Alonso gewinnt in Barcelona
Von Florian Plavec
Einige der 91.000 Zuschauer wollten einfach nicht nach Hause gehen. Zu erschöpft waren sie. Bei jeder der 66 Runden waren sie aufgesprungen, hatten Ferrari-Fahnen geschwungen und versucht, mit ihrem Geschrei die Motoren zu übertönen.
Glücklich und betrunken blieb eine Gruppe Alonso-Fans noch lange nach dem Rennen auf der Tribüne sitzen. Die spanischen Farben im Gesicht zu einem schmierigen Orange verwischt, die Augen feucht vor Rührung, der Nacken von der Sonne gerötet. Das halb volle, warme Bier stand zwischen den Füßen auf dem Boden.
Sieg mit Ansage
Fernando Alonso hatte es ihnen versprochen. „Ich werde versuchen, meine Fans am Sonntag glücklich zu machen“, hatte der Asturier am Freitag gesagt, und er sollte seine Ankündigung wahr machen. Der 31-Jährige startete von Platz fünf, überholte Vettel, der etwas später zum Reifenwechsel kam, ging nach 14 Runden in Führung und fuhr ein souveränes, fast einsames Rennen. „In der letzten Runde waren die Emotionen sehr groß“, sagte Alonso nach seinem 32. Sieg. „Vor meinem Heimpublikum zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes.“
Das Rennen sei für ihn perfekt gelaufen – und doch erinnerte er sein Team an die gemeinsame Mission: „2010 haben wir den WM-Titel im letzten Rennen verschenkt. Das dürfen wir uns heuer nicht mehr leisten. Wir haben ein Paket in der Hand, das absolut konkurrenzfähig ist.“
Kimi Räikkönen kam als einziger der Top-Fahrer mit nur drei Boxenstopps aus und wurde Zweiter; Ferrari-Mann Felipe Massa startete von Platz neun und belegte Rang drei. Titelverteidiger Sebastian Vettel musste sich gestern mit Rang vier begnügen. In der WM-Wertung bleibt der Red-Bull-Pilot in Führung, doch Räikkönen fehlen nur noch vier Punkte auf den Deutschen, Alonso gerade einmal 17.
Kritik
Vettel hatte sich mehr erwartet, der Deutsche war grantig und übte wieder einmal Kritik an den Pirelli-Reifen. „Der neue harte Reifen war ein Griff ins Klo“, sagte der 25-Jährige. „Ich war ein bisschen angefressen Mitte des Rennens, als ich merkte, dass drei Stopps nicht drin waren, und die Box darauf bestand, dass die Reifen doch länger halten sollen. Als Fahrer kann man da nichts aus der Wundertüte ziehen.“
Sogar Sieger Alonso fand kritische Worte ob der vielen Boxenstopps (insgesamt 82): „Wäre ich ein Zuschauer auf der Tribüne, würde ich mich auch nicht mehr auskennen.“
Die beiden aus der ersten Reihe gestarteten Mercedes-Piloten konnten wie erwartet im Rennen nicht mithalten: Zu reifenfressend ist der Silberpfeil. Nico Rosberg wurde schließlich Sechster, Lewis Hamilton fuhr als Zwölfter aus den Punkterängen. Hoffnung auf ein besseres Abschneiden an einem Rennsonntag darf sich das Werksteam in zwei Wochen machen: Beim Klassiker in Monaco dürften die Reifen länger halten.
Name | Land | Team | Zeit | |
1. | Fernando Alonso | (ESP) | Ferrari | 1:39:16,6 |
2. | Kimi Räikkönen | (FIN) | Lotus | 9,338 |
3. | Felipe Massa | (BRA) | Ferrari | 26,049 |
4. | Sebastian Vettel | (GER) | Red Bull | 38,273 |
5. | Mark Webber | (AUS) | Red Bull | 47,963 |
6. | Nico Rosberg | (GER) | Mercedes | +1:08,020 |
7. | Paul di Resta | (GBR) | Force India | +1:09,988 |
8. | Jenson Button | (GBR) | McLaren | +1:19,506 |
9. | Sergio Perez | (MEX) | McLaren | +1:21,738 |
10. | Daniel Ricciardo | (AUS) | Toro Rosso | +1 Runde |
11. | Esteban Gutierrez | (MEX) | Sauber | +1 Runde |
12. | Lewis Hamilton | (GBR) | Mercedes | +1 Runde |
13. | Adrian Sutil | (GER) | Force India | +1 Runde |
14. | Pastor Maldonado | (VEN) | Williams | +1 Runde |
15. | Nico Hülkenberg | (GER) | Sauber | +1 Runde |
16. | Valtteri Bottas | (FIN) | Williams | +1 Runde |
17. | Charles Pic | (FRA) | Caterham | +1 Runde |
18. | Jules Bianchi | (FRA) | Marussia | +2 Runden |
19. | Max Chilton | (GBR) | Marussia | +2 Runden |
Fernando Alonso hat am Sonntag seinen 32. Formel-1-WM-Lauf gewonnen. Damit ist der 31-jährige Spanier nun die alleinige Nummer vier in der "ewigen" Bestenliste der Fahrer mit den meisten Grand-Prix-Siegen.
Nur Rekordmann Michael Schumacher, Alain Prost und der legendäre Ayrton Senna liegen in dieser Wertung vor dem Ferrari-Star aus Asturien. Von den aktuellen Piloten ist Dreifach-Weltmeister Sebastian Vettel mit 28 Siegen die Nummer zwei hinter Alonso.
Name | Land | S | Aktiv | |
1. | Michael Schumacher | (GER) | 91 | 1991-2012 |
2. | Alain Prost | (FRA) | 51 | 1980-1993 |
3. | Ayrton Senna | (BRA) | 41 | 1984-1994 |
4. | Fernando Alonso | (ESP) | 32 | Seit 2001 |
5. | Nigel Mansell | (GBR) | 31 | 1980-1995 |
6. | Sebastian Vettel | (GER) | 28 | Seit 2007 |
7. | Jackie Stewart | (GBR) | 27 | 1965-1973 |
8. | Niki Lauda | (AUT) | 25 | 1971-1985 |
. | Jim Clark | (GBR)) | 25 | 1960-1968 |
10. | Juan Manuel Fangio | (ARG) | 24 | 1950-1958 |
11. | Nelson Piquet | (BRA) | 23 | 1978-1991 |
12. | Damon Hill | (GBR) | 22 | 1992-1999 |
13. | Lewis Hamilton | (GBR) | 21 | seit 2007 |
14. | Mika Häkkinen | (FIN) | 20 | 1991-2001 |
. | Kimi Räikkönen | (FIN) | 20 | seit 2001 |
Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz musste an der Strecke mitansehen, wie sich die Siegchancen seines Teams in Gummiabrieb auflösten. Der unkontrollierbare Abbau der Reifen ließ am Sonntag im Formel-1-Grand-Prix von Spanien nicht mehr als die Plätze vier und fünf für Weltmeister Sebastian Vettel und Mark Webber zu. Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko erklärte, warum man auch damit gut leben kann.
War in diesem Rennen einfach nicht mehr drinnen?Marko: "Wir haben gewusst, dass wir das Tempo von Ferrari nicht mitgehen können. Wir haben aber nicht erwartet, dass wir so langsam sind - und dabei so viel Reifen brauchen. Wir wollten drei Boxenstopps machen, mussten dann aber auf vier gehen. Wir sind die ganze Zeit nur reifenschonend gefahren. Wir hätten schon mitfahren können, aber dann hätten wir mindestens fünf Stopps gebraucht."
Ist es frustrierend, dass man das volle Potenzial des Autos unter diesen Bedingungen nicht ausschöpfen kann? "Sobald die Reifen angefahren sind, gibt es keinen Speed mehr. Auf einzelne Runden sind wir schnell, aber der Reifen ist so entscheidend. Das überlagert alles."
Üblicherweise ist Barcelona ein Gradmesser für das Kräfteverhältnis in der restlichen Saison. Ist das in diesem Jahr anders? "Ja. Wir haben jetzt fünf Rennen hinter uns und jedes Mal ist es völlig anders gelaufen als erwartet. Es kommt auch auf den Belag der jeweiligen Strecke an - ob es ein Reifenfresser ist oder nicht. Die einzige Konstante ist, dass Kimi Räikkönen oft mit einem Stopp weniger auskommt als der Rest."
Was bedeutet der Ausgang dieses Rennens für die WM? "Wenig, wir sind immer noch vorne. Mit dem vierten und dem fünften Platz können wir leben. Das Tempo von Ferrari hätten die Reifen bei uns nicht mitgemacht. Dafür war der Verschleiß einfach zu groß. In so einem Fall ist Schadensbegrenzung angesagt. Da geht es darum, ins Ziel zu kommen."
Es sieht nach einem Dreikampf zwischen Vettel, Alonso und Räikkönen um den Titel aus. "Wir haben immer gesagt, dass es sich zwischen den Dreien abspielen wird. Wir müssen weiterhin punkten und ins Ziel kommen. Konstanz ist wichtig. Im vergangenen Jahr hat es um diese Zeit nicht so gut ausgesehen. Mitte der Saison sind wir einmal 44 Punkte zurückgelegen - da war die Reifensituation aber auch eine andere."
Sehen Sie den Reifenlieferanten weiterhin in der Pflicht, auf die unzufriedenstellende Situation zu reagieren? "Ich denke schon, dass Pirelli weiterhin arbeiten muss. Das geht aber auch nicht von einem Tag auf den anderen. Pirelli hat auch eine Vorlaufzeit."
Deutschland:
Abendzeitung: "Mal wieder: Vettel schimpft auf die Reifen."
Berliner Morgenpost: "Alonso zurück im Titelkampf."
Bild: "Aufstand gegen Schneckenreifen. Vettel lästert nach Platz 4: 'Ein Griff ins Klo!' Ist das wirklich noch eine Formel-1-WM? Oder nur noch eine Gummi-Meisterschaft?"
Darmstädter Echo: "Alonso strahlt, Vettel ist sauer. Fürs Podium hat es nicht ganz gereicht. Sebastian Vettel wurde in Spanien Vierter. Den Sieg beim Grand Prix in Barcelona schnappte sich Fernando Alonso. Der Druck auf Vettel in der WM-Wertung wächst und der Ärger über die Reifen ebenfalls."
Die Welt: "Wiederauferstehung daheim. Ferrari-Star Alonso gewinnt sein Heimrennen in Barcelona und schöpft neuen Mut im Titelkampf. Vettel wird Vierter, Rosberg trotz Poleposition nur Sechster."
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Schach auf Reifen. Auch beim Heimsieg von Ferrari-Pilot Fernando Alonso beim Großen Preis von Spanien gibt es nur ein Thema: die Pneus."
Frankfurter Rundschau: "Der Stolz Spaniens ist wieder hergestellt. Zumindest für diese eine Sportart, für diesen einen Nachmittag, durch diesen einen Mann: Fernando Alonso holt sich vom fünften Startplatz den Sieg beim Gran Premio de Espana und macht das Titelrennen in der Formel-1-Weltmeisterschaft durch seinen Erfolg vor Kimi Räikkönen (Lotus) und dem Ferrari-Teamkollegen Felipe Massa noch enger."
Hamburger Abendblatt: "Alonso zurück auf der Überholspur. Das Reifenrätsel wird Red Bull bis Monaco begleiten."
Stuttgarter Nachrichten: "Alonso glaubt fest an Titelchance. Vettel und Lauda wettern über die Reifen."
Stuttgarter Zeitung: "Der Samurai kämpft sich zurück. Fernando Alonso gewinnt in Spanien und holt auf. Mercedes enttäuscht dagegen auf ganzer Linie."
Tagesspiegel: "Spanien kann doch noch gewinnen. Zum ersten Mal seit 2006 siegt Fernando Alonso bei seinem Heim-Grand-Prix in Barcelona."
Schweiz:
Blick: "Alonso gewinnt Gummi-Schlacht."
Berner Zeitung: "Alonso sorgt für eine Fiesta. Der Spanier gewinnt vor den Toren Barcelonas den Grand Prix in überzeugender Manier."
Neue Zürcher Zeitung: "Alonso gelingt ein Kunststück. (...) Es gilt als nahezu unmöglich, auf dem Circuit de Catalunya zu gewinnen, ohne in der ersten Startreihe zu stehen. Doch zum Europa-Start der Formel 1 schafft Fernando Alonso beim Großen Preis von Spanien das Kunststück, seinen Ferrari von Startposition fünf aus ganz nach vorn zu fahren und mit seinem zweiten Sieg innerhalb von drei Rennen die Anwartschaft auf eine Wende in der Weltmeisterschaft anzumelden."
Spanien:
El Pais: "Montmelo tanzt im Rhythmus von Fernando Alonso."
El Mundo: "Alonsos Gala-Vorstellung: Ein spektakulärer Start katapultiert den Spanier zum Sieg in Montmelo."
Marca: "Fernando Alonso liefert ein Meisterwerk ab: Nach einem fabelhaften Beginn fährt er den Sieg in souveräner Manier nach Hause."
As: "Endlich funktioniert das Zweigespann Alonso-Ferrari. Die Abstimmung zwischen dem Fahrer und dem Rennstall funktioniert immer besser."
El Mundo Deportivo: "Fernando Alonso herrscht über Barcelona. Der Spanier dominiert das Geschehen, nur Kimi Räikkönen leistet etwas Widerstand."
Italien:
La Gazzetta dello Sport: "Alonso Ole! Fantastisches Ferrari in Montmelo. Fernando dominiert das Rennen, Räikkönen Zweiter, Massa Dritter. Zwei rote Furien: Es sind die Ferrari. Ein denkwürdiger Alonso überholt außen. Fernando triumphiert mit Magie vom fünften Platz."
Tuttosport: "Nennt ihn Fernando, den Matador! Alonso verzaubert und gewinnt den Grand Prix von Spanien. Massa Dritter hinter Räikkönen, Ferrari perfekt."
Corriere dello Sport: "Alonso und Ferrari, ein fabelhafter Sieg. Die Roten dominieren, auch Massa ist auf dem Podium."
Corriere della Sera: "Donnerwetter Alonso! Fernando dominiert den Grand Prix von Spanien. Ein Meisterwerk in der ersten Runde, eine perfekte Strategie."
La Repubblica: "Formel Rot: Ein großartiger Alonso, ein perfektes Team, auch Massa auf dem Podium. Für Ferrari war das ein Sieg in Barcelona, der auch dem Kampf um die Weltmeisterschaft eine neue Wendung gibt."
Frankreich:
Le Parisien: "Alonso triumphiert auf heimatlicher Strecke."
Liberation: "Fernando Alonso hat den Großen Preis von Spanien seit 2006, damals noch mit Renault, nicht mehr gewonnen. Gestern konnte der Spanier den 32. Sieg auf seiner Erfolgsliste verbuchen, dieses Mal mit Ferrari."
Le Figaro: "Formal 1: Rote Furie in Spanien."