Politik/Inland

Wiener IS-Kämpfer soll Staatsbürgerschaft verlieren

Jener IS-Kämpfer aus Wien, der vor wenigen Tagen in Syrien festgenommen wurde, soll jetzt seine österreichische Staatsbürgerschaft verlieren. Zumindest, wenn es nach dem Wiener Bürgermeister geht: Michael Ludwig (SPÖ) hat die zuständige Magistratsabteilung 35 (Einwanderung und Staatsbürgerschaft) beauftragt, den Fall des 27-jährigen Azad G. zu prüfen. Die MA 35 hat, wie der KURIER erfuhr, mittlerweile ein Verfahren zur Entziehung der Staatsbürgerschaft eingeleitet.

Alle Inhalte anzeigen

Grund ist ein am Wochenende aufgetauchtes Video, das den IS-Kämpfer zeigt, nachdem er von kurdischen Soldaten festgenommen worden war. In der Aufnahme behauptete der Mann, aus Wien zu stammen. Der Verfassungsschutz (BVT) identifizierte ihn wenig später als Azad G. Die Familie des Mannes hat türkische Wurzeln. Er hat offenbar eine österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaft und lebte im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Nicht staatenlos

Bei genau dieser Doppelstaatsbürgerschaft will Ludwig nun ansetzen. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft ist nur dann möglich, wenn der Betroffene nicht staatenlos wird. Im Paragraf 33 Absatz 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes ist geregelt, dass einem Staatsbürger, "der freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt", die Staatsbürgerschaft zu entziehen ist, "wenn er dadurch nicht staatenlos wird."

Der Weg zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft ist lang: Die MA 35 holt nun eine Stellungnahme des BVT ein, dann soll Azad G. die Aberkennung zugestellt werden. Da sich der IS-Kämpfer aber nicht in Österreich aufhält, wird es nicht möglich sein, ihm das behördliche Schriftstück zuzustellen. Die Behörde muss versuchen, den Aufenthaltsort des Betroffenen herauszufinden. Erst wenn das ergebnislos bleibt, darf sie bei Gericht beantragen, einen sogenannten Abwesenheitskurator zu bestellen. Bei ihm handelt es sich um einen Anwalt, dem behördliche Schriftstücke in Abwesenheit des Adressaten zugestellt werden. Diese gelten dann als zugestellt.

Wie aber steht es um die Erfolgschancen dieses Unterfangens? Eine Aussage darüber, ob die Voraussetzungen für den Entzug der Staatsbürgerschaft tatsächlich vorliegen, will man im Wiener Rathaus noch nicht treffen. Man erhoffe sich von der Zusammenarbeit mit dem BVT ein "umfassendes Ermittlungsverfahren".

Kickl soll "endlich handeln"

Es ist außerdem unklar, ob der IS eine "organisierte bewaffnete Gruppe" ist, denn damit sind eher Armeen gemeint. Beim (mittlerweile getöteten) Wiener IS-Kämpfer Mohamed Mahmoud wurde auch so ein Verfahren eingeleitet. Es scheiterte aber daran, da die ägyptischen Behörden nicht antworteten, ob Mahmoud tatsächlich auch Ägypter ist.

Ob das Ermittlungsverfahren rund um Azad G. erfolgreich ist, hänge "wesentlich" von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ab. Dieser solle "endlich handeln", richtet man ihm im Rathaus aus.

Laut Verfassungsschutzbericht 2017 sind 313 österreichische "Foreign Fighters" bekannt. Bis zu 55 sollen getötet worden sein. Rückkehrer gab es bisher  94.

Europa: Unsichere Datenlage

Von den mehr als 1.050 Kämpfern aus Deutschland sind  rund ein Drittel wieder in Deutschland. 300 sollen getötet worden sein, etwa 250 Kämpfer sollen sich in Syrien aufhalten. London geht  von rund 200 britischen Dschihadisten in Syrien aus. Knapp 400 IS-Anhänger kamen bis Juni 2018 zurück. Auch aus der belgischen Dschihadistenszene sind viele Anhänger in die Kriegszone gereist. Von den mehr als 400 belgischen Kämpfern wurden Ende 2018 noch 150 im Irak und Syrien vermutet. Hinzukommen etwa 160 Kinder und Jugendliche. Mit fast 4.500 Dschihadisten stellt Russland (Tschetschenen) eines der größten ausländischen Kontingente der IS-Miliz.