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Misstöne vor der Premiere in Baku

Europaspiele? Aserbaidschan? Medaillen? Am Freitag werden in Baku die ersten European Games eröffnet, bis 28. Juni dauern sie. Vor dem ersten Wettkampf sind viele Fragen offen.

Was sind eigentlich Europaspiele?

Asien-Spiele, Afrika-Spiele oder Commonwealth-Games gibt es schon seit Langem. Nach diesem Vorbild entschieden sich die Nationalen Olympischen Komitees Europas für die Einführung eines eigenen Kontinentalwettkampfs. 6000 Athleten aus 50 Nationen haben für Baku genannt.

Ist das so etwas wie Olympische Spiele im Kleinen?

Nicht wirklich, denn das Programm unterscheidet sich deutlich von jenem bei Olympia. So sind etwa Sportarten wie Aerobic, Karate und Sambo (eine Kampfsportart) dabei. Statt Fußball wird Beachsoccer gespielt. Insgesamt werden 253 Goldmedaillen vergeben, bei Olympia in London waren es nur 49 mehr.

Was sagen die Sportler zu den European Games?

Die Reaktionen sind unterschiedlich. Einige kritisieren die zusätzliche Veranstaltung und befürchten eine Entwertung bestehender Europameisterschaften. Kleine Verbände freuen sich über die Bühne für ihre Sportler und das verstärkte Medieninteresse.

Wen soll das interessieren?

Offensichtlich besteht Interesse. 1500 Journalisten sind akkreditiert, 24 davon aus Österreich. 750 TV-Anstalten werden mehr als 800 Stunden live übertragen. Der ORF sendet Zusammenfassungen. 600.000 Eintrittskarten wurden aufgelegt, zu haben ab umgerechnet 1 Euro.

Sind Top-Sportler am Start?

Ein paar. Für Deutschland starten etwa die Tischtennis-Stars Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sowie der frühere Turn-Weltmeister Fabian Hambüchen. Und im Boxen ist ein ganz großer Name dabei: Muhammad Ali. Allerdings der 1,60 Meter kleine, 18-jährige Fliegengewichtler aus Großbritannien.

Welche Österreicher sind dabei?

Österreich reist mit 145 Athleten nach Baku, darunter auch einige Prominente. Die besten Judokas küren im Rahmen der Europaspiele auch den Europameister, am Start sind Medaillenkandidaten wie Sabrina Filzmoser, Hilde Drexler und Ludwig Paischer. Im Tischtennis dabei sind (u.a.) Stefan Fegerl, Robert Gardos, Li Qiangbing und Liu Jia. Amer Hrustanovic will um Gold ringen, Alisa Buchinger darf sich im Karate Chancen ausrechnen, Fabian Leimlehner turnt.

Was ist mit den Leichtathletik-Bewerben?

Der Europäische Verband war gegen die European Games, um die lukrative EM nicht abzuwerten. Deshalb wird in Baku nur die dritte Liga der Leichtathletik-Team-EM ausgetragen.

Gibt es Kritik am Ausrichterland Aserbaidschan?

Die gibt es – und zwar heftig. "Aserbaidschan ist ohne Frage eine Diktatur", sagt Willi Lemke, der deutsche Sport-Sonderberater des UN-Generalsekretärs. "Doch ich sehe die Chance, dass sich in Ländern wie diesem mithilfe des Sports gesellschaftlich etwas verändern lässt." Die Medien dürften für kritische Berichterstattung sorgen, "die es sonst nicht gegeben hätte." Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Veranstaltung vor allem der PR für das repressive Regime dient.

Wie schon vor drei Jahren beim Song Contest gehe es Präsident Aliyew hauptsächlich darum, den Kult um seine Person zu fördern. Auch um die Pressefreiheit schaut es schlecht aus, die Organisation Reporter ohne Grenzen reiht Aserbaidschan auf Rang 160 von 180. "Die meisten Medien werden von Oligarchen mit Schwarzgeld finanziert", sagt Journalist Idrak Abbasov. "Die Fernsehanstalten stehen unter totaler Kontrolle der Regierung."

War Boykott kein Thema?

Österreichs Verteidigungs- und Sportminister Gerald Klug sagt: "Ich bin generell der Meinung, dass man mit der Frage eines Boykotts sehr sorgsam umgehen muss, weil es in der Regel die Falschen trifft – also die Sportlerinnen und Sportler." Zur Vergabe an fragwürdige Länder sagt er: "Es braucht einen Schulterschluss der Europäer schon vor den Vergaben. Darauf dränge ich auch im Rahmen der Sportminister-Treffen in der EU."

Wie geht es weiter?

Die Europaspiele sollen im Vierjahresrhythmus ausgetragen werden. Die Spiele 2019 werden in den Niederlanden stattfinden. Zudem gibt es Überlegungen, auch Europäische Winterspiele auszutragen.

Und in Baku?

2016 rast erstmals die Formel 1 durch die Innenstadt, 2020 wird ein Viertelfinale der Fußball-EM ausgespielt. Aserbaidschans Hauptstadt bleibt also ein Anziehungspunkt für sportliche Groß-Events.