"Ronaldo wäre auf dem Mond gut aufgehoben"
Physik und Fußball: Eine Kombination, die weder auf Universitäten noch bei Fußballer-Seminaren bisher Aufnahme gefunden hat. Im KURIER-Interview erklärt Professor Heinz Oberhummer, früher Universitätsprofessor für Theoretische Physik am Atominstitut der Technischen Universität Wien, dass beide Fachbereiche viel miteinander zu tun haben. Der Hobby-Kabarettist der Formation Science Busters nimmt die Kombination aber nicht immer ernst.
KURIER: Oft wird gesagt, dass Fußball in Höhenlagen wie in La Paz ein anderer Sport ist.
Heinz Oberhummer: Richtig. Durch die geringe Luftdichte fliegen die Bälle viel weiter. In größeren Höhen wird die Luft immer dünner. Auf dem Mond, müssen Sie sich vorstellen, fliegt wegen der geringeren Schwerkraft ein Tormann-Ausschuss, der auf der Erde im Normalfall 70 Meter erreicht, einen halben Kilometer weit. Je geringer die Schwerkraft, desto höher kann man auch springen, was ja vor allem das Kopfballspiel begünstigt.
Heißt das, dass britische Mannschaften prädestiniert sind für das Spiel auf dem Mond?
Ja. Oder Cristiano Ronaldo, der kann auch sehr hoch springen. Der wäre auf dem Mond gut aufgehoben.
Wenn auf der Erde keine („Welt“-)Rekorde mehr gelingen, könnten die Stabhochspringer doch auf den Mond auswandern?
Oder auf den Mars. Noch besser wäre ein Asteroid, also ein Gesteinsbrocken im Weltall, wegen der noch viel geringeren Schwerkraft. Nur muss man auf eines aufpassen: Fliegt man zu weit, kann man ins Weltall entschwinden. Denn man darf die Fluchtgeschwindigkeit nicht überschreiten. Auf der Erde sind das etwa 40.000 Kilometer pro Stunde, aber auf dem Mond nur noch 6000 km/h – und auf dem Mars-Mond Phobos (Anm.: natürlicher Satellit des Planeten Mars) etwas mehr als 40 km/h.
Da muss ich ausholen. Im Durchschnitt fallen drei Tore in einem Spiel. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine halb so starke Mannschaft gegen eine gute gewinnt, beträgt immerhin 25 Prozent. Und immer noch zehn Prozent, wenn die Mannschaft vier Mal so schlecht ist wie die andere. Beim Fußball muss man auch berücksichtigen, dass jeder Spieler drei Sekunden Zeit hat, um den Ball anzunehmen und weiterzuspielen, und der Gegner ebenfalls drei Sekunden, um an ihn heranzukommen und ihn dabei zu stören.
War das auch in den 1970er-Jahren so? Spiele von damals wirken heute fast wie Zeitlupe ...
Das Spiel ist viel athletischer geworden, früher hatten die Spieler viel mehr Zeit, um den Ball anzunehmen und ihn weiterzuspielen. Heute ist es interessanter. Weil das Prinzip Zufall gerade im Fußball eine wichtige Rolle spielt.
Also entstehen Sieger zufällig?
Jeder hat über die Wiener Austria geschimpft, weil sie das Cup-Finale gegen Pasching verloren hat. Aber sie kann nichts dafür! Weil es eben den Zufall gibt, das muss man den Journalisten erklären. Der Trainer und die Fußballspieler können oft gar nichts dafür, wenn stärkere Mannschaften verlieren.
Und wie sieht es mit dem Faktor Zufall in anderen Sportarten aus?
Im Handball fallen rund 60 Tore im Spiel, die Möglichkeit, dass das schwächere Team gewinnt, ist so gut wie ausgeschlossen. Bei einem Golfturnier braucht man rund 60, 70 Schläge pro Runde, auch da gewinnen die Besten. Im Tennis ist es anders, weil nach einem Game ein neues folgt, der schwächere Spieler hat dadurch immer eine neue Chance. Würde man beim Fußball die Tore größer machen, würden mehr Tore fallen, und dann ...?
Dann hätten die schlechteren Teams weniger Chancen?
Richtig, genau richtig. Und dann wird’s fad. Das Tolle am Fußball ist ja, dass die Tore und das Spielfeld genau die perfekte Größe haben und die Spielerzahl ebenso perfekt stimmt. Und das haben die Erfinder schon im frühen 19. Jahrhundert gewusst.
Und wenn ein Team einen Spieler weniger auf dem Platz hat, weil sich einer den Zorn des Schiedsrichters zugezogen hat?
Wenn sich also die Zahl der Spieler um einen Spieler, das heißt um zehn Prozent verringert, dann müssen die verbleibenden Feldspieler nur um jeweils fünf Prozent schneller rennen, um das Spielfeld genauso wie vorher abzudecken.
Apropos Schiedsrichter und Linienrichter: Kann eine Abseitsstellung eine optische Täuschung sein?
Ja, ein Linienrichter muss irrsinnig reaktionsschnell sein, den abspielenden Spieler, den Ball und den annehmenden Spieler beobachten, was praktisch nicht durchführbar ist. Weil es ja fast unmöglich ist, dass er stets auf der genau richtigen Höhe ist, kann es leicht zu optischen Täuschungen kommen.
Täuschungen können oft auch Flanken und Schüsse hervorrufen. So fand auch die Banane in Form einer Flanke Aufnahme in das Fußball-ABC. Kann man diese erklären?
Dabei touchiert der ausführende Fuß mit seiner Innenseite den Ball an dessen Außenseite und sorgt so für eine seitliche Rotation. Dadurch entsteht eine gekrümmte Flugbahn, weil auf der Innenseite dieser Flugbahn ein Unterdruck erzeugt wird. Der Ball wird auf etwa 100 km/h beschleunigt und dreht sich ungefähr acht Mal pro Sekunde um die eigene Achse.
Hat ein Tormann eigentlich eine Chance beim Elfmeter?
Wenn der Schütze mit 70 km/h in eine Ecke schießt, kaum. Der Ball ist ja nur eine halbe Sekunde unterwegs, und die menschliche Reaktionszeit allein beträgt schon 0,2 Sekunden.
So ein Elfmeter gegen die eigene Mannschaft kann die Fans wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen. Wie groß ist die Gefahr eigentlich, dass ein richtiger Blitz einschlägt?
Allgemein ist die Wahrscheinlichkeit, in Österreich von einem Blitz getötet zu werden, ziemlich gering. 2012 gab es insgesamt nur drei Todesopfer, im Vergleich dazu zum Beispiel 14 Todesfälle durch Lawinen. Blitzeinschläge auf Fußballplätzen mit Verletzten kommen ziemlich selten vor. Im Schnitt gibt es etwa einen Verletzter pro Jahr in Österreich. Ein Todesopfer durch Blitzeinschlag beim Fußball ist im Mittel in Österreich nur etwa alle 15 Jahre zu beklagen.
Aber so ganz ohne ist es trotzdem nicht unter freiem Himmel bei einem Gewitter.
Stimmt. Wenn zwischen Blitz und Donner 30 Sekunden vergehen, der Blitz ist dann etwa zehn Kilometer weit weg, sollten sich die Fußballer in Sicherheit bringen. Kicker, die sich auf dem Rasen befinden, sind bei einem Gewitter aber um ein Vielfaches gefährdeter als Besucher auf den Tribünen.
Und wenn man unter einem Flutlichtmast steht? Der Blitz sucht sich ja immer den kürzesten Weg zum Boden ...
Flutlichtmasten wirken wie Blitzableiter und können den Strom in den Boden und damit auch aufs Spielfeld leiten. Ob das Flutlicht eingeschaltet ist oder nicht, ist dabei gleichgültig. Aber es stimmt: Blitzeinschläge mit Verletzten auf einem Fußballplatz sind in etwa einem Drittel der Fälle auf die Stromleitung über Flutlichtmasten in den Boden zurückzuführen.
Und wie sieht’s bei Wasserballern oder Synchronschwimmern aus?
Die sind in etwa gleich gefährdet wie Fußballer! Die Leiteigenschaften von Strom in Schwimmbädern oder in nassem Boden sind nicht so unterschiedlich. Auch hier sollte man einen sicheren Platz suchen, wenn weniger als 30 Sekunden zwischen Blitz und Donner liegen.
Abschlussfrage: Gibt es eigentlich in islamischen Staaten ein Kreuzeck?
Nein, aber bei uns auch nicht mehr. Früher gab es das, weil die Stange und der Querbalken über die Ecke hinausgestanden sind, mittlerweile ist es nur noch ein Eck. Hier – und auch in islamischen Staaten.
Heinz Oberhummer (*19. Mai 1941 in Bischofshofen) war Universitätsprofessor für Theoretische Physik am Atominstitut der Technischen Universität Wien. Hauptforschungsgebiet waren Prozesse der Nukleosynthese.
Ein großes Anliegen ist ihm die Popularisierung wissenschaftlicher Inhalte. Seit 2007 ist Oberhummer mit dem Physiker Werner Gruber und dem Kabarettisten Martin Puntigam Mitglied des Wissenschaftskabaretts Science Busters.