Politik

Stepic über Russland: "Es gibt Fortschritte"

Stepic hält Putin für einen Stabilitätsfaktor, kritisiert aber das russische Justizsystem. Insgesamt sieht der Russland-Kenner einen positiven Trend.

KURIER: Herr Generaldirektor Stepic, nach den Umfragen muss sich Wladimir Putin keine Sorgen machen, er wird die Wahl gewinnen.Herbert Stepic: Das überrascht mich nicht. Er wirkt ruhig, hat sich klug verhalten und war auch gut beraten, Demonstrationen zuzulassen, dabei hat er auch die Medienfreiheit eingehalten. Damit hat er klargemacht, dass nur er das Land auch die nächsten 6 Jahre regieren wird.

Angeblich wurden Leute zwangsweise zu seinen Kundgebungen hingekarrt.So wie China ist sicher auch in Russland das Demokratieverständnis ein anderes, als es unser Selbstverständnis ist. Beide Länder sind in einem Demokratiewerdungs- und Lernprozess.

Aber es gibt Fortschritte?Ich sehe deutlich Fortschritte und ich glaube auch, dass mit dieser Wahl und mit diesen Ereignissen vor und um die Wahl, eine erste Formierung einer Opposition stattfinden wird. Die Nutzung von Social Media nimmt stark zu, das ist für mich ein Zeichen, dass es in der nächsten Phase für Putin deutlich schwieriger wird.

Als Bank profitieren Sie von Stabilität.Lassen Sie mich das anders formulieren. Jeder im Westen sucht Stabilität. Und das sagt Putin in seinen Wahlreden: „Ich garantiere euch fortgesetzte Stabilität.“

Und das garantiert er auch Ihnen, und darüber freuen Sie sich.Und das garantiert er indirekt auch mir, weil wir damit normale Arbeitsbedingungen haben. So ähnlich, wie wir sie auch in Österreich vorfinden. Oder auch in den meisten osteuropäischen Ländern. Ich denke, das ist eine sehr positive Entwicklung. In der medialen Berichterstattung geht total unter, wie gut diese Länder den Demokratisierungsprozess verdaut haben.

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Für Stabilität ein wesentlicher Punkt ist das Justizsystem. Entspricht das westlichen Standards?Da gibt es deutliche Schwächen. Das ist sicher der schwierigste Teil im Demokratiewerdungs- und quasi auch Verwestlichungsprozess. Das ist auch den Machthabern im Kreml völlig bewusst. Und ich glaube daher, Putin wird hier handeln müssen. Law and Order zu bestimmen, das war wahrscheinlich nicht ganz richtig.

Sagen Sie und andere Investoren den russischen Geschäftsfreunden: Da müsst ihr schneller weiterkommen?Aber ganz wesentlich. Bei allen meinen Gesprächen – auch mit russischen Journalisten – ist das meine wichtigste Aussage. Man reagiert hier durchaus verständnisvoll.

Putin hat bei den letzten Wahlen gemeint, die Wirtschaft müsse mehr schaffen, als Öl und Gas fördern.Das ist wahr. Das ist auch deshalb der Fall, weil die Investitionen in die Nichtenergiesektoren wesentlich länger dauern. Und die Tatsache, dass der Öl- und Gaspreis sich so sprunghaft erhöht hat, hat natürlich die Relation wieder eindeutig zugunsten dieser Einnahmequelle verschoben. Der Privatsektor ist aber sehr aktiv, was die Investitionstätigkeit betrifft.

Wie schnell bildet sich ein selbstbewusster Mittelstand?Diesen wirklich selbstbewussten Mittelstand gibt es nur in den großen Städten, aber dabei handelt es sich bis dato noch um eine Minderheit.

Also diejenigen, die in Wien oder in anderen westlichen Städten die Louis-Vuitton-Geschäfte stürmen, das sind Leute, die sehr viel Geld haben. Das ist ja noch nicht der Mittelstand. Richtig?Nein, aber er entsteht laufend. Man darf nicht vergessen, dass es in Russland die letzten Jahre eigentlich regelmäßig einen deutlichen Einkommensschub über der Realinflation gegeben hat. Das heißt, es ist deutlich mehr Geld ins Volk gekommen, als das in anderen Ländern der Fall war. Also den Russen geht es mit jedem Jahr wirklich besser.

Putin hat Aufrüstung versprochen, lassen sich damit Stimmen gewinnen?Dass er das zu diesem Zeitpunkt dem Militär, einer relativ großen Bevölkerungsschicht, signalisiert hat, verwundert mich nicht. Einen 40-Prozent-Zuwachs im Militärbudget kann ich mir aber schwer vorstellen.

Also sehr starke Wahlkampfrhetorik?Ja, sehr stark.

Kürzlich hat er einer Wirtschaftszeitung gesagt: „Wir brauchen eine neue Wirtschaft.“ Was heißt das?Neue Wirtschaft heißt ganz klar starke Investition in Technologie und Forschung. Dazu Einkauf dieser Technologie im Westen, das heißt insbesondere die Partnerschaft mit Deutschland fortsetzen oder auch Joint-Venture-Gründungen – ähnlich wie es mit Magna im Automobil-Fach war.

Werden Sie in Russland im nächsten Jahr mehr Geld verdienen?Das kann ich noch nicht sagen, aber ich glaube, dass bei einer fortgesetzt stabilen Wirtschaftspolitik im Land, die Zeichen auf Grün stehen. Die Banken werden davon profitieren. Wir glauben, und das hängt jetzt mit Ihrer Frage zur Wirtschaftsentwicklung zusammen, dass es einen immer steigenden, größeren Anteil von Wirtschaftsteilnehmern gibt, die die Kapitalmärkte nützen werden. Wir sehen also daher insbesondere in Russland ein stark steigendes Kapitalmarktgeschäft. Die Investitionen werden steigen, und zwar private und staatliche, insbesondere wenn sie Forschungs-affin sind. Wir glauben daher, dass wir unsere Produktpalette erweitern können, das werden differenziertere Produkte sein – also nicht nur Einlagen und Sparbuch, sondern es wird primär Asset Management sein. Fondsgeschäft, wo man den Kunden doch auf einer Palette von Veranlagungsmöglichkeiten, was Termine, was Produkte, was Zinsabhängigkeit betrifft, Unterschiedliches anbieten kann.

Und Sie sind wirklich voll und ganz optimistisch, Wirtschaft und Politik entwickeln sich weiter in Russland?Ich bin absolut der Überzeugung, dass dieser Prozess so langsam er auch gehen mag, was die demokratischen Veränderungen betrifft, laufend erfolgt. Für manche ist das natürlich nicht schnell genug. Aber als wesentliche Voraussetzung ist, und da sind wir wieder beim Anfangsthema, was Putin garantiert, nämlich Stabilität. All das geschieht nicht durch eine Revolution, sondern durch eine Evolution. Daher erachten wir das als sehr positiv.

Zur Person: Herbert Stepic (65)„Ostpionier“ Stepic, der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen Bank International (RBI), gilt als „Ostpionier“ der Raiffeisengruppe. Die RBI ist die größte westliche Bank in Russland und den ehemaligen GUS-Staaten. Stepic hat die RBI-Osteuropa-Strategie seit 1986 formuliert und umgesetzt.

Auszeichnungen Ende Jänner wurde Stepic das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Neben anderen Ehrungen wurde er 2006 von der „Group of 20+1“ zum „European Banker of the Year“ gekürt.