen. Übermäßige Euphorie ist für den Spanier aber nicht angebracht. Zu groß ist die Unsicherheit, die in der Königsklasse derzeit ob der Reifenfrage herrscht. Die neuen Pirelli-Pneus bauen so stark und unvorhersehbar ab, dass über das Kräfteverhältnis kaum seriöse Aussagen getroffen werden können. Die Reifenlotterie geht bereits am Sonntag in Bahrain in die nächste Runde.

Vettel auf den Fersen

Alonso hat sich für die Verfolgung von Weltmeister und WM-LeaderSebastian Vettel zumindest neue Energie geholt. Der größte Herausforderer der vergangenen Jahre landete in Shanghai seinen ersten Sieg seit Juli 2012. Neun Punkte fehlen dem Vizeweltmeister nach seinem Ausfall in Malaysia noch auf Vettel. "Wenn das Auto ins Ziel kommt, dann kann es in diesem Jahr scheinbar auch auf das Podest kommen. Das ist auch für Bahrain unser Ziel", betonte Alonso.

Lotus mit Vorteil

In der Wüste von Sakhir sind die Bedingungen aber andere. Die Reifen sind höheren Temperaturen ausgesetzt, könnten noch schneller abbauen. "Ich erwarte ein hartes Rennen. Wer weiß schon, wie konkurrenzfähig welches Auto bei diesen Bedingungen sein kann", verdeutlichte Alonso das aktuelle Rätselraten in der Königsklasse. Das einzige Auto, das sich in China nicht als extremer Reifenfresser erwiesen hatte, war der Lotus des zweitplatzierten Kimi Räikkönen - dadurch mittlerweile Geheimfavorit in der WM.

Serienweltmeister Red Bull scheint auch 2013 ein sehr schnelles Auto gebaut zu haben. Die Reifensituation bedingt aber, dass Vettel es nicht zur Gänze ausreizen kann. Der Deutsche war in Shanghai trotz azyklischer Strategie zumindest gegen Alonso chancenlos, kam nicht über Rang vier hinaus. Mittlerweile hat sich der Titelverteidiger zum größten Kritiker der Pneus aufgeschwungen. "Das hat im Moment nicht viel mit Rennfahren zu tun, wenn man die ganze Zeit nur auf die Reifen achtgibt", erklärte Vettel.

Tatsächlich werden Rad-an-Rad-Duelle immer weniger - obwohl die neuen Reifen eigentlich für noch mehr Spannung sorgen sollten. Zu sehr sind die Teams darauf bedacht, dass die sensiblen Pneus nicht überlastet werden. "Die Fahrer in China benötigten weniger ein Renn-Gehirn als einen erweiterten Chemie-Abschluss", kritisierte etwa die englische Zeitung The Daily Telegraph. Als bester Ingenieur stellte sich diesmal Alonso heraus.

"Es geht gleich weiter"

Alle Inhalte anzeigen
Der Spanier hat seinen ersten Titel seit 2006 im Visier. In den vergangenen drei Jahren musste er sich zweimal hinter Vettel mit dem zweiten WM-Rang zufriedengeben. "Der Titel ist keine Utopie", jubelte die "Gazzetta dello Sport" nach dem souveränen Triumph in China. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo sprang aber wie Alonso sofort auf die Euphoriebremse: "Wir müssen mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Es geht gleich weiter."

In Bahrain hatte sich im Vorjahr Vettel vor Räikkönen durchgesetzt. So lautet derzeit auch der WM-Stand. Hinter Alonso folgt nach zwei dritten Plätzen in Folge Lewis Hamilton. Der Ex-Weltmeister hat sich bei seinem neuen Team Mercedes bereits zur Führungsfigur aufgeschwungen. "Er hat das Beste herausgeholt, was man aus diesem Reifenrennen machen konnte", lobte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Die hohen Temperaturen in Bahrain könnten aber auch den Silberpfeilen zusetzen, befürchtete Motorsportchef Toto Wolff.