Sport/Fußball-WM

Rücktrittsforderung an Löw für Foda nicht nachvollziehbar

Das sensationelle Aus von Deutschland bei der Fußball-WM in Russland war für ÖFB-Teamchef Franco Foda nicht leicht zu verdauen. Der Deutsche drückte für die Auswahl seines Heimaltlandes die Daumen und war vom Scheitern in der Gruppenphase nicht minder überrascht als DFB-Bundestrainer Joachim Löw, den Foda gegen Kritiker in Schutz nahm.

"Unabhängig davon, dass Löw vor vier Jahren Weltmeister geworden ist: Was er aufgebaut hat, wie die Mannschaft Fußball gespielt hat - ihn da infrage zu stellen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen", sagte Foda der APA. "Im Fußball gibt es wenig Dankbarkeit. Erfolge der Vergangenheit werden oft nicht mehr bewertet."

Zudem dürfe die Arbeit von Löw nicht nur an den Erfolgen bewertet werden. "Die Deutschen haben den Fußball in den letzten Jahren dominiert mit ihrer Spielweise. Das war ein begeisternder Fußball, viele haben sich davon etwas abgeschaut. Aber vielleicht hätte Deutschland Adaptierungen vornehmen müssen", vermutete Foda.

Foda zieht seine Schlüsse

Ansonsten hielt sich der ÖFB-Coach bei der Ursachenforschung für das deutsche Desaster zurück. "Die kann nur Löw gemeinsam mit seinen Mitarbeitern betreiben. Er wird sich viele Gedanken machen und gut analysieren." Ob das frühe Ausscheiden durch falsche Rückschlüsse aus den Testspielen, den Wirbel um die Erdogan-Fotos oder den Unmut über das WM-Quartier zu begründen sei, wollte Foda nicht beurteilen. "Es gibt jetzt eh jeder seinen Senf dazu und glaubt, im Nachhinein alles besser zu wissen."

Vielmehr konzentrierte sich der frühere Sturm-Graz-Meistermacher auf seine via TV-Studium gewonnenen Eindrücke. "Deutschland hatte riesige Probleme in der Restverteidigung, war sehr konteranfällig, weil beide Außenverteidiger sehr hoch gestanden sind. Das Tempo beim Passspiel im letzten Drittel war zu langsam und vor dem Tor war man zu ineffizient", lautete Fodas Einschätzung.

Möglicherweise habe auch einigen Kickern nach einer langen Saison die Frische gefehlt, mutmaßte der 52-Jährige. Das ändere aber nichts daran, dass die DFB-Auswahl über hohes Potenzial verfüge. "Es ist sehr schade, dass die Mannschaft ausgeschieden ist, weil sie viel mehr Qualität hat, als sie bei der WM gezeigt hat. Aber wenn man nicht zum richtigen Zeitpunkt seine Leistung abliefert, dann hat man es auch nicht verdient, ins Achtelfinale einzuziehen", erklärte Foda.

Tiefpunkt Frankreich - Dänemark

Zumindest an der Altersstruktur dürften die Deutschen nicht gescheitert sein - mit Mario Gomez und Sami Khedira waren nur zwei Feldspieler aus dem Kader über 30 Jahre alt. Auch deswegen begegnet Foda den Forderungen nach einem Umbruch innerhalb des Kaders mit Unverständnis - genauso, wie er die harsche Kritik an den Kickern nicht nachvollziehen kann. "Man darf nie den Fehler machen, auf jemanden draufzutreten, der sowieso schon am Boden liegt."

Einen kleinen Teil zum deutschen Niedergang hat womöglich auch Foda mit Österreichs Nationalmannschaft beigetragen, immerhin wurde das DFB-Team in einem Testmatch am 2. Juni in Klagenfurt mit 2:1 besiegt. Den ersten österreichischen Sieg über den großen Nachbarn seit 1986 sieht Foda durch das frühe deutsche WM-Out nicht entwertet. "Sicher nicht. Wir haben damals aufgrund der zweiten Hälfte verdient gewonnen."

Der Nationaltrainer beobachtete bei der WM bisher drei Partien vor Ort - Belgien gegen Tunesien (5:2), England gegen Panama (6:1) und Frankreich gegen Dänemark (0:0). Letztere Partie zählte aufgrund des Nichtangriffspakts zu den Tiefpunkten dieser WM. "Das war wenig begeisternd", meinte Foda. Ähnlich seltsam verlief die Partie zwischen Polen und Japan (1:0). "Die Trainer wollen eben weiterkommen und haben einen gewissen Druck", gab der ÖFB-Coach zu bedenken.

Brasilien, Spanien oder Frankreich

Immerhin sei das unter ungewöhnlichen Vorzeichen gestartete Match Belgien - England ordentlich ausgetragen worden. "Es war schön, dass die Belgier befreit aufgespielt haben. Ich hatte das Gefühl, es war ihnen egal, ob sie Erster oder Zweiter werden", sagte Foda.

Mit der Taktiererei der vergangenen Tage sei es in der K.o.-Phase ohnehin vorbei, betonte der Teamchef. "Eigentlich beginnt die WM im Achtelfinale. Jetzt gibt es noch mehr Emotionen, und ich gehe auch davon aus, dass es besseren Fußball geben wird." Zum Finale wird Foda wieder nach Russland reisen und dabei nach eigenen Vermutungen einen Sieger aus dem Trio Brasilien, Spanien und Frankreich zu sehen bekommen.