Müller: "Diese Rapid-Mannschaft ist keine Einheit"
Von Alexander Huber
Von Ried ist Andreas Müller weiter in seine Heimat gereist. In Deutschland verbindet der Rapid-Sportdirektor "Fußball-Angelegenheiten mit Freizeit". Ausdrücklich ausgeschlossen wird nach dem 2:4 die Suche einem Nachfolger von Trainer Mike Büskens. Müller, 53, übt im KURIER-Interview hingegen harte Kritik an den Spielern.
KURIER: Ried war der Tiefpunkt einer Abwärtsbewegung. Welche Schlüsse ziehen Sie?
Andreas Müller: Eine Situation in Ried war sinnbildlich: Nach dem Schlusspfiff haben einige Spieler – manche waren ja gar nicht mehr auf dem Platz – diskutiert, ob sie noch zur Kurve gehen ...
... die Fans hatten den Spielern den Rücken zugedreht ...
Genau. Entweder es gehen dann alle 18 hin oder keiner. Das ging ja schon mit der Sache um Entrup los. Als plötzlich nur 17 vor den Fans standen, als müsste einer versteckt werden. Sind wir eine Mannschaft oder nicht? Wovor haben wir denn Angst?
Wie beurteilen Sie die Situation?
Diese Mannschaft ist keine Einheit. Sie ist in sich brüchig, sie vertraut sich selbst nicht. Zu Hause kaschieren wir das noch mit der großartigen Unterstützung von 20.000 Fans, und weil die Gegner beeindruckt sind. Aber diese fehlende Einheit spüre ich. Das zieht sich durch den gesamten Verein. Es wird eher über einzelne Namen diskutiert als darüber, wie wir den Verein besser machen.
Das sind harte Vorwürfe.
Ja. Ich bekomme immer wieder versteckte Sachen mit. Es muss aber offen und ehrlich diskutiert werden. Es ist zu viel im Umlauf, das belastet. Denn die Qualität des Kaders ist in der Breite und in der Höhe sehr, sehr gut.
Was meinen Sie konkret?
Los ging es mit der Sache Entrup, jetzt wird dauernd über Sonnleitner diskutiert.
Wenn der Vizekapitän ohne einzigen Einsatz dauerhaft auf die Tribüne verbannt wird, sind Diskussionen aber logisch.
Schösswendter hat bessere Leistungen gebracht als Sonnleitner. Das ist klar, und das sagt sogar Mario selbst so.
Aber Sonnleitner trainiert laut Büskens gut. Also könnte er auf der Ersatzbank sitzen, weil Max Hofmann bisher eine enttäuschende Saison spielt.
Ja, das habe ich auch mit Büskens besprochen. Aber wir verlieren auswärts nicht, weil Sonni auf der Bank sitzt oder nicht. Es wird viel in der Kabine diskutiert, zu wenig über eigene Leistungen.
Die Mannschaft war ja lange eine Einheit. Was ist da passiert?
Jetzt tritt offen zutage, was lange unterschwellig vorhanden war. Wir haben im Sommer Dinge verändert, um den fehlenden Schritt zu schaffen. Um klar zu sagen: Wir streben den Titel an. Der neue Trainer kommt von außen, sieht das auch so, spricht alles klar und immer ehrlich an. Aber jetzt geht’s um persönliche Eitelkeiten. Da werden Einzelinteressen über das Wohl des Vereins gestellt.
Falls Sie da die Diskussionen um Steffen Hofmann meinen: Das darf Sie nicht überraschen, wenn der langjährige Kapitän davorsteht, Rekordspieler zu werden, und der Eindruck entsteht, der Trainer würde ihn nicht ausreichend schätzen.
Ich kann versichern, dass der Trainer den Kapitän sehr schätzt. Aber Steff war lange verletzt und ist es jetzt erneut. Mir geht es um das Gesamte: Ich war bei der Match-Besprechung in Ried dabei. Das war eine sehr gute Ansprache, zuvor gab es eine Top-Vorbereitung mit Videos. Dann noch ein Motivationsvideo. Da muss ich doch brennen. Dann starten sie mit 25 Minuten, als würden alle schlafen. Ich versteh’s nicht!
Können Sie sich vorstellen, dass einige Spieler mit der Art des Trainers nicht zurechtkommen und zumindest unterbewusst gegen ihn spielen?
Nein. Es wäre für mich völliger Quatsch, nach zehn Runden über den Trainer zu diskutieren. Mit der berechtigten Kritik an den Leistungen müssen wir leben, aber das wird mich nicht hindern, Mike zu 100 Prozent zu vertrauen. Es ist richtig, dass er eine andere Art hat, die Spieler anzupacken: sehr gerade und direkt. Vielleicht verstehen das manche noch nicht, Vertrauen braucht ja Zeit. Aber viele Spieler träumen ja von der großen Bühne. Da muss ich mich schon so motivieren können, dass ich konstant mein Niveau abrufe.
Es gab an Barisic den Vorwurf, immer sein 4-2-3-1 zu spielen. Sie stellten den Kader so zusammen, dass viele Varianten möglich wären. Warum wird nicht mit zwei Stürmern, einem Sechser oder Dreierkette gestartet?
Das war von Anfang an ein Thema, ist sich aber zeitlich nicht ausgegangen. Weil sich Jelic verletzt hat und Kvilitaia sehr spät kam. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir mehr Lösungen bieten. Aber als es lief, wurde auf das bewährte System und Personal gebaut. Jetzt ist der große Dämpfer da. Nach nur zwei Monaten kann jedenfalls keiner überspielt sein.
Wie können Sie Trainer Büskens jetzt konkret helfen?
Wir brauchen Teamspirit. Die Ziele des Vereins müssen über persönlichen Befindlichkeiten stehen. Wenn in einer Woche alle von ihren Nationalteams zurück sind, muss offen geredet werden. Ob in einer großen Aussprache oder in Einzelgesprächen, wird noch geklärt.