Sport/Fußball

Frauen-EM: Das Sommermärchen im Rückblick

Man mag Dominik Thalhammer nicht widersprechen. "Es ist schon gewaltig, was bewegt worden ist", sagte der Teamchef des österreichischen Frauen-Nationalteams nach der Halbfinalniederlage seiner Mannschaft gegen Dänemark. Die Euphorie, die dem Nationalteam in seiner Heimat entgegengebracht wurde, stellte einen Meilenstein in der Geschichte des österreichischen Frauenfußballs dar. 12.000 Zuseher sahen das Spiel gegen die Däninnen live beim Public Viewing am Rathausplatz - kaum weniger als bei der ersten EM-Partie des Herren-Nationalteams gegen Ungarn vor einem Jahr: Damals waren 13.400 Zuschauer zugegen gewesen.

Dabei hatte ÖFB-Sportdirektor Willibald Ruttensteiner vor dem Turnier noch verlautbart, dass jeder Punktgewinn eine Sensation wäre. Bei einem Punktgewinn sollte es nicht bleiben: Ganze sieben Zähler sammelte die Nationalmannschaft während der Gruppenphase, mit zwei Siegen und einem Unentschieden übertraf das Team alle Erwartungen. Eine Sensationsmannschaft war geboren.

Auftaktsieg gegen die Schweiz

"Wir wollen den österreichischen Fußball, insbesondere den Frauenfußball, gut vertreten", sagte Thalhammer vor dem Premierespiel der Österreicherinnen gegen die Schweiz - ein Unterfangen, dass dem Team ohne Zweifel gelang: Ohne die von einer Knieverletzung genesene Kapitänin Viktoria Schnaderbeck starteten die ÖFB-Frauen in ihre erste Partie bei einem Großereignis. Nach etwas mehr als einer Viertelstunde begann die Sensation ihren Lauf zu nehmen: Nina Burger erzielte nach Vorarbeit von Laura Feiersinger und Sarah Zadrazil das 1:0.

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Den Österreicherinnen gelang es, die Führung zu halten - zum ersten Mal gewann eine österreichische Nationalmannschaft bei einer Europameisterschaft eine Partie. Dem Herren-Team waren bei seinen zwei Antritten in den Jahren 2008 und 2016 jeweils nur ein Unentschieden gelungen. Die oft angesprochene Locker- und Unbekümmertheit der Österreicherinnen zeigte sich bereits an diesem Tag - unter Anderem in der unprätentiösen Art, wie Torschützin Burger ihren entscheidenen Treffer zum 1:0 kommentierte: "Ich habe hingeschaut, wo die Torfrau steht, und dort nicht hingeschossen."

Österreich schockt den Favoriten

Vor der zweiten Partie gegen den überlegenen Favoriten Frankreich, der sämtliche EM-Qualifikationsspiele zu null gewonnen hatte, versuchten Thalhammer und Burger, die Erwartungen im Zaum zu halten: Ersterer nannte die Französinnen im Vergleich mit der Schweiz "spielerisch noch einmal zwei Stufen höher", Letztere bezeichnete den Gegner als "harten Brocken".

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Diesen "harten Brocken" konnten die Österreicherinnen schon nach kurzer Zeit in Verlegenheit bringen: Nach 27 Spielminuten erzielte Lisa Makas nach einem Einwurf von Verena Auschauer das 1:0 - der Favorit war geschockt, musste handeln. Und die Reaktion folgte - Amaldine Henry glich kurz nach Wiederanpfiff aus. Es folgte ein französischer Sturmlauf, aber Österreich hielt stand und brachte das 1:1 über die Zeit. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Island war der Aufstieg plötzlich in greifbarer Nähe.

Galaauftritt gegen Island

Das dritte Spiel der Gruppenphase war für Österreich schon beinahe ein Schaulaufen. Ein Punkt genügte, um beim erstmaligen EM-Antritt ins Viertelfinale einzuziehen. Und die Österreicherinnen starteten erfolgreich in die Begegnung - nach einem Patzer der isländischen Torfrau stand Sarah Zadrazil genau richtig, schob den Ball zum 1:0 in die Maschen. Nina Burger doppelte noch vor der Pause nach, einen Eckball von Sarah Puntigam drückte sie im Getümmel per Kopf über die Linie.

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In der zweiten Halbzeit versuchte Island alles, um nicht ohne Punkte von der EM nach Hause zu fahren. Aber die Österreicherinnen blieben die gefährlichere Mannschaft, und in den Schlussminuten erzielte die eingewechselte Stefanie Enzinger noch das 3:0. Weil Frankreich und die Schweiz sich zugleich mit 1:1 trennten, stand Österreich als Gruppensieger im Viertelfinale. Die Sensation war perfekt.

Viertelfinal-Krimi gegen Spanien

Im Viertelfinale lauerte mit Spanien eine Weltklassemannschaft. Aber die favorisierten Spanierinnen spürten den Druck - die Österreicherinnen gingen befreit und voller Vorfreude in die Partie. Das zeigte sich über 90 Minuten - die Spanierinnen waren bemüht, aber Österreich lauerte auf Konter und ließ in der Defensive wenig zu. Schmerzlich war der Ausfall von Lisa Makas - die Angreiferin erlitt ohne Fremdeinwirkung einen Kreuzbandriss. Sie hatte gerade erst eine 18-monatige Verletzungspause hinter sich.

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So ging es im ersten K.O.-Spiel der ÖFB-Frauen gleich in die Verlängerung. Auch nach 120 Minuten blieb die Partie torlos, und so ging es für die Österreicherinnen ins Elfmeterschießen. Was folgte, war eine der Szenen des Turniers: Lachend, scherzend, völlig befreit traten die ÖFB-Damen an - und zeigten ihre Nervenstärke. Alle fünf ÖFB-Schützinnen trafen souverän - weil Manuela Zinsberger gegen Silvia Meseguer parierte und Sarah Puntigam ihren entscheidenden Elfmeter verwandelte, stand Österreich im Halbfinale.

Im Halbfinale fehlt das Glück

Die Sensation des Turniers - im Halbfinale trifft Debütant Österreich auf Deutschland-Bezwinger Dänemark. Und es war das erwartet schwere Spiel. Die Däninnen hielten - als erste Mannschaft im Turnier - dem österreichischen Pressing nicht nur stand, sie antworteten sogar mit noch mehr Druck. Und trotzdem hatte Österreich nach nur zwölf Minuten die große Chance. Nach einem Handspiel im Strafraum entschied die Schiedsrichterin auf Elfmeter für Österreich.

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Puntigam, die noch im Viertelfinale den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte, schoss den Ball über das Tor. Und von diesem Punkt an wirkte Österreich unsicher. Dass dann auch noch Nicole Billa verletzt ausgetauscht werden musste, half der Mentalität nicht. Nach 90 wie auch nach 120 Minuten hielt vor allem eine stark aufspielende Manuela Zinsberger hinten die Null - und es ging erneut ins Elfmeterschießen.

Hier machte sich die Erfahrung der Däninnen dann doch bemerkbar. Laura Feiersinger, Verena Aschauer und Viktoria Pinther verschießen - auch, dass Zinsberger einen Strafstoß hält, hilft hier nicht mehr. Mit 3:0 setzen sich die Däninnen im Elfmeterschießen durch - das österreichische Sommermärchen war zu Ende.

Die Enttäuschung sitzt tief

"Es überwiegt die Enttäuschung, denn so oft hat man nicht die Chance, dass man in ein Finale einzieht", gestand Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil. Von Burger war Ähnliches zu hören: "Es war kein übermächtiger Gegner, es ist bitter, dass es so knapp war, das macht es noch schlimmer." Eines war aber für beide klar, die EM könne man erhobenen Hauptes verlassen. So schwer die Enttäuschung auch wog - der Stolz wog schwerer.

"Das war ein historischer Erfolg heute", sagte Dominik Thalhammer nach dem ersten Spiel des Nationalteams gegen die Schweiz. Nach dem letzten Match der Österreicherinnen gegen Dänemark verkündete er: "Was jede Einzelne hier geleistet hat, das war phänomenal. Da muss man stolz sein." Auch hier mag man ihm nicht widersprechen.