Politik/Inland

Grüne kämpfen um ländliche Wähler

Wenn Eva Glawischnig am Dienstag mit ihrem grasgrünen Tour-Bus auf dem Hauptplatz von Amstetten stoppt und in ihre „Wahl-Kantine“ lädt, dann hält sie kulinarisch an Bewährtem fest: Es gibt Bio-Bratwürstel und naturtrübe Säfte, wer mag, darf nebenbei mit ihr plaudern.

Die Bundessprecherin der Grünen fährt in diesem Wahlkampf verhältnismäßig oft ins Niederösterreichische – und das ist alles andere als Zufall. Denn will die Öko-Partei bei der Nationalratswahl jene 15 Prozent erreichen, die erst am Sonntag auch eine KURIER-OGM-Umfrage als derzeit möglich ermittelte, dann reicht es nicht, wenn sie beim Stammpublikum, sprich in innerstädtischen Kern-Wähler-Bezirken wie Wien-Neubau, punktet.

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„Im Hinblick auf die 15 Prozent machen wir einen völlig anderen Wahlkampf als beim letzten Mal 2008“, sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner. Der Grüne Wahlkampf-Leiter würde das so nie sagen, aber: Unter Alexander Van der Bellen hatte es zumeist genügt, wenn der Spitzenkandidat auf einer großen Bühne an einem möglichst belebten Platz in einer idealerweise mittelgroßen bis großen Stadt reden konnte; und nachhaltig punktete der Herr Professor und Parteichef ja ohnehin im Fernsehen – meinten seine Fans.

2013 reicht das nicht mehr, Glawischnig und ihr Team wollen keine Bühnen-Grünen mehr sein. Um gute Umfrage-Ergebnisse auch in gute Wahlergebnisse umzumünzen braucht es neue Methoden.

Fünfzig Prozent Plus

Dazu gehört, dass die Bundessprecherin und prominente Abgeordnete wie Peter Pilz insbesondere auf dem flachen Land, also in Grünen Hoffnungsgebieten, mit eigenen Bus-Touren unterwegs sind und Leute treffen. Alles eher informell und locker gehalten, mit Buffet, bloß keine Frontal-Veranstaltungen oder Polit-Monologe – das , so die Grünen, bieten ohnehin die anderen Parteien. 250.000 Stimmen muss die Öko-Partei netto diesmal mehr schaffen, damit bundesweit der Sprung von zehn auf 15 Prozent gelingen kann. Das klingt angesichts aktueller Umfragen erreichbar, braucht aber eine spektakulären Stimmenzuwachs: Die Grünen müssten um 50 Prozent mehr Stimmen schaffen als 2008. „Und um das zu erreichen, müssen wir vor allem in jenen Bundesländern stark zulegen bzw. uns verdoppeln, in denen wir noch Luft nach oben haben“, sagt Wallner. Neben Salzburg und Kärnten, wo es bei der jüngsten Landtagswahl bereits bestens lief, sind das die Steiermark, Ober- und eben Niederösterreich.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig stellte sich den User-Fragen im KURIER-Chat - hier gibt es die Chat-Nachlese:

Teresa Hammerl: Mich würde interessieren wie sich Die Grünen zum Thema Klimawandel informieren, von wem lässt man sich beraten, wem glaubt bzw. vertraut man und welche Informationen gibt man an die Bevölkerung weiter? Welche Maßnahmen, Projekte oder Konzepte der Grünen sind anschließend (und vor allem derzeit) davon beeinflusst?

Eva Glawischnig: Beim vom Menschen verursachten Klimawandel orientieren wir unsere Konzepte im Wesentlichen nach dem internationalen Stand der Wissenschaft. Im Klimabereich arbeiten für die mehrere tausend Wissenschaftler aus über hundert Ländern zusammen. (...) Deswegen: Umstieg auf erneuerbare Energieträger, runter mit dem Verbrauch, und mit Umwelttechnologie auch Exportchancen nutzen. Beispiel: Von zehn Pelletskesseln in Deutschland oder Frankreich kommen acht bis neun aus Oberösterreich.

Sebastian Winkler: Wie wollen Sie die komplette Lebensmittelproduktion auf Bio umstellen und nebenbei das Leben leistbarer machen, wie man in ihrem Wahlprogramm lesen kann?

Eva Glawischnig: Ziel für die nächsten fünf Jahre: Verdoppelung der Anzahl der Bio-Betriebe auf 40.000. Es gibt eine hohe Umstiegsbereitschaft, insbesondere bei jungen LandwirtInnen, sofern die Förderbedingungen passen. Auch hier wieder: Exportchancen nutzen, in Frankreich und Deutschland boomen mittlerweile Bio-Lebensmitel aus Österreich.

KURIER.at Moderation: Bio Lebensmittel sind aber ja teurer, als konventionelle...

Eva Glawischnig: Zu den Kosten: Saisonale Bio-Produkte sind im Preis vergleichbar mit Premium-Produkten, also jahreszeitenorientiert einkaufen. Fleisch ist deutlich teurer. Das heißt, Fleischkonsum muss reduziert werden, wenn man mit demselben Budget auskommen will. Sozialpolitik über Billigstlebensmittel ist nicht mein Weg. Das soll über direkte Unterstützung passieren.

Magdalena Lauberger: Ich habe eine weitere Frage: Welche Partei wäre ihnen der liebste Regierungspartner. Rein subjektiv betrachtet, ohne gleich im Namen ihrer ganzen Partei zu sprechen.

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Eva Glawischnig: Also wenn die SPÖ einen völlig normalen Umgang mit Kontrolle entwickeln würde, auch mitarbeiten würde bei Kontrolle, und sich das Thema Umweltschutz und Klimaschutz etwas ernster vornehmen würde, Proporzlisten vergessen würde und in vielen gesellschaftpolitischen Fragen Mut statt Zaudern zeigen würde, wären sie mir lieber.

Benedikt Florian Barth: Ich bin noch unschlüssig, was ich wählen soll. Mit welchem Argument würden Sie mich für Die Grünen überzeugen?

Eva Glawischnig: Ich verweise auf meine wichtigsten Anliegen: Steuergeld nur mehr dort, wo es hingehört; Ende der politischen Korruption; Einsatz für die Umwelt; umweltverträgliches Wirtschaften; ein entspannter Umgang mit unterschiedlichen Lebenskonzepten - Freiheit für den oder die Einzelne/n.

KURIER.at Moderation: Warum sollen gerade junge Leute, die zum ersten Mal wählen, die Grünen wählen?

Eva Glawischnig: Nicht nur kurzfristige Probleme und Interessen, sondern vor allem auch die langfristigen Interessen sind uns wichtig. Wie der Einsatz für den Schutz unserer Lebensgrundlagen zum Beispiel. Der wichtigste Faktor für die Entwicklung Österreichs ist: Jedes Kind ist ein Talent und verdient Förderung.

Christian Gruber: Warum werben Sie auf den Plakaten gegen Korruption, wenn man hört das zB Peter Pilz in einer billigen Sozialwohnung haust?

Eva Glawischnig: Im Wiener System können Menschen, die einmal in einer Gemeindebauwohnung eingezogen sind, auch bleiben, wenn sie ein höheres Einkommen haben. Ich finde das in Ordnung, würde mir allerdings vorstellen, dass in diesem Fall deutlich höhere Mieten gezahlt werden. Dagegen wehrt sich seit Jahren die SPÖ, leider. (...)

Natascha Strobl: Sind die Grünen eine bürgerliche Partei?

Eva Glawischnig: Natascha Strobl - Eine Frage der Definition. Bürgerlich in dem Sinn: Wir verteidigen Bürgerrechte und Freiheitsrechte, zum Beispiel gegen Überwachung durch "Vorratsdatenspeicherung".

Magdalena Lauberger: Das ende meiner beantworteten frage ist nicht zu sehen. Die Antwort wurde abrupt abgehackt, als es um die ÖVP ging!!!

Eva Glawischnig: Magdalena Lauberger: Danke, dann nochmal: Die Liste der Änderungswünsche bei der ÖVP ist länger: Bildungspolitik, ganztägige Schulen, Kindergärten als Förderstätte, Umgang mit Flüchtlingen, der Umweltminister, und selbstverständlich der Umgang mit Korruption.

Manuel A. Kotz: Sehr geehrte Fr. Glawischnig: Die Debatte mit FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache ging mit Untergriffen und frauenfeindlichen Beleidigungen von Strache selbst und Proponenten der FPÖ einher. Wie gehen Sie persönlich mit diesen unbotmäßigen Angriffen auf Sie und Ihr Geschlecht um?

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Eva Glawischnig: Leider erleben viele Frauen in Österreich immer wieder frauenfeindliche Beleidigungen - und nicht nur das. Mein Motto: Nix gfallen lassen. Und an anderer Stelle durch Kompetenz den Boden entziehen: Und auch immer wieder darüber reden, das transparent machen.

Matthias Habichauch: Warum wehrt sich eine demokratische Republik gegen ordentliche Entschädigung für Opfer von Heimen? Ist es die Gier, das vielleicht Parteiengelder gekürzt werden, was jährlich hunderte Millionen sind?

Eva Glawischnig: Für mich persönlich ist das, was in vielen Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen passiert ist - in Obhut des Staates - unerträglich. Aufarbeitung, Entschädigung, persönliche Hilfe, auch durch Therapien, sollten selbstverständlich in allen Bundesländern sein.

Benedikt Geierhofer: Wie stehen sie persönlich zur umstrittenen "Wer putzt bei dir?" Wahlwerbung?

Eva Glawischnig: Ich habe für alle Verständnis, die sich an der Verwendung eines Klischees über Ausländer gestoßen haben, gerade wenn man im Alltag als schwarzer Österreicher immer wieder Rassismus zu spüren bekommt. Die Grundidee war, an der gesellschaftlichen Realität anzuknüpfen.

Jasmin Kalchbrenner: Warum setzen die Grünen bei der Verbesserung der Verkehrssituation in Wien nicht beim "Gewissen" derjenigen Wiener an, die täglich parallel zur U-Bahn mit dem Auto zur Arbeit fahren, sondern machen den "Pendlern" das Leben immer schwerer?

Eva Glawischnig: Wir haben versucht, mit der Verbilligung der Jahresnetzkarte auch beim Preis anzusetzen. Und das hat gut funktioniert - 160.000 zusätzliche JahresnetzkartenfahrerInnen. Für die PendlerInnen müssen auch die Park & Ride-Anlagen deutlich attraktiver gestaltet werden.

Eva Glawischnig: Bin selbst im Sommer vom Süden mehrmals unterschiedlich Auto und Öffi nach Wien eingependelt, dort, wo Schnellbahnen da sind, ist Öffi-Pendeln deutlich bequemer. Allerdings gibt's Stundentakte, alles Dinge, die man verbessern kann.

Heidemarie Jedenastik: Sehr geehrte Frau Glawischnig! Ich habe eine Frage betreffend Umweltschutz. Mir ist Umweltschutz sehr wichtig. Ich finde es traurig dass z.B. das Wegwerfen einer Zigarette eher als "Kavaliersdelikt" gehandelt wird. Weggeworfene "Mäci"-Sackerl findet man nicht selten an Straßenrändern. Ich bin dafür dass das Verschmutzen der Umwelt viel stärker geandet gehört und auch Strafen eingehoben werden sollen - einerseits würde dies in Folge dessen Beseitigungskosten ersparen andererseits wären die Strafzahlungen Einnahmen. Was meinen Sie und Ihre Partei zu diesem Thema? Wäre so ein System umsetzbar?

Eva Glawischnig: Beim Wegwerfen von vor allem Zigaretten auf Straßen oder Kinderspielplätzen gibt es in Wien schon Verwaltungsstrafen. Strafen allein reicht glaube ich nicht. Das ist eine Frage von Bewusstseinsbildung, das heißt, bei den Kindern und Jugendlichen anfangen und wenn man's beobachtet, auch hie und da was sagen. (...)

Dominik Seitlhuber: Geschätzte Frau Glawischnig! Wie stehen Sie der Legalisierung von Marihuana in Österreich gegenüber? Würden sich die Grünen, sollten sie es in die Regierung schaffen, aktiv dafür einsetzen?

Eva Glawischnig: Mir ist die Entkriminalisierung ein Anliegen, das heißt, Jugendliche, sollen, wenn sie einmal einen Joint rauchen, nicht mit Konsequenzen wie Konflikt mit dem Strafrecht, Verlust der Lehrstelle, Schulwechsel konfrontiert sein.

Magdalena Lauberger: Ich habe folgende Frage: Ich bin selbst eine junge Frau und bin deswegen auch für Gleichberechtigung, doch kann ich einige Punkte in ihrem Wahlprogramm diesbezüglich nicht nachvollziehen. So sollen Firmen einen fixen Frauenanteil haben, obwohl eindeutig mehr ausgebildete Männer in diesen Sparten existieren (z.B. ingenieurstechnische Gebiete). Eine Fixquote von Frauen müsste in solchen Sparten doch verursachen, dass jede Frau in dieser Sparte fix einen Job bekommt, die Männer aber dann trotz der Überzahl(nach Ausbildung), bei Beschäftigungen in der Unterzahl sind? Wäre es nicht sinnvoller irgendwie dafür zu sorgen, dass mehr Frauen einen anderen Bildungsweg einschlagen? Sonst versteh ich das ganz und gar nicht ^^

Eva Glawischnig: Mir ist Diversität wichtig. Möglichst viele unterschiedliche Perspektiven sollen vor allem in Führungspositionen Platz haben. Deswegen für Aufsichtsräte und Vorstände eine Frauenquote. In der Privatwirtschaft ist mir sowohl für Männer als auch Frauen die Möglichkeit, eine Familie leben zu können, sehr wichtig. Und da gibt's noch große Probleme.

Daniel Gutschi: Wie weit oben steht die Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen Personen? Was würde Gleichstellung für die Grünen bedeuten?

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Eva Glawischnig: Für mich ist eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen, die als Staatsbürger die selben Pflichten haben, auch die selben Rechte haben sollen. Dass Schwule und Lesben genauso am Standesamt heiraten sollen dürfen, und sich nicht dort verpartnern müssen, wo das Auto oder der Hund angemeldet wird, sollte eine Selbstverständlichkeit sein!

Manuel A. Kotz: Werte Fr. Glawischnig, die FPÖ versucht mit ihrer fremdenfeindlichen Propaganda besonders unter Jugendlichen punkten zu können. Wie wollen sie der wachsenden Islamo- und Xenophobie, welche durch latenten Rechtsextremismus von Seiten der FPÖ einen Katalysator hat, entgegenwirken?

Eva Glawischnig: Rechtsextremismus kann nie ein Katalysator für irgendetwas sein und sollte in Österreich keinen Platz haben. Wichtig wäre, an den Schulen, wo es Konflikte gibt, viel stärker mit Sozialarbeitern, Park-Betreuern und Schulpsychologen zu arbeiten. Und gegenseitiges Verständnis soll vom Kindergarten bis zum Schulabschluss Teil des Alltags sein. Kindergarten ist für mich einer der wichtigsten Integrationsinstrumente, gerade bei den Kleinsten.

Christian Gruber: Würden Sie bei der jetzigen Asylpolitik einiges ändern? Besonders wenn man hört das in städtischen Schulen sogar bis zu 70 % bis 80% Ausländeranteil herrscht? Oder ist Ihnen das egal?

Eva Glawischnig: Der Umgang mit Asylwerbern hat mit Anteil von nicht-deutschsprechenden Kindern in den Schulen de facto nichts zu tun. Auch hier zwei Jahre verpflichtender Kindergarten kann Sprachentwicklung von Sechsjährigen am besten beeinflussen. Und Sprachschwierigkeiten haben auch viele Kindern ohne Migrationshintergrund.

Benedikt Geierhofer: Baustelle: Hochschulfinanzierung...Wo sehen sie mögliche Lösungen zur Finanzierung von Hochschulen und wie stehen sie zu Töchterles Lösungsversuchen?

Eva Glawischnig: Entgegen allen Versprechen und Regierungsprogrammen sind wir von dem Standard einer Hochschulfinanzierung, wie es in anderen OECD-Ländern üblich ist - einer halben Milliarde Euro im Jahr - weit entfernt. Um die teils entwürdigenden Zustände zu beenden, muss mehr Geld in die Hand genommen werden. Für den Straßenbau werden nach wie vor auf Pump Milliarden aufgenommen, warum nicht fürs Bildungssystem?