"Vatileaks"-Affäre: Immer mehr Details
Mit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts und der Anklageschrift in der Enthüllungsaffäre "Vatileaks" werden immer mehr Einzelheiten zu den Ermittlungen im Vatikan bekannt. So habe der Ex-Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., der sich zusammen mit einem weiteren Angeklagten im Herbst vor einem vatikanischen Gericht verantworten muss, der Kirche unterm Strich etwas Gutes tun wollen. Dies geht aus den am Montag veröffentlichten und auch ins Internet gestellten Unterlagen der vatikanischen Ermittler hervor. Paolo Gabriele wird schwerer Diebstahl zur Last gelegt, einem Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat Beihilfe dazu.
Dem im Mai festgenommenen und inzwischen in den Hausarrest entlassenen Ex-Diener Benedikts wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente vom päpstlichen Schreibtisch entwendet zu haben, von denen einige brisante in die Medien gelangten. Darunter waren Unterlagen zu einem angeblichen Mordkomplott gegen den Papst und zu umstrittenen Geschäften der Vatikan-Bank IOR.
"Verbindungsmann des heiligen Geistes"
Im Rahmen der Ermittlungen habe Gabriele angegeben, er habe sich als "Verbindungsmann des heiligen Geistes", gegen das "Böse und die Korruption", die "überall" seien, erheben wollen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Er sei sicher gewesen, dass ein Schock, auch über die Medien heilsam sein könnte, um die Kirche wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Die "Vatileaks"-Affäre um die Weitergabe vertraulicher Dokumente aus dem Vatikan an die Presse wird vor Gericht aufgearbeitet. Prozessbeginn könnte im Oktober sein. Der Vatikan schließt nicht aus, dass es Untersuchungen zu möglichen weiteren Hintermännern des Ex-Dieners geben könnte. Diesem drohen wegen schweren Diebstahls mehrere Jahre Haft. Benedikt kann kraft seines Amtes jedoch intervenieren und den Mann begnadigen. Beim Papst hat sich der frühere Kammerdiener inzwischen entschuldigt.
Der Vatikan veröffentlichte am Montag sowohl den Untersuchungsbericht als auch die Anklageschrift gegen die beiden Männer. Im Zuge der Ermittlungen wurden bei dem 46-jährigen Gabriele nicht nur Dokumente sichergestellt. Auch ein auf Benedikt ausgestellter Scheck über 100.000 Euro sowie weitere an den Papst gerichtete Geschenke seien gefunden worden. Gabrieles Anwalt sagte Ansa zufolge, sein Mandant habe nichts von dem Scheck gewusst und auch nie vorgehabt, diesen einzulösen. Auch Vatikan-Sprecher Federico Lombardi schloss finanzielle Beweggründe aus.
Gabriele redet sich auf Unordentlichkeit aus
Als ein Motiv gab der Kammerdiener zudem an, er habe den Eindruck gehabt, der Papst werde falsch informiert. Das habe ihn persönlich interessiert. Er habe die Unterlagen fotokopiert, damit keine Originale verschwinden. Dass er Gegenstände des Papstes zu Hause hatte, begründete er mit seiner Unordentlichkeit. Laut Radio Vatikan kamen psychiatrische Gutachten Gabrieles zu dem Schluss, der Familienvater habe seelische Probleme. Dennoch sei der Richter von einer Schuldfähigkeit ausgegangen und es sei Anklage erhoben worden.
Auch Informatiker vor Gericht
Neben Gabriele muss sich auch ein weiterer Vatikan-Angestellter vor Gericht verantworten. Bei diesem soll es sich um einen Bekannten Paolo Gabrieles handeln, einen 48 Jahre alten Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat.
Vatikan-Sprecher Lombardi betonte laut Ansa jedoch, dass dieser nicht als Komplize zu sehen sei, da seine Vergehen weitaus weniger gravierend seien als die des früheren Kammerdieners. Der Informatiker war bereits nach einer Nacht wieder aus der Haft entlassen worden und ist derzeit von seinen Aufgaben entbunden, bekommt aber weiter sein Gehalt.
"Majordomus" - besondere Vertrauensstellung
Die "Kammerdiener seiner Heiligkeit" gehören zur päpstlichen Familie (Seguito Papale), dem aus rund 30 Personen bestehenden engsten Kreis um den Pontifex. Sie sind im Vatikanstaat mit protokollarischen Aufgaben betraut. Die nach katholischer Tradition freiwilligen Laien des päpstlichen Gefolges sind in der Regel Angehörige des Adels oder angesehener römischer Familien.
Unter den Dienern hat der persönliche Kammerherr des Papstes als "Majordomus" eine besondere Vertrauensstellung. Er hilft dem Oberhaupt der katholischen Kirche beim Anziehen, bedient ihn beim Essen und bereitet sein Schlafzimmer vor. Er hat freien Zugang zu den Privatgemächern des Papstes und verwahrt alle Schlüssel zu Türen, Treppenhäusern und Aufzügen. Der persönliche Kammerdiener folgt dem Heiligen Vater bei Audienzen und begleitet ihn auf Reisen.
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Hintergrund
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