Politik

Strafverteidiger: "Verbrechen macht sich bezahlt"

Wer Geld und einen bekannten Namen hat und mit dem Gesetz in Konflikt gerät, kann es sich vor Gericht richten. Für ihn öffnen sich Hintertüren, zu denen No-Names keinen Zugang haben. Sagt der Strafverteidiger Werner Tomanek in seinem eben erschienenen Buch "Die Zwei-Klassen-Justiz". Freunde macht er sich damit keine. Ein Kernsatz lautet: "Es gibt fähige Polizisten und Polizisten, die zu allem fähig sind." Ein anderer: "Gericht hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun."

Der prominenteste Fall des Mannes, der seinen Beruf auch als "Widerstand gegen die Staatsgewalt" interpretiert, ist die Eissalon-Besitzerin Estibaliz C. Sie steht ab 19. November vor Geschworenen, weil sie zwei ihrer Männer ermordet, zersägt und im Keller einbetoniert haben soll. Tomaneks Aufgabe ist es, auch für diese "furchtbarsten Dinge eine günstigere Sprachregelung zu finden". Das scheint ihm schon gelungen zu sein, denn "seiner Eisbaronin" fliegen alle Herzen zu, seit sie in U-Haft ein Kind zur Welt gebracht und man es ihr weggenommen hat.

KURIER: Ihre Mandanten müssen spuren, heißt es. Folgen Ihnen alle brav?
Werner Tomanek:
Das ist der Grund, weshalb ich einer der wenigen Anwälte bin, die Helmut Elsner noch nicht kontaktiert hat. Der ist unverwaltbar. Die Halbgebildeten aus der Betrugsbranche sind die Schlimmsten, die glauben den Blödsinn selber: "Es wär’ sich eh noch alles ausgegangen." Das geht vom Anzahlungsbetrüger von Sicherheitstüren bis zu Leuten wie Elsner, der Unterschied sind nur die Nullen dahinter. Verbrechen macht sich nicht bezahlt? Papperlapapp! Nur Idioten betrügen mit niedrigen Summen.

Apropos Geld: Wer zahlt Sie, wenn der Klient kein Geld hat?
Die goldenen Zeiten sind vorbei. Aber bestimmte ethnische Gruppen haben eine gewaltige Solidarität, da gehen die Verwandten am Brunnenmarkt sammeln. Auch wenn dann ein Freispruch gefällt wird, ist das ein irrer Schaden, und der Ersatz vom Staat ist ein Hohn. Es gibt ja auch keine persönliche Verantwortlichkeit der handelnden Personen. Jeder Arzt, der Mist baut, muss sich verantworten. Ein Polizist oder Staatsanwalt nur, wenn es schon zum Himmel schreit.

Sie legen sich mit allen an. Sorgen Sie sich nicht um die Folgen?
Ich scheue Konflikte herkunftsbedingt nicht (Tomanek ist im Gemeindebau in Ottakring aufgewachsen). Und mich wundert, dass das niemand ausspricht: Man sperrt lieber den ein, der sich nicht wehren kann. Die Polizei ist ja auch nur für die Blutlache und den rauchenden Revolver ausgebildet. Wenn der kleine Dragan Jovanovic das macht, was zum Beispiel ein Meischberger mit "wos is’ mei’ Leistung?" gemacht hat, sitzt er in Ketten bis zum Hals.

Hatten Sie jemals Angst vor Klienten? Zumindest als Ihnen jemand die Wohnung angezündet hat?
Ich räume ein, dass das unbehaglich war. Aber das ist wie bei Siegfried und Roy, die mit Raubkatzen spielen und glauben, es sind Miezekätzchen. Irgendwann beißen sie dich in den Hals, weil sie halt doch Raubkatzen sind. Früher war der Anwalt sakrosankt. Heute ist das ein bisschen anders. Ich hatte einen Tschetschenen, der Leuten die Pistole am Kopf angehalten und Schutzgeld erpresst hat. Der hat nicht verstanden, warum er deshalb sitzt. Der hat mich bedroht, weil er gemeint hat, ich packel mit der Polizei. "Ich hab ja eh nicht geschossen. Daheim zünd’ ich ganze Dörfer an", sagte er.

Je mehr Nullen, desto besser

Alle Inhalte anzeigen

Vom "Part of the game"-Ex-Politiker Uwe Scheuch über Grasser bis zu Udo Proksch kommt im Buch "Die Zwei-Klassen-Justiz" (edition a, 192 Seiten, 19,95 Euro) alles vor, was im Gerichtswesen Rang und Namen hat. Solche Leute können laut Tomanek den Justizapparat für ihre Zwecke ausnützen. "Je mehr Nullen an einer Schadenssumme dranhängen, desto glimpflicher fallen Ermittlungsdruck und Strafrahmen aus", schreibt der Anwalt. Und selbst eine Haftstrafe ist für diese Klientel ein Spaziergang. Sofern sie sich einen Anwalt wie Tomanek leisten können und sich nicht "einen unbekannten Strafverteidiger eingetreten" haben.