Die Dopinglawine ist noch lange nicht vorüber
Von Stefan Sigwarth
Für Dmitri Peskow ist angesichts der neuesten russischen Dopingenthüllungen von Tennis-Star Maria Scharapowa abwärts eines klar: "Es geht um einzelne Sportler, um einzelne Fälle." Dmitri Peskow ist der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin und als solcher in der Rolle des Verteidigers: "Uns tut das natürlich leid. Aber man darf die Situation nicht auf den gesamten russischen Sport übertragen."
Die Frage ist freilich, ob man gerade das nicht ernsthaft in Erwägung ziehen sollte. Eisschnelllauf-Weltrekordler Pawel Kulischnikow, Volleyball-Teamspieler Alexander Markin, Shorttrack-Weltmeister Semjon Jelistratow, Gewichtheber-Weltmeister Alexei Lowtschew und Jekaterina Bobrowa, 2013 Eistanz-Europameisterin, sind nur einige Athleten, die mit der seit Jahresbeginn verbotenen Substanz Meldonium erwischt worden sind.
17 Prozent positiv
Eine russische Studie brachte 2015 Erstaunliches zutage: Von 4316 analysierten Urinproben wiesen 724 Meldonium auf – 17 Prozent! Weil der Wirkstoff, eigentlich ein Herz-Kreislauf-Mittel, immer öfter gefunden wurde, landete er zum Jahreswechsel schließlich auf der Liste der verbotenen Substanzen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.
Für etliche Sportler offensichtlich eine Überraschung – am Mittwoch wurde bekannt, dass gleich sechs Mitglieder des georgischen Ringer-Nationalteams erwischt worden sind. Die Vorzüge von meldoniumhaltigen Präparaten wie (im Fall von Maria Scharapowa) Mildronat sind schon lange bekannt: Die Ausdauerleistung wird gesteigert, die Erholung geht schneller – und es gibt keine Nebenwirkungen, schrieben die Autoren einer lettischen Studie bereits 2008. Und Maija Dzintare und Ivars Kalvins wiesen auf den größten Vorteil hin, nämlich, dass es eben nicht als Dopingmittel gelte.
Das ist vorbei, der Wirbel um den russischen Sport aber ist noch lange nicht zu Ende. Inzwischen wurde zwar die Spitze der gegenwärtig suspendierten russischen Anti-Doping-Agentur neu besetzt – doch Julia Anzeliowitsch soll in ihrer früheren Position als Leiterin der Abteilung für Ermittlungen und Ergebnismanagement regelwidrige Terminabsprachen mit Athleten getroffen haben.
Dmitri Nossow, Abgeordneter des russischen Parlaments, befürchtet Schlimmes: "Es ist traurig, aber das ist nur der Anfang."