Jakob Pöltl: "Ich bin noch lange kein Star"
Jakob Pöltl ist der erste Österreicher in der NBA. Dem KURIER gibt der 21-jährige Wiener Einblick in sein aufregendes Leben bei den Toronto Raptors. "Die NBA ist einfach eine andere Welt: extrem reizvoll, sehr intensiv und ungemein spannend."
KURIER: Waren Sie überrascht, dass Sie so schnell in der NBA Fuß gefasst haben?
Jakob Pöltl: Ich hätte nicht unbedingt damit gerechnet, in den ersten Spielen gleich auf so viel Einsatzzeit zu kommen. Da habe ich zu Beginn auch von Verletzungen meiner Mitspieler profitiert. Klar freuen mich die Punkte, weil es ja meine ersten in der NBA überhaupt waren, aber wichtiger ist, dass ich als Teil der Mannschaft funktioniere und wir als Team erfolgreich Basketball spielen.
Nach dem starken Start waren Sie zuletzt öfter in der Zuschauerrolle. Wie gehen Sie damit um?
Man muss schon Realist bleiben: Erstens bin ich noch in meinen Anfängen, und zweitens spiele ich bei einem absoluten Top-Team, in dem ich mich jeden Tag aufs Neue beweisen muss. Da ist von mir auch viel Geduld gefordert, ich bin noch lange nicht dort, wo mich einige schon sehen.
Was sind denn noch Ihre größten Defizite?
Es gibt gerade auf meiner Center-Position kräftigere Spieler als mich, daran arbeite ich permanent. Während der ersten Saison geht es aber in erster Linie sowieso darum, dass ich mich noch mehr an das NBA-Spiel gewöhne und die sogenannten "kleinen Dinge" immer besser mache – vor allem in der Defense. Ich lerne bei jedem Einsatz Dinge dazu, die man im Training nur schwer simulieren kann. Längerfristig will ich natürlich auch mein Offensiv-Repertoire erweitern, das steht bei meiner derzeitigen Rolle im Team aber nicht im Mittelpunkt.
Was war für Sie eigentlich der aufregendste Moment in den vergangenen Monaten?
Schwer zu sagen. Der Draft und das erste Spiel werden immer unvergessliche Ereignisse bleiben. Beides war aufregend, aber auf unterschiedliche Weise. Beim Draft musste ich sitzen und warten, wer sich für mich entscheidet. Beim Spiel war ich dann selbst in einer aktiveren Rolle. Die ersten Punkte will ich jetzt gar nicht überbewerten, sie werden aber auch in Erinnerung bleiben – es ist sicher ein bisschen befreiend, wenn man den ersten Korb gleich im ersten Spiel erzielt.
Sie führen ein Leben im Zeitraffer. Hatten Sie Zeit, zu realisieren, was alles um Sie passiert ist?
Ich habe natürlich mitbekommen, dass jetzt alles eine andere Dimension hat. Aber ich denke sicher nicht Tag und Nacht darüber nach, dass ich jetzt in der NBA spiele.
Was hat Sie persönlich an der NBA bisher am meisten beeindruckt?
Definitiv, was einige Spieler draufhaben. Da muss ich meinen Kollegen DeMar DeRozan erwähnen, weil ich ihn täglich hautnah miterlebe. In einer Liga mit den besten Spielern der Welt Abend für Abend hervorzustechen, das ist richtig stark. Und natürlich auch Ansporn für junge Spieler wie mich.
Erzählen Sie ein bisschen von Ihrem Alltag in Toronto: Können Sie noch unerkannt durch die Stadt gehen, oder werden Sie oft angesprochen?
Ich falle ja alleine schon wegen meiner Größe auf. Jetzt aber im Ernst: Ich werde schon ab und zu angesprochen, aber es hält sich in Grenzen.
Wagen Sie einmal einen kurzen Blick in die Zukunft: Was muss geschehen, damit Sie sich zum Saisonende zurücklehnen und sagen können: Ich bin voll zufrieden?
Das Wichtigste ist einmal, dass wir dann als Mannschaft auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken können. Und wenn ich mich persönlich kontinuierlich weiterentwickle und die Erwartungen erfüllen kann, die die Trainer in mich setzen, dann werde ich sicher positiv bilanzieren.
NBA-Spieler sind in den USA Superstars und stehen im Mittelpunkt. Wie sieht’s denn mit Groupies oder unmoralischen Angeboten aus?
Weder noch, abgesehen davon bin ich kein Superstar. Mein Weg hat gerade erst begonnen, ich muss hart arbeiten und habe noch eine intensive Lernphase vor mir. Wenn ich erfolgreich Basketball spiele, wird die Aufmerksamkeit um meine Person zunehmen, wobei es mir um die Anerkennung als Sportler geht. Der Rest interessiert mich nicht.
War das Dasein im College manchmal einfacher und angenehmer?
Am College habe ich den Sport mit dem Studium unter einen Hut bekommen müssen, das war nicht immer einfach, aber für meine Entwicklung ungemein wichtig. Jetzt bin ich Profi und spiele in der besten Liga der Welt, das ist eine andere Herausforderung und Dimension, aber deshalb nicht unangenehm, ganz im Gegenteil.
Fühlen Sie sich selbst als Star?
Nein, das wäre auch der falsche Zugang und im höchsten Maße unangebracht. Ja, ich habe mir mit dem Engagement bei den Raptors und dem Einstieg in die NBA einen Traum erfüllt und meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Das ist großartig, aber wie gesagt erst der Anfang. Ich muss mein Spiel verbessern und möchte mich langfristig durchsetzen, das wird nicht einfach und erfordert von mir auch sehr viel harte Arbeit. Nur weil ich gerade einmal ein paar Einsätze in der NBA hatte, bin ich noch lange kein Star.
Wie sieht’s denn mit Heimweh aus? Was geht Ihnen in Nordamerika am meisten ab? Die österreichischen Mehlspeisen vielleicht?
Wenn man weiß, wo, dann kann man auch in Toronto ausgezeichnet essen. Was man hier halt nicht im Supermarktregal findet, das sind dann die hausgemachten Dinge wie zum Beispiel Marmelade. Aber das sind Kleinigkeiten, und generell hält sich bei mir das Heimweh in Grenzen. Zum einen habe ich ohnehin wenig Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen, weil der Terminplan sehr eng ist. Zum anderen habe ich hier in Toronto neben meinen Mitspielern auch schon neue Freunde gefunden. Abgesehen davon bekomme ich immer wieder Besuch aus Österreich.
Sie sind jetzt das dritte Jahr in Nordamerika. Können Sie sich vorstellen, nach der Karriere dort zu bleiben?
Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Und ich hoffe auch, dass sich diese Frage so schnell nicht stellen wird. Ich stehe am Beginn meiner Karriere und lebe im Jetzt.