"Höhere Box-Weihen" für Jungprofi Nader
Von Jonas Müller
Erstmals über zehn Runden zu gehen, bedeutet für einen Profiboxer die höheren Weihen zu erhalten", hat Josef "Joschi" Weidinger einst TV-Legende Sigi Bergmann verraten. Was für Weidinger galt, der sich 1950 vor 35.000 Zuschauern im Praterstadion zum Schwergewichts-Europameister krönte, wird nun auch für Marcos Nader Realität.
Denn über diese Distanz ist der 15. Profikampf des bald 22-jährigen Wieners angesetzt. Am Samstag steigt er in Stuttgart gegen den Syrer Baker Barakat in den Ring. ATV überträgt den Kampf ab 22:20 Uhr, Bergmann kommentiert. Danach folgt live die Schwergewichts-WM zwischen Alexander Powetkin und Marco Huck. Der in 14 Kämpfen ungeschlagene Mittelgewichtler Nader (2 K.o.’s) ist der erste Österreicher seit Edip Sekowitschs EM-Triumph 1989 im Halbmittelgewicht, der Kurs auf einen namhaften Titel nimmt. Bereits Ende des Jahres könnte es um einen der begehrten Gürtel gehen.
Zunächst steht ihm am Samstag allerdings ein harter Test bevor, wie Naders Trainer Otto Ramin vom Team Sauerland verrät: "Für Marcos als junger Boxer ist das echt ein Prüfstein. Er wird sich die Kräfte gut einteilen müssen, um auch in den späten Runden noch Akzente setzen zu können". Der erfahrene Coach verlangt von seinem talentierten Schützling sogar noch mehr und will, "dass er im Kampf nicht verkrampft, weil sonst Explosivität und Schlaghärte verloren gehen. Zuletzt hatten wir da kleinere Probleme."
Ausbildung vs. Erfahrung
Sein 30-jähriger Gegner ist als mehrfacher Weltmeister und nach über 170 Kämpfen im Thai- und Kickboxen 2006 ins "klassische Fach" gewechselt und blickt auch als Boxer schon auf die Erfahrung von über 50 Kämpfen zurück (51 – 36 Siege (24 K.o.) – 11 Niederlagen (5 K.o.) – 4 Unentschieden). Zuletzt schlug er in einem kontroversen Duell mit knappem Ausgang den Armenier Khoren Gevor, der immerhin drei Mal, wenn auch erfolglos, um eine WM boxen durfte.
Nader will gegen den technisch limitierten, aber wild und hart schlagenden Syrer "von Anfang an online sein. Er ist ein Kämpfer, der mit vollem Herzen dabei und vor allem zu Beginn gefährlich ist", weiß der Wiener. Barakat schiebt dem Österreicher die Favoritenrolle zu und überrascht mit einer unerwarteten Aussage. "Ich würde lieber gegen Arthur Abraham boxen. Vor Naders technischem Können habe ich mehr Respekt, denn er wird seit 15 Jahren ausgebildet und auf Titelkämpfe vorbereitet", ließ der in Deutschland lebende Fighter aufhorchen.
Aufbau mit Perspektive
Trainer Ramin meint mit Bestimmtheit, dass Nader "so einen Mann einfach schlagen muss", steigt aber dennoch ein wenig auf die Bremse. "Bei Marcos muss man aufgrund seines Alters keine Hektik machen. Wenn es in der neunten und zehnten Runde einen gewissen Leistungsabfall gibt, dann geben wir ihm noch zwei, drei Kämpfe in dieser Leistungsklasse und diesem Umfang. Warum soll ich einen so jungen Bengel auch drängeln?"
Bei Sauerland wird der Wiener behutsam und mit einer klaren Perspektive aufgebaut. Ramin: "Wir wollen keinen schnellen Erfolg, sondern Marcos ganz zielgerichtet in die europäische Spitze führen. Von mehr rede ich jetzt noch gar nicht. Im Mittelgewicht ist die Leistungsdichte auf Weltniveau wesentlich höher als zum Beispiel im Schwergewicht."