Politik/Inland

Warum Doppelstaatsbürger kein Anfechtungsgrund sein werden

Bereitet die FPÖ für die Nationalratswahl im Herbst schon die nächste Wahlanfechtung vor? Und falls ja, wie wahrscheinlich ist ein Erfolg?

Der KURIER hat die wichtigsten Fragen zusammengefasst.

Warum sind die türkisch-österreichischen Doppelstaatsbürgerschaften im Nationalratswahlkampf jetzt ein Thema geworden?

Die FPÖ spricht sich seit Tagen dafür aus, Staatsbürgern, die rechtswidrig die österreichische und türkische Staatsbürgerschaft haben, das Wahlrecht abzuerkennen. Sie argumentiert so: Schon vor Monaten wurden Österreichs Behörden türkische Wählerverzeichnisse übermittelt, die Hinweise auf mögliche illegale Doppel-Staatsbürger liefern. Diese Fälle, sagt die FPÖ, müssten rechtzeitig vom Wahlrecht ausgeschlossen werden. Das "Problem": Die FPÖ referiert die geltende Rechtslage – wer illegalerweise zwei Pässe besitzt, verliert den österreichischen. ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka wertet das Verhalten der Blauen daher als Hinweis, dass sie schon jetzt an eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof denken.

Um wie viele Doppel-Staatsbürger geht es?

Derzeit werden 30.000 Personen von den Landesbehörden (sind für die Staatsbürgerschaften zuständig) überprüft. Diese Menschen sind österreichische Staatsbürger und scheinen gleichzeitig auf einer türkischen Wählerliste auf. Da es in Ausnahmefällen (Eltern haben verschiedene Pässe, 2. Staatsbürgerschaft ist für den Job nötig, etc.) durchaus möglich ist, legal beide Pässe zu besitzen, sind nicht alle 30.000 automatisch illegale Doppelstaatsbürger. Laut vorsichtigen Schätzungen hat jeder dritte Doppelstaatsbürger illegalerweise den türkischen Pass. Um die Fakten zu erheben, führen die Behörden in den Ländern bereits Hunderte so genannte Feststellungsverfahren gegen einzelne Personen.

Könnte den Personen, die überprüft werden, nicht vorübergehend das Wahlrecht entzogen werden?

Nein, und zwar aus mehreren Gründen nicht: Das Wahlrecht ist ein hohes Gut und kann nicht "auf Verdacht", sondern nur unter Einhaltung strenger gesetzlicher Spielregeln aberkannt werden. Massenanträge, etwa unter Vorlage von Listen oder Datenträgern, sind undenkbar, zudem wäre die Aberkennung des Wahlrechts inkonsequent: Mit der Staatsbürgerschaft sind Rechte wie der Aufenthalt, Arbeitserlaubnis, etc. verbunden. – Diese müssten Austro-Türken dann ja auch verlieren.

Könnten die Doppelstaatsbürgerschaften ein Anfechtungsgrund sein?

Selbst wenn es sich um Hunderte Fälle handelt, die nachträglich die Staatsbürgerschaft verlieren, geht die Bundesregierung nicht davon aus. Das Innenressort stützt sich unter anderem auf ein Rechtsgutachten des Wiener Staatsrechtlers Gerhard Strejcek. Die Rechtslage orientiert sich – vereinfacht gesagt – stark am Stichtag: Wer zum Stichtag die Staatsbürgerschaft besitzt, darf wählen, wem sie zuvor rechtmäßig aberkannt wurde, eben nicht.

Was passiert mit den Stimmen von Wahlberechtigten, denen NACH der Nationalratswahl die Staatsbürgerschaft aberkannt wird?

Die Stimmen bleiben gültig. Eine abgegebene Stimme kann aufgrund des Wahlgeheimnisses nie mehr zu einer Wählerin oder einem Wähler zurückverfolgt werden. Daher ist eine nachträgliche Aberkennung rechtlich und faktisch unmöglich.