Politik

Kurz stößt auf wenig Verständnis in Kiew

In der Wahrnehmung vieler in Westeuropa ist der Konflikt weit weg: Der Bürgerkrieg in Syrien, ja, die Flüchtlingswelle aus Nahost und Afrika und die Bedrohung durch den Terrorismus, das ist präsent – aber Ostukraine, war da was?

Da ist etwas, seit bald drei Jahren: Der Konflikt zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Einheiten entlang einer 500 Kilometer langen Frontlinie mitten durch die Ostukraine schwelt trotz „Minsker Abkommen“ und Waffenstillstandvereinbarungen, mit Todesopfern jede Woche.

Buben getötet

Martin Sajdik, Sonderbotschafter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in der Ukraine, fasst es so zusammen: „Es gibt keinen Anwalt der Menschen hier, es gibt nur Konfliktparteien.“ Die Menschen in der Region kämen laufend unter Beschuss, jüngst wurden bei Gefechten Stromleitungen zerschossen, zwei Buben, sechs und sieben Jahre alt, berührten die Leitungen – tot. Unzählige solche Beispiele gibt es. „Das sind alles Menschen, die nichts dafür können, dass hier gekämpft wird“, sagt der österreichische Spitzendiplomat Sajdik anlässlich des Besuches von Außenminister Sebastian Kurz, der gerade den Vorsitz der OSZE innehat, in der Ukraine.

Mehr als zweieinhalb Millionen Menschen haben ihr Zuhause bereits verlassen, sind als „interne Flüchtlinge“ registriert, mehr als drei Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen – und die Zahl der Todesopfer in dem Konflikt im Osten hat bereits die 10.000 erreicht. Zumeist sind es Zivilisten.

Starre Positionen

Weil die Verhandlungen um eine wirkliche Umsetzung der Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland weitgehend festgefahren sind („Da fliegen die Fetzen“, sagt ein Beobachter), liegt der Schwerpunkt der OSZE-Mission kraft ihres Auftrages in der Beobachtung und Berichterstattung der Ereignisse und in der Ermöglichung humanitärer Hilfe. „Das stille Sterben findet in den Häusern statt“, sagt Minister Kurz, der zu Jahresbeginn Mariupol im Osten besucht hat. Der Zugang der Menschen zu humanitärer Hilfe ist eingeschränkt, die fünf Checkpoints entlang der Front zu passieren, ist nur tagsüber und eingeschränkt möglich, Ukrainer östlich der Frontlinie erhalten keine Pensionszahlungen aus Kiew mehr, der Zahlungsverkehr funktioniert nicht.

„Eine schnelle Lösung des Konflikts ist nicht da, also müssen wir versuchen, die Situation erträglicher zu machen“, sagt Kurz. Dazu müsse auch die Situation der OSZE-Beobachter vor Ort verbessert werden, der ungehinderte Zugang garantiert, die Ausrüstung aufgestockt werden. Das gehe nur mit der Unterstützung Kiews und Moskaus, und um die wirbt der Minister bei seiner gegenwärtigen Reise.

Frust bei OSZE-Beobachtern

In der OSZE-Mission in Kiew wartet man auf diese Unterstützung dringend: „Wenn wir da sind, stoppen die Kämpfe, wenn wir weg sind, geht's wieder los“, wird erzählt, die sogenannte Entflechtung kämpfender Einheiten habe in zwei Regionen stattgefunden, in einer dritten nicht. Den Wunsch Kiews nach einer bewaffneten Polizeimission will man nicht kommentieren – „das ist eine politische Entscheidung“ (die alle OSZE-Mitglieder beschließen müssen, und Moskau sagt njet).

Kurz traf in Kiew am Dienstag mit Außenminister Pawlo Klimkin und am Abend zuvor mit Präsident Petro Poroschenko zusammen. Der zeigte sehr viel Frustration mit der Situation. Vertrauensbasis mit Moskau gibt es keine, und gespannt wartet man, ob das neue Verhältnis zwischen den USA unter Donald Trump und Russland Moskau noch forscher auftreten lässt. Die Devise von Kurz, Sanktionen gegen Russland schrittweise aufzuheben, und zwar bei entsprechenden Entgegenkommen Moskaus auch schon vor einer vollständigen Umsetzung des „Minsker Abkommens“ für die Ukraine, lehnt Poroschenko ab. Er warb für eine harte Linie gegenüber Russland, solange es keine Verbesserung der Lage gebe, könne es auch kein Zugehen auf Russland geben.

Kurz in Moskau

Am Mittwoch trifft Kurz in Moskau Außenminister Sergej Lawrow und wird dort sein Credo vom „Ende des Blockadedenkens“ deponieren. Denn: „Frieden wird es nur mit Russland und nicht gegen Russland geben“, und „In Europa wird es nur Sicherheit und Stabilität geben, wenn es ein gutes Verhältnis zu Russland gibt“.