Wer hilft, wenn zu Hause niemand Deutsch spricht
Einige leben mit vier Geschwistern in einem Zimmer. Andere haben keinen Schreibtisch zu Hause, um Aufgaben zu machen, und wieder andere reden „von komischen schwarzen Flecken an der Kinderzimmerwand,“ sagt Andrea Kotorman, Leiterin des Wiener Lernhauses.
Die schwarzen Flecken: Schimmel. Die Kinder, die davon erzählen: Schüler in Österreich. Sie gehören zu jenen 226.000 Kindern, die hierzulande in feuchten und schimmeligen Zimmern wohnen. Zu jenen, die der Unterstützung von Organisationen wie Rotes Kreuz oder Caritas bedürfen, um in einem Lernhaus oder Lerncafé betreut zu werden.
Hausaufgaben an einem eigenen, sauberen Schreibtisch machen zu können, Ruhe beim Lernen zu haben – das ist für 255.000 Kinder in Österreich nicht selbstverständlich, denn sie leben in überbelegten Wohnungen. Allein 800 Kinder warten derzeit auf einen Platz in Lerncafé. Der 11-jährige Abdul hat einen bekommen.
Der gebürtige Afghane lebt mit seinem 13-jährigen Bruder, seinem Vater und einem Freund des Vaters in einer zwei Zimmer-Wohnung in Wien. Die Brüder schlafen in einem Zimmer, die Erwachsenen auf der Couch im Wohnzimmer. Gekocht und geputzt wird nach „Stundenplan. Jeder muss alles machen“, erzählt Abdul. Und die Mutter? „Sie ist tot. Wir sind ohne sie nach Österreich gekommen.“
Seit zwei Jahren lebt er in Wien und spricht fast fließend Deutsch, wiewohl zu Hause nur Pastunisch (Sprache in Afghanistan, Pakistan, Iran) gesprochen wird. „Mein Vater kann kein gutes Deutsch, aber er will, dass ich es kann. Mein Bruder und ich mussten am Anfang Bücher abschreiben, damit wir die Worte und die schwierige Schrift lernen.“ In der Schule spricht Abdul Deutsch. Wenn gar nichts mehr geht, erzählt er, dann behelfen sich die Kinder aus aller Herren Länder in der Neuen Mittelschule mit Englisch. „Niemand in unserer Klasse hat als Muttersprache Deutsch.“ Nach der Schule geht es jeden Tag nach Hause: Aber nur zum Essen. Danach, wenn er keinen Nachmittagsunterricht hat, kommt er ins Lerncafé. Dort verbringt er zwei Stunden mit einem halben Dutzend Gleichaltriger.
Die Hausübung nimmt die meiste Zeit in Anspruch, weil „es immer viel und oft schwierig ist“. Zu Hause könne ihm niemand helfen. Auch sein älterer Bruder nicht. „Mein Vater besucht selbst einen Deutschkurs und sucht Arbeit.“ Am meisten freut sich Abdul auf die Zeit „nach dem Lernen“, wie er zugibt. „Dann spiele ich Tischfußball gegen andere, bis die Betreuung vorbei ist.“