Delle Karth: "Spezialisten an die Macht"
Von Jürgen Preusser
Segler Nico Delle Karth war mit seinem Partner Niko Resch noch knapper an einer Medaille dran als Dinko Jukic im Schwimmen. Der Tiroler spricht über Frust und Lust, aber auch über Österreichs aktuelles Sport-System.
KURIER: Viele Sportler kritisieren ihre Verbände und Funktionäre. Die Segler nicht. Warum?
Nico Delle Karth: Unser Team wird von vielen anderen als vorbildlich gesehen. Der Zusammenhalt ist gewaltig. Und wir hatten sowohl vom ÖOC, als auch vom Segelverband jede Unterstützung, die wir wollten. Aber Zufriedenheit sollte nie herrschen, weil man dann links und rechts überholt wird.
Sie haben mehrfach den Psychologen Günter Amesberger als besonders wichtiges Teammitglied erwähnt. Wie sehr hat er in Ihrer besonders schwierigen Situation geholfen? (Nico Delle Karth hat im März seinen Bruder durch einen Hubschrauberunfall verloren, Anm.)
Alle im Team sind wichtig. Ich will keinen vergessen, aber er hat mir tatsächlich sehr geholfen. Ich musste ja nicht nur diese Tragödie, sondern auch eine schwere Verletzung wegstecken. Wenn du im Halbjahr vor Olympia neun Wochen gar nichts tun kannst, ist ein vierter Platz viel mehr wert als Blech. Doch was soll’s, wenn bei Olympia nur Medaillen zählen.
Ist das so?
Wenn unser oberster Chef (Anm.: Sport- und Verteidigungsminister Darabos) schon hart mit den Sportlern ins Gericht geht, wenn wir noch mitten im Wettkampf sind ... Naja, ohne die Unterstützung des Heeres könnten wir einpacken. Das ist besser als in anderen Ländern organisiert, hat aber auch ein paar Systemfehler. Es kann doch nicht sein, dass du als Dreißigjähriger plötzlich vor dem Nichts stehst. Das ist die andere Seite. Das Heer ist die Basis – die privaten Sponsoren machen dann erst Professionalität möglich. Wir betreiben nun einmal eine Sportart, bei der wir nur alle vier Jahre im Rampenlicht stehen und gegen Länder antreten müssen, wo Segeln einen Stellenwert hat wie bei uns Skifahren.
Die großen Segel-Nationen haben oft gewaltige Budgets zur Verfügung. Wo stehen wir?
Ein englischer Segler verdient 5000 Pfund im Monat. Nehmen wir Skifahren als Vergleich, wo Österreich eine Großmacht ist. Dann sind wir ungefähr so wie Spanien. Daher müssen wir auch ausländische Trainer engagieren, um Wissen, das wir gar nicht haben können, zu erwerben. Sonst müssen wir zusperren.
Hat euch die schlechte Stimmung im Team aus London in Weymouth erreicht?
Natürlich. Wir lesen ja viel. Das war irritierend, aber behindert hat es uns nicht. Und die Kritik ist auch ungerecht: Ein Finale im Hürdensprint – das ist ja ein unglaubliches Ergebnis! Das ist doch mehr als eine Medaille wert. Aber das verstehen zu wenige. Auch die meisten Postings im Internet zeugen von Ahnungslosigkeit. Auch das ist ein Problem in Österreich. Manchmal hast du als Sportler nicht das Gefühl, dass das Land hinter dir steht.
Liegt das nicht doch auch am kritisierten Sportsystem?
Ja, auch. Aber man muss dieses System nicht neu erfinden. Man müsste nur endlich die Fachleute einbeziehen, damit sie ihr Wissen preisgeben. Spezialisten an die Macht! Und die gibt es: Siehe Wintersport, wo wir fast überall führend sind.
Wird das leichter, wenn man – wie Darabos vorschlägt – einzelne Sportarten, aber nicht alle, fördert?
Und was ist, wenn meine Sportart plötzlich nicht mehr förderungswürdig ist? Oder geht es strikt nach dem Erfolg? Okay, aber dann müssen die Segler dabei sein. Dann muss ich aber – als großer Fußball-Fan – den Fußball hinterfragen. Wo ist die Leistung dafür, dass sie fünfzig Prozent der gesamten Mittel bekommen?
Segeln hat einen wichtigen Schritt gemacht durch Zehntausende Zuschauer in Weymouth ...
Allerdings! Ich krieg jetzt noch eine Ganslhaut. Jetzt weiß ich, wie sich ein Kicker am Tivoli fühlt, wenn er ein Tor schießt. Das haben wir bisher nicht gekannt: Da führst du im Medal Race und segelst hundert Meter an der Crowd vorbei. Das ist gigantisch! Der einzige Fehler war, dass sie den Zieleinlauf nicht direkt bei den Zuschauern gemacht haben.
Kommt die Gänsehaut nicht auch von der Fachkompetenz der Briten?
Ja. Es ist erstaunlich, was in England abgeht. Wenn da nicht Zehntausende Kinder wegen Olympia mit Sport beginnen, dann fress’ ich einen Besen. Die haben das Motto „inspire a generation“ perfekt umgesetzt und vorgelebt. Auch davon könnten wir sehr viel lernen.
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