Wissenschaft gegen Astrologie: "Heurigentheorie"
Von Hannes Uhl
Treffpunkt Planetarium im Wiener Prater. Zum Jahreswechsel, der Hochzeit der Sterndeutung, haben wir den Neurophysiker und „Science-Buster“ Werner Gruber sowie die Astrologin und Präsidentin des Österreichischen Astrologenverbandes Maria Luise Mathis zum Streitgespräch geladen – unter einem malerischen Sternenhimmel.
Was sagen uns die Sterne? Was kann Astrologie? Kann sie überhaupt was? Und wie steht es um ihre Überprüfbarkeit? Eine lebhafte, sehr kontroversielle Debatte, an deren Ende eine Fortsetzung steht.
Frau Mathis, Sie haben bei der Terminvereinbarung für heute gemeint, 13 Uhr für das Streitgespräch ist nicht so gut, 14 Uhr wäre besser. Wir haben uns jetzt um 14 Uhr getroffen. Was sagen die Sterne denn über die kommende Diskussion?
Maria Luise Mathis: Ich hoffe nicht, dass es ein Streitgespräch wird, weil die Venus um 14 Uhr am sogenannten MC stand, und da hab ich gedacht, da kommt ein harmonisches Übereinkommen heraus oder zumindest etwas gegenseitig Wertschätzendes.
Und das gilt für alle Menschen?
Mathis: Das gilt nur für diesen Ort und diese Stunde.
Herr Gruber, für Sie war der Termin kein Problem?
Gruber: Ich bin Physiker und das, was ich weiß, ist zeit- und ortsunabhängig. Das einzige, was passiert, ist, dass im Laufe der Zeit mehr Wissen dazu kommt.
Mathis: Ich weiß nicht, ob Physiker das kennen oder wahrnehmen, aber es gibt eine Qualität der Zeit. Das behandeln wir Astrologen hauptsächlich, die Qualität der Zeit.
Was bedeutet das?
Mathis: So etwas wie die Gunst der Stunde: Wann ist ein Unternehmen günstig, wann weniger. Jeder Bauer weiß, wann er das Getreide in die Erde stecken muss, damit es wächst.
Gruber: Das hat er aber naturwissenschaftliche Gründe, weil es beispielsweise bei Frost wenig sinnvoll ist. Es gibt einfach Rahmenbedingungen aufgrund der Naturgesetze, wo es sinnvoll und notwendig ist, Dinge tu tun. Und zur Gunst der Stunde sage ich, es gibt glückliche Momente, wo etwas einfach gut gelaufen ist. Es bleibt aber die Frage, inwieweit das nicht Zufall ist.
Mathis: Die Zeit hat zwei Komponenten aus unserer Sicht, die quantitative und die qualitative Komponente. Und in der Zeit der Wissenschaft ist die quantitative Ebene immer überbewertet worden. Die Qualität der Zeit ist leider in Vergessenheit geraten.
Gibt es für Sie diese Unterscheidung, Herr Gruber?
Gruber: Ich gebe ihnen recht. Zeit ist zuerst einmal so und so viele Schwingungen eines Cäsium-Atoms, das ist nützlich und sinnvoll, damit wir uns verabreden können. Dann gibt es aber den psychischen Aspekt, wo man sagt, nehmen wir uns Zeit, um etwas genießen zu können. Dieser qualitative Aspekt ist unbestritten. Aber die Gunst der Stunde? Das bezweifle ich stark.
Frau Mathis, erklären Sie doch bitte einmal grob ihr Konzept der Astrologie. Wie funktioniert das?
Mathis: Die Astrologie ist eine Zyklenlehre. Jeder Neumond ist der Beginn eines kleinen Zyklusses und entspricht der Geburt einer Idee. Bei Vollmond ist die maximale Entwicklung des Mondes beziehungsweise dieser Idee, die bei Neumond geboren wurde. Und dann muss sie gefestigt und gesichert werden. Auch mit dem Sonne-Mond-Zyklus können wir erfassen, dass das Leben einem Zyklus unterliegt. Und dann gibt es noch sehr große Zyklen: Jedes Planetenpaar hat einen Zyklus. Der zwischen Pluto und Neptun zum Beispiel dauert 500 Jahre. Und daraus berechnen wir eine Epoche, beginnend bei der Konjunktion, gefolgt vom Zunehmen der Energie bis zum Höhepunkt und dann wieder ein Abnehmen der Energie. Das kann mit jedem Planetenpaar machen.
Das ist alles astronomisch feststellbar, aber wo ist der Einfluss auf das Individuum?
Mathis: Das ist kein Einfluss auf das Individuum. Wir beobachten etwas und schließen daraus empirisch, was auf der Welt gerade für eine Zeitqualität herrscht. Wenn Kriege sind, dann kann man am Himmel gewisse Konstellationen ausmachen. Wenn ein Wirtschaftswachstum da ist, kann man das auch feststellen. Aus dem schließt man dann, was die nächste Konstellation an Zeitqualität bringt. Was wir daraus machen, ist wiederum unser freier Wille.
Gruber: Wenn Sie von Zyklen sprechen: Der Mond kommt zwar immer wieder zurück, aber nicht auf die selbe Position, weil er sich immer weiter von der Erde entfernt. Das ist also genau genommen kein Zyklus. Das schaut Daumen mal Pi zwar so aus, aber über 5000 Jahre kann man sagen, sind es zig Meter, die sich der Mond wegbewegt hat. Damit ist es nicht wiederkehrend.
Mathis: Wir gehen von einer erfahrbaren Erlebbarkeit aus.
Gruber: Ja, Moment. Wenn sie jetzt vom Planetenpaar Pluto-Neptun sprechen, den Pluto sehen sie nicht mit einem herkömmlichen Teleskop, geschweige denn mit freiem Auge, auch den Neptun sehen sie nicht. Somit ist das nicht erfahrbar. Und: Der Pluto ist mittlerweile kein Planet mehr. Dann haben wir die Zwergplaneten Xena und Hera, die eigentlich noch viel größer sind als Pluto und einen viel größeren Einfluss haben müssten. Haben die keinen Einfluss?
Mathis: Da hab ich keine Erfahrung.
Sie bauen auf neun Planeten auf?
Mathis: Nein. Die Planeten selbst bewirken nichts. Mit einer neuen Zeit kommen eventuell neue Planeten dazu. Der Pluto wurde entdeckt, wie die Atombombe erfunden wurde, der Uranus zur Zeit der französischen Revolution. Gewisse neue Prinzipien kommen dazu, wenn sich auch die Zeitqualität verändert.
Gruber: Tschuldigung, die Planeten haben keinen Einfluss?!
Mathis: Ja, sie stellen eine reine Beobachtungsebene dar.
Gruber: Beobachtung alleine ist noch kein Beweis, dass es stimmt. Zum Beispiel gibt es eine tolle Beobachtung, die nachweist, dass es im Burgenland, wenn es mehr Störche gibt auch mehr Babys gibt. Das ist kein Witz, das gilt seit 40 Jahren. Können wir jetzt daraus schließen, dass die Störche die Babys bringen? Das ist der wichtige Punkt für uns Naturwissenschafter: Nur weil zwei Dinge miteinander korrelieren, bedeutet es noch nicht, dass sie auch wirklich zusammenhängen. Das Gemeine ist, dass das menschliche Gehirn, auf Dinge, die gleichzeitig passieren, unheimlich gut reagiert. Wir sind eine einzige Maschine, die nichts anderes tut. Ob die Dinge wirklich in einer Kausalität stehen, interessiert unser Gehirn nicht. Das ist aber ein wichtiger Punkt.
Mathis: Aber für die Astrologie ist die Kausalität uninteressant, wir beobachten nur. Ich hab dazu zwei Axiome entwickelt: 1. Die Zeitqualität auf der Erde wird vom relativen Stand der Gestirne zur Erde angezeigt. 2. Der Mensch wird im Augenblick der Geburt von der an seinem Geburtsort vorherrschenden Zeitqualität geprägt und behält diese Prägung ein Leben lang bei. Wir Astrologen können diese Prägung sichtbar machen. Wir zeigen das gesamte Entwicklungspotenzial auf, das in einem Menschen schlummert. Was er daraus macht ist sein freier Wille. Wir zeigen aber nicht nur die Anlagen eines Menschen auf, sondern auch die Zeitqualität, die im aktuellen Moment herrscht. Das heißt, wir können aufzeigen, welche Chancen er gerade hat, und welche Herausforderungen eventuell zu meistern sind. Durch das Annehmen seiner gegebenen Anlagen, wird der Mensch frei – er kann entscheiden, wie er damit umgeht, ob zum Wohle des Menschen oder eben nicht.
Das heißt, man wird je nach Geburtsstunde als Glückskind oder Pechvogel geboren? Jetzt ins Unreine formuliert.
Mathis: Nein. Wenn ich im Weißen Haus auf die Welt komme, werde ich anders geprägt sein, als wenn ich in der Sahelzone auf die Welt komme.
Gut, das ist klar.
Mathis: Das ist Zeitqualität!
Gruber: Ist das überprüft worden? Dazu möchte ich ein Zwillingspaar nehmen, am selben Ort geboren, das dann rund 500 Kilometer von einander entfernt mit sozial äquivalenten Familien aufwächst. Die müssten sich ja äquivalent entwickeln. Wie viele Zwillingsstudien wurden durchgeführt?
Mathis: Ich bin darauf spezialisiert. Zwillinge können sich nach meiner Interpretation auch mit dem gleichen Horoskop unterschiedlich entwickeln, weil sie sich das Horoskop „aufteilen“. Einer führt, der andere lässt sich führen. Wir ergänzen uns in einer Partnerschaft, und Zwillinge tun das auch. Wenn sie ein Zwillingshoroskop hernehmen, kann man sagen, der eine lebt überwiegend die Sonne, der andere überwiegend den Mond. Der eine lebt den ungelebten Anteil des anderen.
Gruber: Die Frage war, wie oft wurde anhand von Zwillingen das untersucht. Wie oft wurde gezeigt, dass ihr zweites Axiom richtig ist.
Mathis: Ich hab Tausende Horoskope untersucht, aber ich habe weder das Geld noch die Zeit, das ausführlich zu untersuchen. Ich bekomme keine staatliche Förderung, ihre wissenschaftlichen Gebiete hingegen werden vom Staat gefördert.
Gruber: Das lasse ich nicht gelten. Einstein hat als Privatpersonen drei fundamentale Theorien geschaffen. Wenn Sie beweisen können, dass Astrologie funktioniert, können Sie auch eine Million Dollar bei der Randi-Stiftung abräumen (der Kanadier James Randi hat eine Million Dollar ausgelobt für die erfolgreiche Demonstration übernatürlicher Fähigkeiten unter wissenschaftlichen Testbedingungen ausgesetzt).
Frau Mathis, haben Sie es denn nötig, sich mit der Wissenschaft zu messen? Spielen sie nicht in ihrer eigenen Liga fernab wissenschaftlicher Überprüfbarkeit.
Mathis: Wir brauchen keinen Beweis, es gibt viele Dinge unter dem Himmel, von denen sich ihre Schulweisheit nichts träumen lässt. Wenn jemand sein Weltbild auf das rein Materialistische beschränken, tu er mir leid. Dann entgeht ihnen die Hälfte des Lebens, die Dinge, die man spürt, die man fühlt. Wozu brauche ich wissenschaftliche Beweise, wenn etwas funktioniert?
Gruber: Weil es nicht funktioniert! Wenn die Astrologie so gut funktionieren würde, wie sie behaupten, wäre sie ja ein Segen für die Menschheit.
Mathis: Die guten Astrologen heute behaupten nicht, dass die Sterne einen Einfluss haben, zumindest keinen den wir kennen. Die Sterne sind ein Ableseinstrument, so wie ich vom Thermometer Temperatur ablese, lese ich an den Sternen die Zeitqualität in Form von Archetypen ab. Und ich lese Archteypen ab. Seit Sigmund Freud ist es offensichtlich, dass die meisten Beweggründe des Menschen im Unbewussten liegen. C. G. Jung nannte sie die kollektiven Archetypen, sie sind versteckt, nicht sichtbar, drücken sich aber in verschiedenen Ereignissen aus.
Gruber: Da bin ich bei ihnen. Darum glaube ich auch, dass Astrologie etwas kann. Nur die Frage ist, was? Es gibt das Problem bei der Entscheidungsfindung, geh ich nach rechts oder links, was ist besser? Ich kenne einen aus dem gehobenen Management, der vor solchen Entscheidungen aufs Klo geht, eine Münze wirft und dann seiner Mannschaft verkündet, wohin der Weg geht. Da glaube ich sehr wohl, dass es sinnvoll sein kann, dass es jemanden gibt, der relativ neutral ist, und mit dem man über die Szenerie spricht. Nicht, dass ich glaube, dass es die Sterne dazu bräuchte, das könnte genau so gut ein Barkeeper leisten.
Frau Mathis, was sagen Sie einem Manager, der zu Ihnen kommt und fragt, soll er mit einer Firma fusionieren oder nicht?
Mathis: In jedem Horoskop sind gewisse Zeitspannen angezeigt, in denen man aufbauen soll, und solche, in denen man reduzieren soll. Wenn ein Manager zu mir kommt in einer Zeit der Aufbauphase, dann empfehle ich, zu expandieren, ich sage aber nur „Sie haben positive Aussichten, dass ihr Vorhaben gedeiht und wächst“. Oder eben umgekehrt, ich sage, es ist besser erst einmal gesundzuschrumpfen.
Gruber: Sind Sie sich in der Astrologenszene einig?
Mathis: Es gibt viele verschiedene Strömungen. Aber es gibt eigentlich eine universelle Lehre. Das Tierkreiszeichen ist ein Symbol das jeder versteht. Die Planeten versteht jeder.
Frau Mathis, warum gibt es in der Astrologie so viele verschiedene Vorhersagen?
Mathis: Weil jeder Mensch unterschiedlich ist. Gehen Sie zu einem Arzt, und Sie kriegen zehn verschiedene Meinungen.
Gruber: Nein, wenn ich eine Lungenentzündung hab, krieg ich von zehn Meinungen neun Mal Lungenentzündung. Bei der Vorhersage, welche Nation die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 gewinnt, haben 40 bis 50 Astrologen mitgemacht, und die Trefferquote lag bei Null! Also, das ist nicht so berühmt, oder?
Mathis: Wer braucht eine Voraussage von einem Fußballmatch?
Gruber: Na, entweder ich kann es oder ich kann es nicht!
Mathis: Ich hab nie gesagt, dass wir das können.
Was können Sie?
Mathis: Das Unbewusste zeigt mir viel mehr auf, als ich möchte. Sie kennen sicher die Eisberg-Philosophie. Der sichtbare Teil des Eisberges über der Wasseroberfläche entspricht in dieser Analogie dem Bewussten; der weit größere Teil des Eisberges liegt jedoch unter der Wasseroberfläche verborgen und entspricht dem Unbewussten. Anhand des Horoskops können wir das Unbewusste eines Menschen sichtbar machen. Ob eine Mannschaft im Fußball gewinnt, das hat doch nichts mit dem Menschen an sich zu tun.
Gruber: Warum machen das dann ihre Kollegen? Oder warum machen sie Wahlvorhersagen und scheitern damit kläglich?
Mathis: Das ist nicht unsere Aufgabe. Es gibt eine professionelle Astrologie, und es gibt Unterhaltungsastrologie. Letzteres ist nicht meins. Konkrete Vorhersagen gehen deswegen nicht, weil sich das archetypische Prinzip auf vielerlei Art und Weise ausdrückt.
Gruber: T’schuldigen Sie, das ist aber jetzt schon eine Heurigentheorie: Du sitzt im Heurigen vorm Spritzer und sagst: „Wenn’s anders wär’, wär’s anders.“
Mathis: Nein. Ein Archteypus kann sich auf vielfältige Weise ausdrücken, aber nicht auf jede beliebige.
Gruber: Wäre da der klassische reine Psychologe nicht gescheiter?
Mathis: Nein, wir sind viel schneller. In einer Stunde habe ich die Anlagen eines Menschen: etwa ob er für eine Führungsposition taugt oder ob er eher im Hintergrund arbeiten soll.
Gruber: Ich frage mich, wieso die Astrologie bei jeder wissenschaftlichen Überprüfung scheitert. Man hat zum Beispiel 2000 Personen genommen und die zehn extrovertiertesten und zehn introvertiertesten herausgesucht. Wenn ich Menschen mit einer eindeutigen Charakterisierung habe, dann sollte ich erwarten können, dass Astrologen diese nach dem Geburtsdatum herausfinden. Aber: Trefferquote Null. Das heißt: wenn ich mit dem Geburtsdatum nicht einmal zuteilen kann, wer sehr introvertiert oder extrovertiert ist, dann hab ich ein fundamentales Problem in der Methodik. 45 Astrologen haben da mitgemacht.
Mathis: Unsere Methode funktioniert seit 5000 Jahren, wir brauchen dazu keine Wissenschaft.
Gruber: Nein, sie funktioniert nicht. Wenn sie es nicht nachweisen können, dann sind sie, entschuldigen Sie, auf dem Niveau eines Gauklers.
Mathis: So lange sie alles ausklammern, was nicht wissenschaftlich belegbar ist, tun wir uns hier schwer. Das ist ein altes materialistisches Weltbild. Ich finde, es gibt im Leben viele Dinge, die unerklärbar sind, und die brauch ich nicht erklären, die funktionieren einfach.
Liegen Sie auch manchmal falsch mit einer Prognose?
Mathis: Da wäre ich ja der liebe Gott….Aber 80 Prozent Trefferquote habe ich. Da kommen die Leute nach zehn Jahren noch zu mir, und sagen ,das war erstaunlich, das hätte ich nie geglaubt. Und es ist eine lösungsorientierte Beratung. Wir sagen nicht, schau, da ist eine Schwachstelle und jetzt häng dich auf damit, sondern wir geben eine konstruktive Perspektive.
Gruber: Da bin ich jetzt ganz bei ihnen, da wird’s jetzt versöhnlich. Jemanden zu erklären, wie sein Leben ausschaut, kann ich aufgrund seiner persönlichen Geschichte, seiner sozialen Herkunft usw., ihr gebt’s halt die Sterne dazu. Das hat Vorteile, dass man gewisse Dinge, die emotional schwierig sind, auf die Sterne schiebt.
Der Glaube an das Ganze ist auch wichtig.
Mathis: Nein, überhaupt nicht. Ich beobachte etwas und ziehe daraus meine Schlüsse.
Sie glauben an die Schlüsse.
Mathis: Das ist experimentell nachgewiesen über 5000 Jahre. Es gibt Uranus-Pluto am Himmel und zeitgleich die Revolution in Frankreich Jetzt haben wir wieder Uranus-Pluto und überall Revolutionen. Das ist die gleiche Zeitqualität. So arbeiten wir.
Gruber: Folgendes Problem: Die Tierkreiszeichen haben sich in den vergangenen 5000 Jahren massiv verändert, weil sich unser Sonnensystem um das galaktische Zentrum dreht. Wie berücksichtigen Sie das?
Mathis: In dem wir die Astrologie auf die heutige Zeit ummünzen.
Gruber: Man richtet es sich, wie man es braucht.
Mathis: Nein, früher hätte man gesagt, mit seiner Troika macht er dies und jenes. Heute sagt man, mit dem Flugzeug. Wir gehen mit der Zeit.
Gruber: Ich behaupte, dass die Daten, die ihr eingebts, bei den Tierkreiszeichen 5000 Jahre alt und nicht mehr aktuell sind.
Mathis: Man muss prinzipiell zwischen Tierkreiszeichen und Sternbild unterscheiden. Die Tierkreiszeichen entstehen aus der fiktiven Teilung des Tierkreises in zwölf gleichgroße Kreissektoren beginnend am sogenannten Frühlingspunkt. Aufgrund der Bewegung des Frühlingspunktes decken sich Tierkreiszeichen und astronomisches Sternbild nicht immer, was für die Interpretation des Horoskops jedoch unerheblich ist.
Gruber: Das heißt, Tierkreiszeichen hat nichts mit dem Sternbild zutun.
Mathis: Ja.
Gruber: Das ist das erste Mal, dass ich das von einer Astrologin so höre.
Die Astrologie scheitert immer an der wissenschaftlichen Überprüfung. Warum ist das so?
Mathis: Weil der Mensch ein Individuum ist. Wenn zum Beispiel ein Mensch in der Kindheit Gewalt erlitten hat, dann muss er damit umgehen: entweder er wird genau so gewaltsam oder er wird Friedensnobelpreisträger, beides ist möglich. Ich sehe nur sein Gewaltpotenzial, der Rest ist freier Wille.
Gruber: Ok, bei allem Respekt, dafür brauch ich keine Astrologie. Da brauch ich mich nur fünf Minuten mit einem Menschen unterhalten, dann weiß ich, das hat er erlebt, das kann so oder so ausgehen.
Mathis: Unter Umständen weiß er gar nicht, ob er das erlebt hat.
Gruber: Ich erwarte mir, dass, wenn ich wohin gehe und „behandelt“ werde, dass der weiß, warum, wieso und weshalb. Alles andere ist für mich Scharlatanerie. Sie glauben etwas zu haben, das scheinbar funktioniert, sind aber nicht bereit, dass einem wissenschaftlichen Test zur Verfügung zu stellen. Das ist aber das einzige, das zählt. Nur zu sagen, ich glaube, das macht die römisch-katholische Kirche seit 2000 Jahren, ein Konzept das hier funktioniert.
Mathis: Wir glauben nichts. Es funktioniert.
Gruber: Das sagt auch jeder Scharlatan. Dann möchte ich den Beweis haben.
Mathis: Ich freue mich, wenn wir gemeinsam ein Experiment machen, wenn Sie mir die Ideen liefern. Ich brauche das nicht für mein Selbstverständnis, aber ich bin gerne bereit, wenn es einen Wissenschafter gibt, der sagt, wie man das machen soll. Ein Experiment, das von ihrer Seite her sinnvoll ist, und wo ich sage, das ist machbar.
Das wäre doch eine lustige Geschichte.
Gruber: Gerne. Das werden wir gründlich vorbereiten. Und im Kurier wird’s veröffentlicht, egal wie es ausgeht. Und wie gesagt, es gäbe eine Million Dollar zu gewinnen. Sollte ich nachweisen können, dass Astrologie gilt, fahre ich nächstes Jahr nach Stockholm und bin am 10. Dezember dabei (bei der Nobelpreisverleihung, Anm.).
TV-Tipp
Die „Science Busters“ („Global Warming Party“) in der Donnerstagnacht auf ORF1 am 5. Jänner, 22.50 Uhr.