Politik/Inland

"Wer schwitzt, signalisiert Angst"

Bei Alfred Gusenbauer begann das Problem meist an der fingernagelgroßen Stelle zwischen Oberlippe und Nase. Immer, wenn er – bedingt durch die Hitze der Studioscheinwerfer – an diesem Fleck zu glänzen begann, wusste der Spitzenpolitiker: Ich bin in Schwierigkeiten, und zwar in erheblichen.

Wenn heute, Sonntag, die Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zum ersten Mal in großer Runde bei puls4 aufeinander treffen (siehe unten), werden sie zwar abwechselnd reden.

Von sich erzählen bzw. etwas preisgeben werden die Kandidaten aber pausenlos, selbst wenn sie nicht am Wort sind. Denn bei TV-Konfrontationen landet nur ein Bruchteil des Gesagten bei den Zuhörern. Ein erheblicher Teil der Überzeugungsarbeit geschieht über Mimik, Gestik und Kleidung.

Für den KURIER listen Wolfgang Schüssels frühere Pressesprecherin Heidi Glück und Ex-ORF-Moderator Gerald Groß "Do’s und Don’ts" auf, die Zuschauer mehr oder weniger bewusst beeinflussen.

1. Nasse Haut geht nicht

Bei TV-Duellen ist Schweiß das absolute Gift für die Glaubwürdigkeit. "Wer schwitzt, signalisiert, dass er oder sie überfordert ist bzw. Angst hat", sagt Heidi Glück.

Auch Ex-Bundeskanzler Gusenbauer wusste das. Und so brachte er sich bei Studio-Diskussionen regelmäßig selbst unter Druck, wie Gerald Groß erzählt: "Gusenbauer hat genau aufgepasst, in welchen Momenten nicht er, sondern die Journalisten im Bild zu sehen waren. Diese Augenblicke hat er genutzt, um ein Taschentuch zu zücken und sich das Gesicht trocken zu wischen."

Aus professioneller Sicht ist das ein Albtraum – der Diskutant versetzt sich selbst in Stress. Von John F. Kennedy wird die Schnurre überliefert, er habe sich 1960 vor dem Duell mit Richard Nixon in einer Kühlkammer erholt und so sein schweißgebadetes Gegenüber optisch ausgestochen.

Was aber tun, wenn man keine Kühlkammer hat? "Kreisky hat ganz ungeniert ein leintuchgroßes Taschentuch herausgezogen", sagt Groß. Die Gegner habe das irritiert. "Man kann aus Schwächen auch Stärken machen."

2. Karos sind blamabel

"Kleinkariert geht gar nicht", sagt Heidi Glück. "Das gilt für den Anzug genauso wie für die Argumentation."

Die Frage, warum Spitzenpolitiker im Fernsehen nie in Pepita-Sakkos auftreten, beantwortet die Fernsehtechnik. "Eng gestreifte oder karierte Muster beginnen im Kamera-Bild zu flimmern", sagt Glück. Bei Hemden predigt sie eine Farbe: "Es geht nur weiß. Alle anderen sind optische No-Gos."

Groß ist nicht so streng ("hellblau funktioniert gut, viele Studio-Dekorationen sind in der Farbe"). Wesentlich sei, bei der Kleidung darauf zu achten, wie man sitzt: Bei Männern sollte die Krawatte kürzer gebunden, und – wie die Länge der Hose – fürs lange Sitzen bemessen sein.

Was passiert, wenn man derlei ignoriert, war beim jüngsten Solo-Auftritt des Kanzlers zu sehen. Groß: "Die Krawatte hängt über Körperteile, wo man keine Aufmerksamkeit will. Und zu kurze Hosen und Socken führen im Sitzen dazu, dass man mitunter weiße Wadeln sieht – das irritiert."

Richard Lugner, wer sonst, missachtete jüngst alle Fernseh-Regeln, indem er in einem Vogel-/Buschwerk-Sakko ins Studio kam. "Aufmerksamkeit ist immer ein Ziel – Jörg Haider gelang das früher mit den Taferln. Man kann aber auch die Kleidung dafür einsetzen", sagt Glück. Lugners Sakko sei am nächsten Tag jedenfalls Gesprächsthema gewesen. "Man kann so von anderen Aspekten eines Auftritts ablenken."

3. Achte auf die Hände

Als George Bush senior 1992 bei einer Präsidentschaftsdebatte Fragen von Studio-Zuschauern beantworten sollte, tat er etwas, was ihn messbar Sympathien kostete: Er sah auf die Uhr. Bush drehte sein Handgelenk nur für ein, zwei Sekunden. "Aber bei den Zuschauern blieb hängen: ,Der ist genervt‘. So etwas ist tödlich", sagt Groß.

Wie signalisiert man Kompetenz und Interesse?

"Indem man Ruhe ausstrahlt", antwortet Glück. Wer die Hände auf den Tisch legt, könne allfälliges Zittern verbergen und hindere sich selbst daran, mit dem Drehsessel zu wackeln. "Liegende Hände bringen zudem eine gewisse Fixierung am Tisch – und damit Erdung."

Was nicht heißt, die Hände dürfen und sollen von Präsidentschaftskandidaten nicht bewegt werden, im Gegenteil. "Entscheidend ist aber, dass die Gestik immer authentisch bleibt. Vieles, was man bei der Gestik antrainiert, wird sichtbar, weil man immer einen Tick zu spät dran ist", sagt Groß.

Wer wissen will, wie man perfekt im Fernsehen agiert, der sollte US-Präsident Barak Obama studieren: Seine Arme sind meist im idealen Körperbereich zwischen Schultern und Hüfte. Und immer dann, wenn er den für Politiker typischen Zeigefinger hebt, vermeidet er tunlichst, den Finger nur ins Publikum zu richten – die Zuschauer sollen sich nicht unbewusst angegriffen fühlen.

Wenn heute Abend um 20.15 Uhr auf puls 4 zum ersten Mal alle im Hofburg-Wahlkampf antretenden Kandidaten für eine „Elefantenrunde“ in ein TV-Studio kommen, dann wird es dabei keine längeren Filme oder Einspielungen geben – die Sendung soll möglichst nicht unterbrochen werden. Und das hat für Moderatorin und puls 4-Info-Chefin Corinna Milborn vor allem einen Zweck: „Wir wissen mittlerweile ja, wo die Kandidaten stehen, es gab in Zeitungen und im Fernsehen viele Einzel-Interviews.

Das Spannende ist jetzt, wie sie miteinander interagieren, welche Körpersprache sie zeigen.“ Gemeinsam mit Co-Moderator Thomas Mohr will Milborn selbstredend die großen Themen streifen – „Amtsverständnis“, „Außenpolitik“ oder „Moral und Werte“ sind einige der Blöcke, die zur Diskussion stehen werden. Um die Sendung möglichst kurzweilig zu halten, hat sich das Team des Privat-Senders aber einiges überlegt: So wird es etwa „Schilder-Fragen“ geben.

„Wir wollen vermeiden, dass Fragen, die schlicht mit ,Ja‘ oder ,Nein‘ beantwortet werden können, zu Monologen ausarten. Deshalb gibt es Runden, bei denen die Kandidaten bloß mit einem Antwort-Kärtchen reagieren dürfen“, sagt Milborn.

Dem nicht genug, wird das OGM-Institut eine Blitz-Umfrage unter 500 Bürgern machen, die die Wahl-Auseinandersetzung zu Hause am Fernseher verfolgen.
Milborn: „Diese Wähler werden während der Sendung befragt, und wir können am Ende empirisch gestützt sagen, wer die Seher am meisten überzeugt hat.“