Politik

Kurz nach US-Abzug: Anschlagserie im Irak

Es ist ein ganz offensichtlich sehr fragiles Staatengebilde, das die USA da vergangenen Sonntag auf den Weg geschickt haben. Nur wenige Stunden waren vergangenen nach dem Abzug der letzten US-Truppen, da nahm schon die schwerwiegendste politische Krise seit Jahren ihren Lauf – und am Donnerstag erlebte die irakische Hauptstadt den schlimmsten Tag dieses Jahres. An 13 Orten in der Stadt explodierten Bomben. Über der Stadt hingen Rauchsäulen. Eine koordinierte Serie, ein beispielloser Bombenteppich. Mindestens 70 Menschen starben, weit mehr als 100 wurden verletzt. Vor allem Schiiten waren das Ziel.

Was sich da am Donnerstag auf den Straßen Bagdads blutig äußerte, erfährt auf politischer Ebene seine nicht weniger dramatische Fortsetzung. Seit Tagen übt sich der schiitische Premierminister Nuri al-Maliki in Rundumschlägen gegen seine politischen Rivalen vor allem aus dem sunnitischen Lager. Die mühsam vor einem Jahr nach acht Monaten Stillstand zusammengezimmerte Regierungskoalition, in der Schiiten, Sunniten und Kurden vertreten sind, steht vor dem Zerfall – und der Irak damit vor zumindest turbulenten Zeiten. Weniger optimistische Beobachter sehen bereits einen neuen Bürgerkrieg dämmern.

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Machtkampf

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Denn was unter dem Druck der amerikanischen Militärpräsenz mehr oder weniger funktioniert hatte, war seit Montag rasant zerfallen. Erst hatte die irakische Justiz einen Haftbefehl gegen Vizepräsident Tarik al-Hashimi ausgestellt. Im staatsnahen TV wurden zeitgleich angebliche Geständnisse von ehemaligen Leibwächtern Al-Hashimis ausgestrahlt, in denen der sunnitische Spitzenpolitiker beschuldigt wird, Anschläge gegen Schiiten orchestriert zu haben. Al-Hashimi floh in den kurdischen Norden des Irak. Dort erklärte er, die Vorwürfe gegen ihn seien eine Intrige. Er weigert sich, sich der Justiz in Bagdad zu stellen. Zugleich sagte er, er stehe den Behörden der kurdischen Autonomieverwaltung zur Verfügung. Al-Maliki fordert von den Kurden nun die Auslieferung Al-Hashimis und warnt vor harten Konsequenzen, sollte er entkommen.

Gegner Al-Malikis vermuten den Regierungschef als Fädenzieher hinter der Strafverfolgung Al-Hashimis. Laut äußerte das der bisherige Vize-Premier Salih al-Mutlak, ebenso wie Al-Hashimi ein mächtiger Vertreter des sunnitischen Parteien-Bündnisses Al-Iraqiya. Mutlak beschuldigte den Premier, diktatorisch zu agieren – und wurde entlassen. Das Resultat: Die sunnitischen Minister und Abgeordneten bleiben seither Kabinetts- und Parlamentssitzungen fern. Worauf Al-Maliki drohte, alle Al-Iraqiya-Minister zu feuern.

Untermalt wird diese Eskalation von wachsenden sunnitischen Bestrebungen, autonome Gebiete zu schaffen – nach dem Vorbild der kurdischen Autonomie. Und dann die Anschläge vom Donnerstag.

Das alles binnen weniger Tage – eine bittere Begleitmelodie zum Abmarsch der USA. Für den US-Botschafter im Irak bedeutet das: Der Weihnachtsurlaub fällt ins Wasser. Er brach seinen Besuch in Washington ab, um zu stabilisieren, was da seit vier Tagen gefährlich schlingert.

Ölreiches Land im Streit um Ölvorkommen

90 Prozent der irakischen Staatseinnahmen kommen aus dem Öl-Export. Derzeit werden pro Tag 1,87 Millionen Barrel Öl gefördert (vor Einmarsch der Amerikaner waren es rund 2,5 Millionen Barrel). Laut OPEC könnte täglich mehr als doppelt so viel gewonnen werden. Das Ziel der irakischen Regierung ist es, bis 2017 die tägliche Förderung auf 13 Millionen Barrel zu steigern.

Es sind vor allem territoriale Konflikte und die schlechte Sicherheitslage, die dessen Erreichen unwahrscheinlich machen. Zuletzt warnte die Internationale Energieagentur, dass der Abzug der USA die Stabilität der Ölförderung im Irak gefährden könnte.

Die Ölgewinnung ist mit ein Grund für den jahrelangen Streit zwischen den Kurden im Irak und der Regierung in Bagdad. In der autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak finden sich große Ölfelder, etwa Kirkuk. Die Kurden wollen die Förderung selbst organisieren.