Wie Rot und Schwarz ihre braunen Flecken aufdeck(t)en
"SPÖ und ÖVP haben ihre Vergangenheit bereits aufgearbeitet, andere Parteien haben das noch nicht getan."
So fiel die erste Reaktion von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus, als die FPÖ vor drei Wochen die Einsetzung einer Historikerkommission ankündigte.
Der Kurz-Befund entspricht laut Experten durchaus der Realität, wiewohl sich die Freiheitlichen in puncto Aufarbeitung vor allem die SPÖ zum Vorbild machen könnten: 2005 klärte eine Kommission unabhängiger Historiker in einem schonungslosen Bericht auf, wie die Sozialdemokratie nach Kriegsende mangels studierter Parteielite Altnazis aufnahm, bei deren Reinwaschung half und ihnen große Karrieren ermöglichte. Funktioniert hat dies über den "Bund Sozialdemokratischer Akademiker" (BSA), einer von ihnen war NS-Euthanasie-Arzt Heinrich Gross. Dieser löste einen jahrelang schwelenden Konflikt aus – weshalb man nach öffentlichem Druck beschloss, die Schatten der roten Vergangenheit aufzuarbeiten.
"Es ging nicht mehr anders, deshalb wollten ja keine jungen Leute mehr zu uns", erzählt Caspar Einem, einstiger Schirmherr der Aufklärungsmission. "Wir wussten, dass wir unsere eigene Geschichte aufarbeiten müssen, wenn wir uns in Nazi-Debatten nicht immer wegducken wollen", erzählt er. In der Partei regierte deshalb Skepsis, noch vor Fertigstellung des Berichts trat etwa Ex-Minister Leopold Gratz aus Protest aus dem BSA aus. Mindestens eineinhalb Jahre wurde unter Federführung des Dokumentations des Österreichischen Widerstandes (DÖW) geforscht – heraus kam auch, dass die Roten nach 1949 etliche Altnazis in ihrer Führungsriege hatten. "Mit dem Bericht", erzählt Einem, "haben wir unseren Dreck endlich aufgearbeitet".
Und die Volkspartei? Dort gab es – mangels Anlass, wie ÖVP-Granden erzählen – kaum groß angelegte Historiker-Kommissionen. Eine Ausnahme bildet die Waldheim-Kommission, die feststellte, dass der schwarze Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim mit NS-Vergangenheit "wiederholt an rechtswidrigen Vorgängen mitgewirkt hat". Laut Alt-Vizekanzler Erhard Busek "wurde die Geschichte der Partei aber in einem laufenden Prozess immer wieder ordentlich aufgearbeitet" – das betreffe auch den Cartellverband (CV), die Zeit des Austrofaschismus und (klerikale) antisemitische Tendenzen wie etwa unter Wiens Ex-Bürgermeister Karl Lueger.
Im CV warf man Nazis rasch nach dem Krieg hinaus – wiewohl man laut Insidern zum Austrofaschismus und Engelbert Dollfuß ein ambivalentes Verhältnis habe. Dessen Bild hing noch bis vor wenigen Monaten im ÖVP-Klub – unlängst musste es ins niederösterreichische Haus der Geschichte übersiedeln.
Ganz fertig mit der Aufarbeitung ist die Volkspartei indes nicht: Der Chef des ÖVP-nahen Vogelsang-Instituts, Helmut Wohnout, erarbeitet für die ÖVP gerade einen Bericht über die NS-Vergangenheit schwarzer Abgeordneter und Regierungsmitglieder bis 1980. "Die ÖVP war kein Sammelbecken für Altnazis, aber es gab sie auch dort", nimmt er das Ergebnis vorweg. Der Bericht, sagt der Historiker, "wird demnächst fertig sein".