NR-Wahl: "Radikaler als Haiders 'Buberlpartie'"
Auch in den Freitag-Ausgaben kommentierten internationale Tageszeitungen das Ergebnis der Nationalratswahl und die Regierungsbildung in Österreich.
Neue Zürcher Zeitung:
"Österreichs Freiheitliche treten gemäßigt auf, sind aber ideologisch radikaler als Haiders 'Buberlpartie'. Die Chancen der FPÖ auf eine Regierungsbeteiligung sind gross. Damit streben Burschenschafter und Putin-Freunde in die höchsten Ämter des Landes."
Süddeutsche Zeitung (München):
"Österreichs Wahlsieger Sebastian Kurz ist noch gar nicht im Amt - da reist er schon zu einer Art Antrittsbesuch nach Brüssel (...) Als 'Brückenbauer' in einem auseinanderdriftenden Europa hat Kurz sich selbst auch schon angedient. Ansonsten aber ist er - wie in allem anderen auch - bislang sehr vage geblieben, was seine europapolitischen Vorstellungen angeht. Im Wahlkampf war Europa nur ein Thema, wenn es um vermeintliches Versagen ging - bei der Grenzsicherung und der Abwehr von Migranten. (...)
In den österreichischen Koalitionsverhandlungen dürfte Europa nun jedoch eine durchaus bedeutsame Rolle spielen. Schließlich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der der Regierung am Ende zustimmen muss, den Verhandlern mit auf den Weg gegeben, dass 'die europäischen Grundwerte der Kompass für die Zukunft Österreichs bleiben müssen'. Das darf als Warnung vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ verstanden werden."
Die Welt (Berlin):
"Es kann aber auch sein, dass diese Reise Kurz' letzter Besuch in Brüssel war. Eine Regierungskoalition zwischen SPÖ und FPÖ unter Führung des aktuellen sozialdemokratischen Bundeskanzlers Christian Kern ist durchaus möglich. Das wäre vermutlich das Ende der politischen Karriere von Kurz."
taz (Berlin):
"Was für ein Schlitzohr, dieser Sebastian Kurz! Daheim in Wien brüstet sich der künftige Kanzler Österreichs, während der Krise 2015 Angela Merkel ausgebremst und die Balkanroute geschlossen zu haben. Im Gespräch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel verspricht er einen 'proeuropäischen' Kurs. Und beim EU-Gipfel will er dann Merkel busseln.
Ist das glaubwürdig? Überhaupt nicht. Schon gar nicht, wenn Kurz, wie zu befürchten, ein Regierungsbündnis mit der EU-feindlichen FPÖ eingeht. Denn die steht Viktor Orban in Ungarn näher als jede andere Partei in Westeuropa. Wenn Kurz der FPÖ auch noch das Wiener Innenministerium überlassen sollte, muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen.
Macht nichts, wir haben auch schon einen Jörg Haider überlebt, könnte man sagen. Doch Haider wurde nicht von der EU ausgebremst, die damals sogar diplomatische Sanktionen verhängte. Er wurde von genau jenen Rechtsauslegern der FPÖ weggedrängt, die sich heute auf die Machtübernahme in Wien vorbereiten. Die Gefahr ist heute also ernster als zu Haiders Zeiten. Das betrifft nicht nur die Flüchtlingspolitik, bei der nun eine Dauerblockade droht - von Orbán, Kurz und der Visegrad-Gruppe. Es betrifft vor allem die EU-Reformen, die im kommenden Jahr auf den Weg gebracht werden sollen. Der EU-Gipfel will am Freitag eine ehrgeizige Reformagenda beschließen. Doch die Umsetzung könnte an Österreich scheitern. Denn die Regierung in Wien übernimmt im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Vorsitz."