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Jamaikas Sprint-Wunder gerät ins Zwielicht

Die Fakten: Veronica Campbell-Brown, 31-jährige dreifache Olympiasiegerin und 13-fache Gewinnerin von WM-Medaillen, war am 4. Mai bei einem Meeting in Kingston mit einem Diuretikum erwischt worden, das Ergebnis der B-Probe steht noch aus. Am Mittwoch erklärte der Leichtathletik-Weltverband: „Wir bestätigen, dass es ein Fall ist, aber mahnen auch, die Perspektive zu wahren“, sagte Sprecher Nick Davies. „Es scheint nach den bisherigen Regeln ein geringfügiger Verstoß gegen unsere Regeln zu sein.“

Erklärungen

Laut Reuters war die Substanz, die das Ausscheiden von Wasser fördert, aber auch oft verwendet wird, um andere Dopingmittel zu verschleiern, durch eine Creme in Campbell-Browns Körper gekommen, mit der sie sich ein Bein eingerieben hat. Eine andere Erklärung hatte ihr Vater: „Es kann doch sein, dass sie etwas getrunken hat und ihr dort jemand etwas reingetan hat.“

Ob Pech, Unachtsamkeit oder böse Unbekannte – Tatsache ist, dass die verbotene Substanz entdeckt worden ist. Am Dienstag wurde Campbell-Brown vom jamaikanischen Verband provisorisch gesperrt, nun verpasst die 200-Meter-Weltmeisterin die nationale Qualifikation für die WM in Moskau.

Jamaikas Sprintwunder wird schon lange von Dopingvorwürfen begleitet. Geschichten zum Wundern lieferte etwa Merlene Ottey, die einen positiven Test abgab, aber nicht gesperrt wurde. Analysefehler des Labors. Oder Shelly-Ann Fraser-Pryce, die positiv auf das Schmerzmittel Oxycodon getestet wurde – und sechs Monate gesperrt wurde. Zahnschmerzen, der Doktor ...

Tatsache ist, dass die Dopingbekämpfung im Karibikstaat nicht oberste Priorität hat; es gibt nicht einmal ein Analyselabor. Und 2011 äußerte ein wahrer Experte Zweifel an den Leistungen der Bolts, Blakes und Campbell-Browns: Victor Conte, einst mit seinem Labor BALCO der Macher hinter Marion Jones und anderen überführten US-Superstars, berichtete, dass seine Methoden bereits 2008 bei Olympia in Peking von Jamaikanern verwendet worden seien.

Freilich gibt es Dopingfälle und -sperren auch in Jamaika. Die betrafen bisher aber fast nur Athleten der B-Liga, so in der letzten Woche Dominique Blake (400 m, Wiederholungstäterin, sechs Jahre) und Ricardo Cunningham (800 m, sechs Monate).

Mit Veronica Campbell-Brown steht nun die erfolgreichste Leichtathletin in Jamaikas Geschichte im Fokus. Ob das zu einer Zäsur führt? Usain Bolts Trainer Glenn Mills fordert jedenfalls, dass endlich ein anerkanntes Anti-Doping-Labor errichtet wird. „Alle Beteiligten müssen wachsam sein, dass nur mit sauberen Mitteln gearbeitet wird.“