Alaba: "Beste Erfahrung meiner Karriere"
David Alaba ist am Mittwoch auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Laufbahn angekommen. Österreichs Fußballer des Jahres schaffte mit dem FC Bayern München durch einen 3:0-Auswärtssieg gegen den FC Barcelona den Einzug ins Champions-League-Finale am 25. Mai im Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund - und zwar auf eine derart eindrucksvolle Art und Weise, dass selbst der ansonsten zurückhaltende Wiener vor Euphorie sprühte.
"Das war die beste Erfahrung meiner Karriere", schwärmte der Linksverteidiger nach seinem Auftritt vor knapp 96.000 Zuschauern im größten Fußball-Stadion Europas. "Wenn man als 20-Jähriger in ein Champions-League-Finale einzieht, ist das ein Wahnsinn. Da geht ein Traum in Erfüllung."
Eine Instinkt-Handlung
Alaba hatte maßgeblichen Anteil an der höchsten Champions-League-Heimniederlage Barcelonas seit dem 0:4 gegen Dynamo Kiew im November 1997. Mit einem Traumpass über 65 Meter auf Arjen Robben bereitete der ÖFB-Internationale das entscheidende 1:0 der Bayern mustergültig vor.
Mit dem 1:0 im Rücken dominierten die Bayern nach Belieben und ließen die überragende Klubmannschaft der vergangenen Jahre wie ein Relikt aus alter Zeit aussehen. Von einer Wachablöse an der Spitze des Weltfußballs wollte Alaba dennoch nicht sprechen. "Das würde ich nicht sagen. Barcelona hat in den letzten Jahren herausragende Leistungen gebracht und ist nach wie vor eine Top-Mannschaft."
Laut Alaba war der Aufstieg gegen die Katalanen nicht so leicht, wie der Gesamtscore von 7:0 vermuten ließe. "Es war alles andere als einfach. Barcelona hat von Beginn an versucht zu drücken, aber wir haben gut dagegengehalten. Wichtig war, am Ball ruhig zu bleiben und den Ball zu halten, und das ist uns oft gelungen."
Kein Favorit im Finale
Trotz der beiden glanzvollen Auftritte gegen Barca stehen laut Alaba die Chancen auf einen Endspiel-Sieg gegen Dortmund bei 50:50. "In einem Champions-League-Finale gibt es keinen Favoriten. Es wird ein spannendes Spiel."
Zum dritten Mal innerhalb der jüngten vier Saisonen stehen die Bayern im Finale der Königsklasse, und diesmal darf Alaba endlich mitwirken. 2010 beim 0:2 gegen Inter Mailand schaffte es der damals 17-Jährige nicht in den Kader, im Vorjahr fehlte er bei der Niederlage im "Finale dahoam" gegen Chelsea wegen einer Gelb-Sperre.
Im kommenden Endspiel könnte ihm nur noch eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung machen. "Aber darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich fühle mich gut und bin topfit." Er werde auch in den ausstehenden Liga-Partien die Zweikämpfe mit vollem Einsatz bestreiten, versprach Alaba. "Denn wenn man zurückzieht, passiert vielleicht sogar noch mehr."
Lob von den Medien
"Der 20-jährige bei seiner Camp-Nou-Premiere ohne den Anflug von Nervosität: Fand – gemeinsam mit Ribery – immer die richtige Lösung, um sich aus brenzligen Situationen zu lösen. Machte im ganzen Spiel nicht einen einzigen Fehler und bereitete dann auch noch perfekt Robbens 1:0 vor", schrieb die tz.
Die Abendzeitung bedachte Alaba mit einem Zweier. "Wie bitte kann man mit 20 so unglaublich abgezockt sein? Der darf mal gerade zwei Jahre Auto fahren! Der Österreicher ist eine Wucht."
Lob und eine Prise Ironie gab es von der Süddeutschen. "Erhielt selbst vom Heim-Publikum bisweilen anerkennenden Applaus für seine Verteidigungsarbeit. Wurde dabei allerdings tatkräftig von seinem Linksverteidiger-Azubi Franck Ribery unterstützt. Herausragender Seitenwechsel vor Robbens 1:0, der ihn locker für den Titel 'Fußballer des Jahres' in Österreich qualifizieren müsste. Und natürlich für einen weiteren Titel, zum Beispiel den in der Champions League."
Etwas zurückhaltender zeigte sich lediglich die Bild-Zeitung mit der Note drei für Alaba. "Hatte einige Ungenauigkeiten in seinem Spiel. Kann sich noch steigern."
Teamchef-Lob
Auch Österreichs Teamchef Marcel Koller hat Alaba in höchsten Tönen gelobt. Der Schweizer sprach von einem "super Spiel" des Wieners. "Er hat gespielt wie ein alter Fuchs, sehr abgeklärt und ruhig am Ball. Mit 20 Jahren ist das keine Selbstverständlichkeit."
Nach dem glanzvollen Einzug ins Finale der Fußball-Champions-League waren der Euphorie beim FC Bayern keine Grenzen gesetzt. Das 3:0 im Camp Nou versetzte die Kicker in einen Rauschzustand, der mit einem Endspielsieg am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund seinen Höhepunkt erreichen soll. "Jetzt wollen wir den Pott holen", gab Kapitän Philipp Lahm als Devise aus.
Optimistisch stimmt den deutschen Internationalen unter anderem die gute Stimmung innerhalb der Mannschaft. "Wir haben super Charaktere, super Typen", erklärte Lahm und verriet: "Das eine oder andere Bier wird heute noch fließen."
In Feierlaune befand sich auch Arjen Robben. "Wenn man gegen die weltbeste Mannschaft der letzten fünf Jahre so überzeugend gewinnt, was will man mehr? Wir freuen uns auf das Finale und wollen das Ding gewinnen."
Großer Wille
Den Endspiel-Sieg hat neben Sportvorstand Matthias Sammer ("Wir müssen jetzt den Titel holen, das ist ganz klar") auch Thomas Müller im Visier. "Der Wille ist extrem groß, das Ding zu holen. Wir haben ein Zeichen gesetzt. Jetzt wollen wir uns nicht aufhalten lassen." In Richtung BVB zeigte sich der Offensivspieler kämpferisch. "Man muss vor Dortmund Respekt haben, mehr aber auch nicht."
Zum ersten Kräftemessen der frischgebackenen Champions-League-Finalisten kommt es bereits am Samstag in der Bundesliga in Dortmund. "Dieses Match kann man aber nicht als Generalprobe nehmen", betonte Lahm.
Rumenigge musste sich zwicken
Sein Trainer Jupp Heynckes verteilte ein Pauschallob an seine Truppe. "Meine Mannschaft war ungemein konzentriert. Wir haben überragenden Fußball gespielt und es verstanden, die taktische Marschroute umzusetzen."
Allerdings vergaß der 67-Jährige auch nicht darauf hinzuweisen, dass Barca Lionel Messi hatte vorgeben müssen. "Barcelona mit oder ohne Messi ist natürlich ein Unterschied", betonte Heynckes.
Für den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge wurde der Bayern-Triumph durch das Fehlen des vierfachen Weltfußballers aber nicht geschmälert: "Wir haben hier 3:0 gewonnen, ich muss mich fast zwicken. Wir haben gegen Barcelona zwei wunderbare Tage erwischt", sagte der frühere Weltklasse-Stürmer und blickte bereits Richtung Finale. "Jetzt fahren wir mit breiter Brust nach London und haben eine gute Chance, es nun auch zu packen."
Es hat weh getan. Wer seit über 25 Jahren sein Fußball-Herz an den FC Barcelona verloren hat und sich seit einiger Zeit an den Erfolg der vielleicht besten Mannschaft aller Zeiten gewöhnt hat (drei Titel in der Champions League in sechs Saisonen), der empfindet das 0:7 gegen Bayern München als bitterste Erfahrung seit dem historischen Finaldebakel gegen Milan (0:4 im Jahr 1994). Aber in gleichem Maße weiß der Aficionado, der jedes (!) Spiel gesehen hat, wie es dazu kommen konnte. Und dass so mancher Hohn zum Ende einer Ära, so manche Analyse zur Wachablöse Richtung Deutschland verfrüht sein könnte. Vier Gründe für den heurigen Niedergang des FC Barcelona. Eine Aufarbeitung.
1. Die Abwehr
Eine Mannschaft, die sich so sehr auf ihre gewaltige Offensive, auf ihren Ballbesitz, auf ihre Tormaschinerie verlassen kann, vernachlässigt geradezu zwangsläufig die Entwicklung ihrer Defensive. Weil sie die meiste Zeit gar nicht notwendig erscheint. Und wenn Barca vor lauter Übermut tatsächlich einmal vier Gegentore kassiert (wie in der Meisterschaft in La Coruna), dann schießt das Dreamteam eben fünf und gewinnt erst recht wieder. Nur: Was geschieht, wenn das Werk'l plötzlich (zum Beispiel wegen der Gründe 3 und 4) nicht mehr so läuft? Wenn ein Plan B mit einer überragenden Abwehr erforderlich wäre? Dann passiert, was passiert ist. Dann verpasst Bayern dem gesamten Planungsstab des FC Barcelona die Höchststrafe. Dann rächt sich fehlende Personalpolitik. Bayern hat vier erstklassige Innenverteidiger (Dante, Boateng, Van Buyten, Badstuber) und kann es sich leisten, dass einer davon verletzt für längere Zeit ausfällt. Barcelona hat zwei, nur bei freundlichster Betrachtung drei (Pique, Puyol, Mascherano), und kann es sich ganz sicher nicht leisten, dass nur einer davon fit ist. Daher ist Improvisation gefragt. Und die mag funktionieren, wenn die Offensive ihre gewohnte Arbeit macht. Wenn nicht, wird jeder Freistoß, jeder Eckball, zu einer extremen Gefahr. Zumal das Mittelfeld ein kollektives Nach-hinten-Arbeiten nicht im Geringsten automatisiert hat. Zumal auch die beiden Außenverteidiger Alba und Alves zu klein sind, um im Luftkampf eine Rolle zu spielen. In München waren die Tore zum 0:1 und 0:2 die Folge von verlorenen Kopfballduellen. Jeweils nach Eckbällen. Kein Wunder, dass jetzt plötzlich Alarmstimmung herrscht und z.B. ein Name wie Hummels auf der Transferwunschliste auftaucht.
2. Die Gegner
Natürlich ist es eine Frage der Zeit, ehe starke Mannschaften taktische Rezepte gegen das System Barcelona finden. Real etwa musste sich lange Zeit in den Clasicos abwatschen lassen, ehe Jose Mourinho wirksame Konzepte gegen den Kurzpass-Furor erfand (6 Duelle, vier Siege, zwei Remis in dieser Saison). Und auch Bayern wusste ganz genau, was zu tun war (Pressing, hoch verteidigen). Dennoch braucht es schon überragende spielerische Qualität, um Barcelona in zwei Spielen letztendlich wirklich auszuhebeln. Milan war dafür nicht gut genug. Bayern sehr wohl.
3. Der Trainer
Möglicherweise der entscheidende Faktor. Vilanova war der Co-Trainer von Guardiola. Er hat das System der Mannschaft und die Charaktere der Spieler verinnerlicht. Er war der absolute Wunschkandidat aller Akteure. Und ein Rückblick beweist: Barcelona startete so gut wie nie zuvor in eine Saison. Keine Rede von Zäsur, von satten Stars, von einem Schrei nach neuen Reizen. Im Gegenteil. Nach 19 Runden hatte Barcelona 55 von 57 Punkten, also 18 Siege in 19 Spielen. 64 Tore schossen die Superstars (im Schnitt mehr als drei pro Spiel). Sie kassierten zwar auch 20, aber wen kümmert das bei so einem effektiven Angriffsgeist (siehe Punkt 1)? Barcelona führte souverän die Tabelle an und qualifizierte sich auch locker als Gruppensieger für die K.o-Runde der Champions League.
Aber dann erkrankte Tito Vilanova. Der Ohrspeicheldrüsenkrebs (der im Mai des Vorjahres für geheilt erklärt worden war) kehrte zurück. Ein Schock für alle. Vilanova musste operiert werden und sich einer Chemotherapie in New York unterziehen. In Barcelona stand plötzlich die Frage nach einem neuen Trainer im Raum. Aber Präsident und Spieler entschieden: Wir sind ein Team und wir gehen mit Vilanova. Auch dann, wenn es uns möglicherweise Konzentration und Titel kostet. Menschlichkeit statt Erfolg um jeden Preis. Dreieinhalb Monate fehlte Vilanova. Ein Gedanke sei daher an dieser Stelle erlaubt: Stünde Bayern München im Finale der Champions League, wäre der Architekt des Teams, der Leitwolf, das Mastermind, Jupp Heynckes von Mitte Dezember bis Ende März wegen einer lebensbedrohlichen Krankheit weder bei den Trainings noch bei den Matches anwesend gewesen? Hätte Dortmund das Potenzial gehabt, eine halbe Saison ohne den Übervater Jürgen Klopp auf diesem Niveau zu spielen? Schwer vorstellbar. Von Barcelona haben das alle erwartet, weil die Leidensgeschichte niemals als Argument ins Spiel gebracht worden war.
Aber die Leistungskurve gibt ohnedies die Antworten. Die Leichtigkeit ging ab Mitte Jänner mehr und mehr verloren (Vilanova startete seine Strahlentherapie am 21. Jänner, nahezu gleichzeitig verlor Barca erstmals – 2:3 bei Sociedad). Die Spiele wurden schlechter, die Punkteverluste mehrten sich, die Stars wirkten leer. Gegen Real flog Barcelona aus dem Cup, und auch in der Champions League war Krampf allgegenwärtig. Das grausame 0:2 in Mailand war ein Spiegelbild der Situation. Das 4:0 war einem überragenden Messi, dessen Genie den längst fehlenden Glanz kaschierte, zu verdanken. Auch das 2:2 in Paris war eine schwache Partie. Und im Rückspiel schien wieder das Ausscheiden Realität, wenn nicht einmal noch der eingewechselte Messi das Ruder herumgerissen hätte. Aber nicht mehr zu übersehen war: Dieses Barcelona ist in seinem Selbstverständnis schwer angeschlagen.
4. Lionel Messi
Alle Experten, die sagen, ohne ihn sei der FC Barcelona nur halb so gut, haben wohl recht. Aber welche Mannschaft der Welt würde nicht ihr ganzes System auf einen Spieler wie Messi auslegen? Er ist in seiner Funktion als Fußballgenie so einzigartig, dass wohl jeder Trainer der Welt ihn zum Herzstück seines Arrangements mache würde. 44 Tore in 30 Ligaspielen – Messi erzielte die Hälfte aller Barca-Tore. Und von der anderen Hälfte bereitete er zahlreiche Treffer vor. In einem Verbund von Spielern, mit denen er gemeinsam (in La Masia) groß geworden ist, die ihn kennen, ihn spüren, ihn und seine Kunst zur Entfaltung bringen. Heißt aber: So sehr eine Mannschaft von so einem Ausnahmefußballer profitiert, so sehr er im Alleingang Spiele kippen und entscheiden kann, so sehr er für jeden Gegner eine immerwährende gefährlichen Unbekannte darstellt – so sehr fehlt er eben, wenn er nicht dabei ist. Das war in den vergangenen Jahren dankenswerterweise kaum je der Fall, folglich konnte sich Barcelona auch dank seines magischen Flohs zur „besten Mannschaft der Welt“ entwickeln. Gegen Bayern war ausgerechnet er, der vierfache Weltfußballer des Jahres, nicht fit. Aber im Unterschied zu allen anderen ist Lionel Messi unverzichtbar. Vor allem gegen ein Bayern München, das in diesem Jahr wohl nur dann besiegt werden kann, wenn alles zusammenpasst. Davon war Barcelona weit entfernt. Das Ergebnis ist bekannt.