Pakistans Premier muss zurücktreten
Pakistans Premierminister ist amtsunfähig: Knapp zwei Monate nach seiner Verurteilung wegen Missachtung der Justiz hat der Oberste Gerichtshof Pakistans Regierungschef Yousuf Raza Gilani die weitere Ausübung seines Amtes untersagt. Das Oberste Gericht forderte Präsident Asif Ali Zardari am Dienstag auf, die Wahl eines neuen Premiers einzuleiten. Es war zunächst unklar, ob Gilani nun zurücktritt. Die Regierung äußerte sich zunächst nicht.
Laut der pakistanischen Verfassung dürfen Bürger, die wegen Diffamierung oder Verspottung der Justiz verurteilt wurden, kein Abgeordnetenmandat ausüben. Anders als die regierende Pakistanische Volkspartei (PPP) von Gilani sah das Gericht auch den Tatbestand der Missachtung der Justiz als Teil dieser Regelung an. Gilani habe deshalb mit seiner Verurteilung am 26. April sein Mandat verwirkt und dürfe auch nicht mehr Premier sein, urteilte das Gericht jetzt.
Bei dem Prozess ging es um die Weigerung des Regierungschefs, die Schweizer Justiz zur Wiederaufnahme ihrer Ermittlungen gegen Präsident Zardari aufzufordern. Diesem wird vorgeworfen, in den 90er Jahren mit seiner Frau, Ex-Regierungschefin Benazir Bhutto, Bestechungsgelder auf Schweizer Konten geschafft zu haben. Die Schweiz legte ihre Ermittlungen auf Eis, als Zardari im Jahr 2008 Präsident wurde. Gilani sollte daraufhin eine Wiederaufnahme fordern.
Da gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt worden sei, habe Gilani kein Recht mehr, Mitglied des Parlaments zu sein, sagte der Vorsitzende Richter Iftikhar Chaudhry. "Er ist auch nicht mehr der Ministerpräsident von Pakistan." Das Amt sei nunmehr unbesetzt.
Nach Ansicht der Regierung genießt Zardari als amtierendes Staatsoberhaupt Immunität. Die Richter sahen das anders, was den Konflikt mit der Regierung auslöste und schließlich zu Gilanis Verurteilung führte.
Richterspruch verschärft die politische Krise des Landes
Gilani ist der erste pakistanische Regierungschef seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947, der während seiner Amtszeit verurteilt wurde. Unklar ist, ob er nach dem Beschluss vom Dienstag tatsächlich zurücktritt. Bisher hatte er die Auffassung vertreten, dass nur das Parlament ihn absetzen könne. Zunächst wurde er gemeinsam mit dem Vize-Vorsitzenden der PPP, Bilawal Zardari, von dessen Vater zu einem Krisentreffen im Präsidentenpalast empfangen. Für den Abend beorderte der Staatschef laut einem Regierungsvertreter auch die Koalitionsparteien zu Gesprächen ein.
Der Parlamentssprecher hatte noch im Mai deutlich gemacht, dass der Vorwurf der Missachtung des Gerichts laut Verfassung kein Tatbestand sei, der die Absetzung des Premiers rechtfertige. Mehrere PPP-Abgeordnete hielten es jedoch für möglich, dass Gilani durch ein anderes Führungsmitglied der Partei an der Spitze der Regierung ersetzt wird, um einen Streit mit der Justiz zu verhindern und die Handlungsfähigkeit der Führung nicht zu lähmen.
Der Richterspruch dürfte die politische Krise des Landes verschärfen. Der Regierung ist es bisher nicht gelungen, die Korruption in den Griff zu bekommen und Wirtschaftsreformen umzusetzen. Sie muss sich zudem mit unzuverlässigen Koalitionspartnern rumschlagen und hat nur begrenzt Einfluss auf das Militär, das das Land lange Zeit führte und hinter den Kulissen immer noch als die treibende Kraft vor allem in Fragen der Außen-und Sicherheitspolitik gilt. Hinzu kommt eine angespannte Sicherheitslage vor allem im Nordwesten an der Grenze zu Afghanistan, wo die radikal-islamischen Taliban Unterschlupf gefunden haben.