Dürr auf dem Weg in die Weltspitze
Johannes Dürr weiß, was einige Menschen in Österreich über Langläufer denken: "Die denken, der Langläufer ist ein Trottel. Der geht in den Wald, schaltet sein Hirn aus und rennt zwei Stunden durch die Gegend."
Umso bemerkenswerter ist die Erfolgsspur, die dieser Johannes Dürr in dieser Saison zieht. Heimlich, still und leise hat sich der Niederösterreicher in der erweiterten Weltklasse etabliert, wie nicht zuletzt der 15. Rang im WM-Skiathlon beweist. Für das Rennen über 15 Kilometer Freistil am Mittwoch spekuliert Dürr sogar mit einer weiteren Leistungssteigerung. "Die Top Ten wären wirklich ein Wahnsinn."
Weichenstellung
Dass der 25-jährige in Val di Fiemme durch die Wälder rennt, hat er seinem Ehrgeiz zu verdanken. Dürr ist keiner, der den Weg des geringsten Widerstandes geht. Sonst hätte er sich als 14-Jähriger für die Fußballer-Karriere entscheiden müssen: Der schmächtige Göstlinger war ein gefragtes heimisches Nachwuchs-Talent, ein Platz im Bundesnachwuchszentrum war bereits für ihn reserviert, ehe Dürr sich dann doch für das Langlaufen entschied.
"Von der Reputation her ist das natürlich ein Wahnsinn", weiß Dürr, aber Publicity, Aufmerksamkeit und Geld waren noch nie der Motor des Idealisten. Dann schon eher die Lust, seine eigenen Grenzen auszuloten und das Unmögliche möglich zu machen. "Als Langläufer musst du ein Beißer sein und viel investieren. Da fällt dir nichts in den Schoß. Aber wenn du dann etwas erreichst, dann weiß du, dass du richtig was geleistet hast", sagt Dürr.
Der Niederösterreicher, dem die Mediziner sensationelle Ausdauerwerte attestieren, hat in dieser Saison bereits die Superstars Dario Cologna oder Petter Northug hinter sich gelassen. Es hat sich also ausgezahlt, dass sich Johannes Dürr durch alle Rückschläge der letzten Jahre nicht hat aus der Spur bringen lassen. "Wenn ich es mir nicht selbst immer zugetraut hätte, dass ich vorne mitlaufen kann, dann wäre ich heute nicht mehr dabei."
Lokalaugenschein in Lago di Tesero: Ein Truck reiht sich an den anderen – Deutschland, Schweden, Norwegen. Beim Langlaufen wird schweres Gerät eingesetzt, die Lastwagen sind voll mit Skiern und Wachs. Das lässt sich aber nur erahnen, denn Eintritt in die Trucks ist streng verboten.
In den Hochsicherheitszonen wird über Sieg und Niederlage entschieden, hier werden die Skier der Sieger präpariert oder die Latten der Verlierer verwachselt. Allein der norwegische Truck kostet eine Millionen Euro und spielt alle skitechnischen Stück’ln.
Wachsler
Menschen, die für einen schnellen Belag sorgen, fallen beim deutschen Verband unter den Begriff Techniker, manchmal werden sie auch Service-Mitarbeiter genannt. In Österreich sind sie meist nur die "Wachsler". In Österreich sind das Radim Duda, der sich um die Ski seiner Frau Katarina Smutna kümmert, und der Slowene Miha Plahutnik, der 2011 nach dem Karriereende der Spitzenläuferin Petra Majdic geholt wurde. Und der Dritte im Bunde ist Rudolf Janach. Der Kärntner Polizist wechselte 2012 von den Biathleten zu den Langläufern.
Die großen Nationen haben drei bis vier Mal so viele Serviceleute, und sie geben auch deutlich mehr Geld aus als die Österreicher, die in einem Winter 50.000 Euro fürs Wachs verpulvern. Die Arbeit ist aber für alle gleich.
"Wir wissen uns zu helfen"
Schon ab den frühen Morgenstunden werden die Skier präpariert und getestet. Zudem braucht man auch eine Gespür für Schnee wie Fräulein Smilla. Wenn Rudolf Janach wissen will, wie das Wetter wird, dann wirft er einen Blick nach Norwegen, auf eine ganz besondere Internetseite. "Wir sind zwar nur ein kleines Team, aber wir wissen uns zu helfen", sagt Janach.
Außerdem legen auch Österreichs Trainer Hand an die Skier der Athleten. Das ist bei den Damen der ehemalige Vorarlberger Spitzenläufer Alexander Marent. Und bei den Herren Gerald Heigl. Der 33-Jährige kümmerte sich einst um das Material von Michail Botwinow und ist seit 2011 als Cheftrainer der Herren in Amt und Würden.
Mario Stecher hat sich am Dienstag im Rahmen der Pressekonferenz der Nordischen Kombinierer bei der WM in Val di Fiemme bitter über die Politik seiner Skifirma, der österreichischen Marke Fischer, beklagt. Stecher nahm die eigenen Serviceleute, die für Wachs und Schliff verantwortlich sind, in Schutz, und kritisierte, dass man seit Jahren bei kalten Bedingungen Nachteile hätte. Außerdem nehme Fischer die Nordische Kombination an sich nicht ernst, sondern schaue mehr in andere Sparten (und damit wohl auch Märkte, Anm.) wie Langlauf.
Die Aussage von Willi Denifl, beim Rückblick auf den ersten Einzelbewerb, wonach Österreich nicht langsamere Ski gehabt hätte, ließ bei Vize-Weltmeister Stecher das Fass überlaufen. Stecher ergriff das Wort und stellte aus seiner Sicht einige Dinge klar.
"Es ist so, das muss man ganz klar sagen: Wir haben eine sensationell gute Mannschaft, die unsere Ski präpariert, die tun ihr Bestes, aber was der Unterschied zu Jason (Lamy Chappuis, Anm.) oder Frankreich und uns ist: Da steht eine komplette Firma hinter der Mannschaft und das ist bei uns nicht so", erklärte der 35-jährige Steirer.
Nachdem Lamy Chappuis auf Salomon umgestiegen sei, bekomme dieser einfach "das Beste vom Besten", dies sei zum Beispiel bei seinem Ausrüster nicht so. Warum? "Weil die Kombination nicht wirklich den Stellenwert hat. Es ist einfach viel wichtiger, dass ein Herr Northug vielleicht die besten Ski hat, aber nicht irgendeine Nummer. Das ist teilweise traurig, wir kaufen auch Ski, wir kriegen sie teilweise nicht einmal", echauffierte sich Stecher, der aber unabhängig davon Lamy Chappuis als würdigen Weltmeister bezeichnete.
"Das ist zuwenig"
Im Teambewerb habe man absolut konkurrenzfähiges Material gehabt, aber im Einzel eben nicht. "Wir haben ein Problem bei kalten Schneeverhältnissen. Da haben wir nichts. Wir kämpfen jetzt seit ich weiß nicht wievielen Jahren darum. Da war irgendwann vielleicht ein Ski dabei, aber das ist zu wenig."
Die Skifirmen testen ihre Ski vorher, und man brauche eben den besten und nicht den fünfzehntbesten. Auf die Frage, ob Österreich vielleicht ein zu kleiner Markt sei, sagte Stecher. "Meine Meinung ist, es ist speziell ein Problem der Nordischen Kombination mit der Firma Fischer, dass man einfach nicht respektiert wird. Für die ist das kein Sport in dem Sinn, so weit würde ich da jetzt gehen. Weil wir haben eh 1.000 Norweger, und für die müssen wir schauen."
Auf die Frage, ob sich Stecher da nicht Schwierigkeiten erwarte, sagte der Routinier: "Ich sage die Wahrheit, und wenn einer mit der Wahrheit nicht leben kann, dann hat er ein Problem. Das ist tatsächlich so."
Sein Zimmerkollege Christoph Bieler versuchte die Sache etwas zu relativieren. "Jason hat nicht nur durch super Ski, sondern auch durch eine sensationelle Leistung gewonnen. Um das ganz glänzende umgehängt zu haben, braucht es viele Mosaiksteinchen. Wir waren nicht schlecht, sondern gut, sonst hätte Mario nicht Silber umhängen oder ich wäre, als nicht der beste Langläufer im Feld, auch nicht auf Platz acht gekommen."
Stecher blieb aber bei seinem Credo. "Das zieht sich schon relativ lang dahin und ich bin in einem Alter, wo ich weiß, ich werde nicht mehr so lange tun und jetzt muss ich das einmal sagen. Es ist nicht so, wie ich mir das vorstelle." Er hoffe, dass er dadurch etwas ändern könne, "auch wenn es vielleicht negativ ist".
"Sachlich bleiben"
Cheftrainer Christoph Eugen bemühte sich danach die Sache zu beruhigen. "Wir haben schon im November erkannt, dass bei kaltem Wetter der Ski nicht so gut geht. Wir haben reagiert, von Fischer neue Ski bekommen und durchaus gute Ski bekommen, somit sind wir recht zufrieden."
Wie er sich dann Stechers Worte erkläre? "Mario ist da immer sehr speziell und macht dann gleich so einen Rundumschlag. Man muss da schon sachlich bleiben. Er hat mit seinen Ski schon sehr viel gewonnen hat und genauso der Berni (Gruber, ebenfalls Fischer, Anm.)." Es gebe in der Formel 1 eben gewisse Rennstrecken, die einem Team besser lägen, und eben Skifirmen, die bei gewissen Bedingungen besser gingen. "Es ist kein Drama für mich."
Stecher fühle sich vielleicht nicht wie ein Biathlet oder Langläufer der Norweger unterstützt, aber: "Ich glaube nicht, dass wir bewusst schlechtere Ski bekommen."
Unverständnis bei Fischer
Mit dem Serviceteam und dem Wachs oder Schliff hat die Problematik jedenfalls nichts zu tun. "Es hängt mit dem Skiaufbau und der Belagsmischung zusammen. Man hat härtere Beläge für die Kälte und weichere für die Wärme. Es hängt von der Graphitmischung und der Spannung ab."
Von der Firma Fischer wurde mit Unverständnis auf Stechers Aussagen reagiert. Gerhard Urain, Ex-Langläufer und Rennsportchef nordisch bei Fischer: "Ich kann die Aussagen von Stecher nicht nachvollziehen, das ist hart. Da wird es sicher ein Gespräch geben." Vor der WM habe man extra noch in Sonderschichten zehn paar Ski nachgebaut und geliefert. "Und hier im Fleimstal sind nochmals vier paar Ski ausgegeben worden, wo die Rückmeldung vom ÖSV-Serviceteam kam, dass die Ski sehr gut passen."