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Hektischer Start in die Tour de France

Anfang Juni in Morzine: Ein angegrauter Herr auf einem Rennrad hält an einem grauen Tag in der französischen Skistation nahe des Genfersees am Straßenrand und steigt ab. "Sagen Sie allen, dass sie Abstand halten sollen, wenn sie Radfahrer überholen. Das ist wichtig." Der drahtige Herr stellt sich als Australier vor, der quer durch die Alpen radelt, ein Botschafter für den Radsport.

Dass er mit seiner – wichtigen – Nachricht durch die Welt fährt, hat einen guten Grund, erzählt er. Denn in seiner Heimat haben die Radler einen schweren Stand, "sie haben bei mir zuhause gerade Millionen dafür ausgegeben, einen Radweg wieder zurückzubauen, damit die Autos mehr Platz haben."

Ob er es geschafft hat, rechtzeitig zur australischen Parlamentswahl am gestrigen Samstag seine Stimme abzugeben, ist ein Geheimnis geblieben – kein Geheimnis hingegen ist, dass auch die 103. Tour de France nach Morzine kommen wird, zur vorletzten Etappe am 23. Juli.

Gut ausgeschlafen

Nicht nur gewählt wurde am Samstag – es wurde auch Rad gefahren, der erste Tag der Frankreich-Rundfahrt führte entlang der Atlantikküste vom Mont-St-Michel zum Utah Beach nahe Sainte-Marie-du-Mont. Kein Prolog wie bei der Österreich-Rundfahrt, sondern eine 188-Kilometer-Etappe.

Die Nacht davor war ruhig, und das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheinen mag: Die Dopingfahnder in Frankreich dürfen neuerdings jederzeit zur Ader lassen und um eine Urinprobe bitten, falls sie einen Verdacht haben.

Zudem hat das Anti-Doping-Labor in Châtenay-Malabry wieder einmal ein neues Verfahren entwickelt, um Sündern auf die Schliche zu kommen – dieses Mal sollen selbst in der Nacht gespritzte Mikrodosen von Erythropoetin (EPO) aufgespürt werden können, was bislang nicht der Fall war. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Das Hormon wird im Körper rasch abgebaut und ließ sich bisher nach kurzer Zeit nicht mehr nachweisen.

Schlecht angefangen

Nachweisen ließ sich hingegen der Wind in der Normandie, mit dem die Fahrer durchaus zu kämpfen hatten. Und das Pech des Spaniers Alberto Contador: 80 Kilometer vor dem Ziel verbremste sich der Spanier in einer Rechtskurve und krachte im hohen Bogen auf einen Fahrbahnteiler aus Beton. Sein defektes Fahrrad konnte der Co-Favorit aus dem Tinkoff-Team wechseln, bei der lädierten rechten Schulter war das nicht möglich, weshalb sich der 34-Jährige vom Tour-Arzt behandeln ließ. Sein zerrissenes Trikot trug er als 85. bis ins Ziel.

Auf historischem Boden am Utah Beach, wo 1944 die Alliierten im Kampf gegen Hitler-Deutschland gelandet sind, feierte schließlich der Brite Mark Cavendish seinen 27. Etappensieg bei der Tour de France – vor dem Deutschen Marcel Kittel und dem Slowaken Peter Sagan. Und damit durfte Bernhard Eisels Freund von der Isle of Man erstmals in seiner Karriere ins Gelbe Trikot des Gesamtführenden schlüpfen.

Am Sonntag geht es am Atlantik weiter, von Saint-Lô nach Cherbourg-en-Cotentin, wer auf einen Massensprint hofft, dem sei ein Blick aufs Höhenprofil empfohlen – die letzten drei der 183 Kilometer geht es nämlich fast nur bergauf, und das mit bis zu 14 Prozent Steigung. Immerhin wird es dann nicht so eng und sturzträchtig.

Live zu verfolgen ist das Ganze auf Eurosport und in der deutschen ARD, beide Sender haben zudem auf ihren Internetseiten umfangreiche Zusatzangebote, so etwa mit den verschiedensten Kameraperspektiven.