Unter türkischen Fußball-Fans
Mittendrin also in der Höhle des Löwen. Mittendrin im roten Fahnenmeer. "Türkiye, Türkiye" schallt es aus Tausenden Kehlen. Und ich mittendrin. Mulmig irgendwie, doch der nette, ruhige, ältere Herr neben mir und die beiden stillen Damen mit Kopftuch vor mir geben dann doch keinen Anlass zur Beunruhigung.
Begonnen hat alles mit einer gemütlichen Busfahrt. In Bad Vöslau, unweit der Moschee, warteten zwei Reisebusse. Organisiert von der "Allianz der Künste". Der niederösterreichische Verein hat sich Vielfalt zum Ziel gesetzt.
Demnach sollten Österreicher und Türken (meist natürlich längst selbst Österreicher oder gar hier geboren) gemeinsam das Match besuchen. Im gemischten Sektor. "Es sind leider kaum Österreicher dabei", sagte Allianz-Gründer Cem Firat vor der Abfahrt. "Die meisten wollten doch eher in den Österreicher-Sektor."
"Weils halt a Gaudi is'"
Schließlich waren es der Burgenländer Horst und ich, die inmitten türkischer Fans die Reise gen Prater antraten. "Weils halt a Gaudi is'", meint Horst.
Ausgelassene Stimmung schon auf der Fahrt. "Wir singen rot, wir singen weiß, wir singen rot-weiß Türkiye". Sehr witzig! Der Chauffeur , der dritte Österreicher im Bunde, beweist, dass ihn nichts aus der Ruhe bringen kann.
Gesungen wurde klarerweise rot geschminkt, mit Türkei-Leiberln ausgestattet und Fahnen schwenkend. Sogar einen Österreich-Schal habe ich gesichtet. "Der bessere soll gewinnen", sagte Murat vor der Fahrt. Auch Derya meinte: "Ich halte zu beiden". Nach dem Motto der verbindenden Reise: "Egal wer verliert, wir gewinnen immer"
Klarer Sieger
Die letzten Meter zu Fuß zum Stadion werden wieder Fangesänge angestimmt, dass die Wände wackeln. Vor dem Match waren die Türken in diesem Punkt klarer Sieger. Wie sagte Cem Firat? "Letztendlich soll es heute um den Spaß gehen. Ich scheiß auf Stolz und Ehre bei einem Fußballspiel."
Naja. Der Stolz der Türken in meinem Sektor ist unüberhörbar. Wie auch das Gegenüber aus Österreich, pfeifen sie die gegnerischen Spieler aus. Da wird gebuht, was das Zeug hält. Und auch der nette, ruhige, ältere Herr neben wir, springt auf einmal auf und droht wild mit der Faust, als ein türkischer Spieler in einem Zweikampf zu Boden geht.
Ganz normale Fußballfans eben.
Die Mischung, die völkerübergreifend nicht wirklich funktionierte, zeigte sich auf anderer Ebene. Vor allem Familien sind aus Bad Vöslau mitgereist. Vom Opa bis zum hübsch aufgeputzten Teenie. Von der Hausfrau bis zum Kleinkind. "Das war gar nicht einfach, für alle einen Sektor zu bekommen", erklärt Firat. "Weil manche verschiedene Staatsbürgerschaften haben." Der Opa Türke, das Enkerl mit dem Halbmond im Gesicht schon Österreicher. Also doch: Österreicher und Türken irgendwie vereint.
Und das Match? "Ein echter Hundskick", analysiert Ersan Palaz.