Sport/Fußball

Aus der Übergangslösung wurde eine Allzeitgröße

Nachdem der Türke Muhsin Ertugral seinen Job als Mattersburg-Trainer verloren hatte, durfte sich Ende 2004 dessen Assistent Franz Lederer auf die Bank setzen. Aus der Übergangslösung im Burgenland ist ein österreichisches Erfolgsmodell geworden. Nicht nur, weil damals Frenkie Schinkels, Favorit von Mattersburg-Boss Pucher, kalte Füße bekommen hat und bei der Austria als Scout angefangen hat. Unter Lederer hat Mattersburg acht Mal den Ligaerhalt geschafft, stand zwei Mal im Cupfinale und spielte zwei Mal im Europacup.

KURIER: Wenn man Ihnen Ende 2004 gesagt hätte, dass Sie einmal Rekordhalter werden, was hätten Sie geantwortet?
Franz Lederer:
Was ich hätte ich sagen sollen? Das war damals absolut unvorstellbar.

Wie sehen Sie die Situation von damals aus heutiger Sicht?
Alles ist sehr schnell gegangen. Ich habe kurz überlegt und mich gefreut. Ich war stolz, dass ich das in meiner Heimat machen durfte. Aber meine Welt hat sich dadurch nicht verändert.

Auch nicht für Ihre Kinder?
2004 war meine Tochter elf Jahre alt, jetzt wird sie 20. Wenn diese Zeit eine Schattenseite hat, dann dass man den Kindern nicht die größte Aufmerksamkeit schenken konnte.

Was ist noch intensiv an der Tätigkeit in Mattersburg?
Dass es mein Verein ist. Hier habe ich gespielt, hier bin ich aufgewachsen. Da geht dir alles noch mehr nahe.

Ist der Trainerjob aufreibend und anstrengend?
Sechs Mal in der Woche eineinhalb Stunden Training und ein Spiel – manche glauben, das war’s für den Trainer. Aber es steckt viel mehr hinter diesem Job. Man braucht immer Kraft. Die Mannschaft spürt, wenn du leer bist.

Alle Inhalte anzeigen

Wie kommt man von dem Level herunter?
24 Stunden Fußball hält man nicht auf Dauer aus. Dem Körper und der Psyche wird sehr viel abverlangt. Da ist es wichtig, dass man Rituale und Momente für sich findet, damit man nicht ganze Zeit auf 100 ist.

Die Verjüngung der Liga macht auch vor den Trainern nicht halt.
Das stimmt. 2004 war ich im Vergleich zu Hickersberger oder Trapattoni ein Bub. Jetzt bin ich der Älteste. Das muss mit 49 eigentlich nicht sein.

Was hat sich in Ihrem Trainer-Dasein verändert?
Durch die ganze Technik wie Handykameras wird alles viel transparenter. Zum Glück ist das in Mattersburg aber noch viel überschaubarer als anderswo.

Ist Mattersburg eine geschützte Werkstatt?
Ich rede mich da leicht, aber normalerweise ist der Trainer immer der Erste, der zur Disposition steht. Bei Misserfolgen gibt es natürlich einen Druck der Öffentlichkeit und der Medien.

Alle Inhalte anzeigen
Wie merkt man den Druck der Fans in Mattersburg?
Wenn meine Tochter in der Schule etwas aufgeschnappt hat, wie über mich geredet wird, dann habe ich ihr gesagt: „Lass sie reden, das sind doch Neider.“ In unserer kleinen Liga hörst du dann auch im Stadion den Unmut, wenn es nicht läuft. Bei Dortmund zum Beispiel ist das anders, da wird der Trainer nicht hören, wenn ein Fans schreit: „Kloppo, tausch amol.“

Wie groß ist der Druck wegen eines starken Klubchefs?
Der SV Mattersburg ist das Lebenswerk von Martin Pucher. Die Philosophie, die Werte, die Leitbilder des Vereins – davon bin auch ich überzeugt. Und es ist ja nicht so, dass andere Trainer keine Rücksicht auf die Vereinspolitik nehmen müssen. Oder das auch wollen.

Wann würden Sie gehen?
Bevor du die große Rechnung bekommst, weil dein Körper die Belastung nicht mehr schafft. Oder wenn ich der Meinung bin, dass die Mannschaft aus dem Ruder läuft.

Würde Sie auch ein Trainerjob bei einem Bundesligaklub, der nicht Mattersburg heißt, interessieren?
Ich glaube nicht, dass ich auf der Mattersburger Bank in Pension gehen werde. Aber ich muss es mir nicht beweisen, dass ich den Job auch woanders ausüben kann.

Alle Inhalte anzeigen
Privatier

Franz Lederer wird am 25. November 50 Jahre alt. Der verheiratete Vater einer Tochter und eines Sohnes stammt aus Mattersburg, wo er auch als Postler arbeitete. Erst nach ein paar Jahren als verantwortlicher Coach der Profis endete seine Karenz, seither ist er hauptamtlich Fußball-Trainer.

Fußballer

Franz Lederer spielte im Mittelfeld von Mattersburg bis hinauf in die Regionalliga Ost. Danach begann er als Trainer zu arbeiten, unter anderem in Marz und Wiesen. Nach dem Aufstieg in die Erste Liga kam er als Co-Trainer zum Bundesligateam. Seit 20. November 2004 ist er Cheftrainer.

Österreichischer Rekordler

Ivica Osim coachte zwischen 1994 und 2002 Sturm Graz in 297 Bundesligaspielen. So lange war noch nie ein Trainer bei einem Klub. Franz Lederer stellt am Sonntag den Rekord ein, er ist seit 20. November 2004 im Amt, im internationalen Vergleich aber nur Kurzarbeiter.

Alex Ferguson ist seit 6. November 1986 bei Manchester United.

Ronnie McFall ist seit 1. Jänner 1987 bei Portadown.

Jomo Sono ist seit 1. Juli 1994 bei Jomo Cosmos.

Arsene Wenger ist seit 30. September 1996 bei Arsenal.

David Jeffrey ist seit 4. Jänner 1997 bei Linfield.

Thomas Schaaf ist seit 9. Mai 1999 bei Bremen.

Marbella hatte neun Trainer in einer Saison

Verschleiß Atletico Marbella aus Spanien verbrauchte in der Saison 1994/95 neun Trainer und stieg trotzdem in die dritte Leistungsstufe ab.

Mehr als 40 Jahre auf der Trainerbank

Rekordmänner Fred Everiss war vom 1. August 1902 bis 31. Mai 1948 in 1520 Spielen Trainer von West Bromwich. Er kümmerte sich in diesen 46 Jahren aber auch um administrative Angelegenheiten. Der englische Klub führte erst nach seinem Abgang offiziell den Job des Trainers ein. Guy Roux kam 1957 zu Auxerre, wurde 1961 Trainer der ersten Mannschaft. 2005 verabschiedete er sich nach 44 Jahren. Insgesamt kam er auf mehr als 2000 Spiele als Auxerre-Trainer.

Ein Trainer machte auf 55 Stationen halt

Weltenbummler Der Deutsche Rudi Gutenberg (86 Jahre) machte zwischen 1946 und 2003 weltweit auf 55 Trainerstationen halt.

Für zehn Minuten auf der Trainerbank

Minusmann Leroy Rosenior wurde am 21. Mai 2007 als Trainer des englischen Fünftligisten Torquay United vorgestellt. Um 15.40 Uhr gab der Klubchef bekannt, dass er die Mehrheit verkauft habe. Dem neuen Besitzer passte der Trainer nicht, der dazu meinte: „Ich denke, ich habe in den zehn Minuten einen guten Job gemacht.“

Ein Trainer hörte elf Mal vorzeitig auf

Rekordflieger Peter Neururer stand bei 13 Profivereinen auf der Lohnliste. Mit elf von ihnen beendete er das Arbeitsverhältnis „in beiderseitigem Einvernehmen“ vorzeitig. Der 57-jährige Deutsche erlitt 2012 einen Herzinfarkt, arbeitet derzeit als Spielerberater, will aber wieder Trainer werden.

Ein Trainer flog nach der 37. Verwarnung

Geduldsprobe Imraan Ladak, Chef von Kettering Town aus der sechsthöchsten englischen Spielklasse, feuerte am 5. Dezember 2005 Paul Gascoigne nach protokollierten 37 Zwischenfällen. Gascoigne war nur 39 Tage lang Trainer gewesen.